Kunstförderer und Kosmopolit
Er war Mäzen, Verleger und Diplomat. Harry Graf Kessler hinterließ ein Tagebuch, das sich wie ein „Who is Who“ des europäischen Kulturlebens zwischen 1890 und 1930 liest. Auf dieser Basis konnte der amerikanische Historiker Laird M. Easton seine anregende Biografie „Der Rote Graf – Harry Graf Kessler und seine Zeit“ schreiben.
" Ich suchte jemand, der viele Beziehungen hatte in dem Zeitraum, der mich am meisten faszinierte, das ist der Zeitraum in Europa zwischen 1890 bis 1930. Und dann bin ich über die Nachkriegstagebücher gestolpert und habe sie entdeckt und gelesen, und ich dachte sofort: Aha, hier ist der Mann!“
Albert Einstein und Josephine Baker gehörten zu seinen Bekannten und Hausgästen in Berlin, der Maler Claude Monet und die Tänzerin Isadora Duncan in Paris, und Otto von Bismarck war ein Bewunderer der Gesangskunst von Kesslers schöner Mutter.
Als Kind durfte Harry dem greisen Reichskanzler einen Blumenstrauß ans Krankenbett bringen. Da Kessler alle seine Begegnungen in seinen über 57 Jahre hinweg geschriebenen Tagebüchern festhielt, hatte sein Biograf Laird Easton auch durchaus private Interessen an der Forschungsarbeit:
" Es hätte sein können, dass ich würde auch meinen eigenen Namen in diesen Tagebüchern finden, weil mein Großvater, der auch Laird Easton hieß, soll zu der selben Zeit auf der Insel Mallorca gelebt haben als Kessler in den dreißiger Jahren.“
Als Kessler auf Mallorca lebte, war seine Welt schon weitgehend zerstört. Seine Vorstellung von der Welt war kosmopolitisch und ästhetisch, stand also in krassem Gegensatz zu dem, was die Nationalsozialisten als Ideal durchzusetzen begannen. Harry Graf Kessler war zudem ein Mann vieler Interessen: Er förderte die Kunst und die Künstler, arbeitete als Kunstkritiker und Museumsdirektor, war mit Libretti für Ballette erfolgreich, diente im Ersten Weltkrieg als Soldat und wurde nach dem Krieg zum Pazifisten.
Sein Einsatz für die Weimarer Republik und sein Wirken für den Völkerbund machten ihn zum Gegner der Nationalsozialisten, die ihn schließlich ins Exil trieben. In den zwanziger Jahren, als er sich politisch sehr exponierte und sogar als Kandidat für den Reichstag um Wählerstimmen warb, bekam er von seinen politischen Feinden den Beinamen „Der rote Graf“. Laird Easton:
" Er war nicht vielleicht der „rote Graf“, tatsächlich war er vielleicht der „rosa Graf“, aber trotzdem: Viele haben diese Eigenschaft an ihm bemerkt damals, dass er von seinem Stand aus für die Republik und Pazifismus engagiert hat, das war ungemein, und so habe ich den Titel gewählt.“
Trotz seiner gesellschaftlichen Allgegenwart und seiner umfassenden Interessen auf politischem und diplomatischem Gebiet blieb Harry Graf Kessler ein Außenseiter:
" Ich glaube, dass seine Homosexualität hat ihn zu einer Art von heimlicher Außenseiter innerhalb der Kultur gemacht, und das war auch für ihn sehr schicksalhaft, glaube ich. Er hat einige Verhältnisse mit jungen Männern gehabt. Keiner von diesen Männern, glaube ich, war ihm ebenbürtig, was soziale Herkunft und Reichtum und Bildung angeht.“
Kesslers Homosexualität war jedoch auch Antrieb für außergewöhnliche künstlerische Leistungen. So schrieb Harry Graf Kessler ein Libretto für den russischen Tänzer Vaslav Nijinski. Richard Strauss komponierte dazu die Musik. Die „Josephslegende“ wurde am 14. Mai 1914 in der Grand Opéra in Paris uraufgeführt.
Laird Eastons Biografie „Der rote Graf – Harry Graf Kessler und seine Zeit“ ist eine inhaltsreiche und anregende Lektüre. Der gelehrte Autor vermeidet einen allzu wissenschaftlichen Stil, wie das bei amerikanischen Akademikern zum Vergnügen der Leserschaft üblich ist. Sein deutscher Übersetzer Klaus Kochmann hat gute Arbeit geleistet. Zu beklagen ist allenfalls, dass da und dort das Englische durch den deutschen Text schimmert und sich kein Verlag mehr einen peniblen Korrektor leistet, dem Wörter auch dann auffallen, wenn sie fehlen. Das Buch ist empfehlenswert:
" Sie werden einen Mann kennen lernen, der einen großen humanitarian Geist hatte. In vielen Dingen war er in seiner Zeit voraus, und er hat – meiner Meinung nach – in einer viel interessantere Zeitalter als unseres gelebt, und dies ist eine ganze Welt, die jetzt verloren ist.“
Laird M. Easton: „Der Rote Graf – Harry Graf Kessler und seine Zeit“; aus dem Amerikanischen von Klaus Kochmann, Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2005, 575 Seiten, ISBN: 3-608-93694-7, Leineneinband mit Schutzumschlag, Lesebändchen, zahlreiche Schwarz-Weiß-Illustrationen, 39,50 Euro.
Albert Einstein und Josephine Baker gehörten zu seinen Bekannten und Hausgästen in Berlin, der Maler Claude Monet und die Tänzerin Isadora Duncan in Paris, und Otto von Bismarck war ein Bewunderer der Gesangskunst von Kesslers schöner Mutter.
Als Kind durfte Harry dem greisen Reichskanzler einen Blumenstrauß ans Krankenbett bringen. Da Kessler alle seine Begegnungen in seinen über 57 Jahre hinweg geschriebenen Tagebüchern festhielt, hatte sein Biograf Laird Easton auch durchaus private Interessen an der Forschungsarbeit:
" Es hätte sein können, dass ich würde auch meinen eigenen Namen in diesen Tagebüchern finden, weil mein Großvater, der auch Laird Easton hieß, soll zu der selben Zeit auf der Insel Mallorca gelebt haben als Kessler in den dreißiger Jahren.“
Als Kessler auf Mallorca lebte, war seine Welt schon weitgehend zerstört. Seine Vorstellung von der Welt war kosmopolitisch und ästhetisch, stand also in krassem Gegensatz zu dem, was die Nationalsozialisten als Ideal durchzusetzen begannen. Harry Graf Kessler war zudem ein Mann vieler Interessen: Er förderte die Kunst und die Künstler, arbeitete als Kunstkritiker und Museumsdirektor, war mit Libretti für Ballette erfolgreich, diente im Ersten Weltkrieg als Soldat und wurde nach dem Krieg zum Pazifisten.
Sein Einsatz für die Weimarer Republik und sein Wirken für den Völkerbund machten ihn zum Gegner der Nationalsozialisten, die ihn schließlich ins Exil trieben. In den zwanziger Jahren, als er sich politisch sehr exponierte und sogar als Kandidat für den Reichstag um Wählerstimmen warb, bekam er von seinen politischen Feinden den Beinamen „Der rote Graf“. Laird Easton:
" Er war nicht vielleicht der „rote Graf“, tatsächlich war er vielleicht der „rosa Graf“, aber trotzdem: Viele haben diese Eigenschaft an ihm bemerkt damals, dass er von seinem Stand aus für die Republik und Pazifismus engagiert hat, das war ungemein, und so habe ich den Titel gewählt.“
Trotz seiner gesellschaftlichen Allgegenwart und seiner umfassenden Interessen auf politischem und diplomatischem Gebiet blieb Harry Graf Kessler ein Außenseiter:
" Ich glaube, dass seine Homosexualität hat ihn zu einer Art von heimlicher Außenseiter innerhalb der Kultur gemacht, und das war auch für ihn sehr schicksalhaft, glaube ich. Er hat einige Verhältnisse mit jungen Männern gehabt. Keiner von diesen Männern, glaube ich, war ihm ebenbürtig, was soziale Herkunft und Reichtum und Bildung angeht.“
Kesslers Homosexualität war jedoch auch Antrieb für außergewöhnliche künstlerische Leistungen. So schrieb Harry Graf Kessler ein Libretto für den russischen Tänzer Vaslav Nijinski. Richard Strauss komponierte dazu die Musik. Die „Josephslegende“ wurde am 14. Mai 1914 in der Grand Opéra in Paris uraufgeführt.
Laird Eastons Biografie „Der rote Graf – Harry Graf Kessler und seine Zeit“ ist eine inhaltsreiche und anregende Lektüre. Der gelehrte Autor vermeidet einen allzu wissenschaftlichen Stil, wie das bei amerikanischen Akademikern zum Vergnügen der Leserschaft üblich ist. Sein deutscher Übersetzer Klaus Kochmann hat gute Arbeit geleistet. Zu beklagen ist allenfalls, dass da und dort das Englische durch den deutschen Text schimmert und sich kein Verlag mehr einen peniblen Korrektor leistet, dem Wörter auch dann auffallen, wenn sie fehlen. Das Buch ist empfehlenswert:
" Sie werden einen Mann kennen lernen, der einen großen humanitarian Geist hatte. In vielen Dingen war er in seiner Zeit voraus, und er hat – meiner Meinung nach – in einer viel interessantere Zeitalter als unseres gelebt, und dies ist eine ganze Welt, die jetzt verloren ist.“
Laird M. Easton: „Der Rote Graf – Harry Graf Kessler und seine Zeit“; aus dem Amerikanischen von Klaus Kochmann, Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2005, 575 Seiten, ISBN: 3-608-93694-7, Leineneinband mit Schutzumschlag, Lesebändchen, zahlreiche Schwarz-Weiß-Illustrationen, 39,50 Euro.