Kunstfest Weimar

Zweimal Prokofjew: Großvater und Enkel

Undatierte Aufnahme des russischen Komponisten und Pianisten Sergej Prokofjew. Er wurde am 27. April 1891 in Sonzowka geboren und ist am 5. März 1953 in Moskau gestorben.
Undatierte Aufnahme des russischen Komponisten und Pianisten Sergej Prokofjew (1891-1953) © picture-alliance / dpa / Röhnert
22.09.2017
Es war eine Art grandioser Sackgasse, in die Sergej Prokofjew wenige Jahre nach seiner Rückkehr in die Sowjetunion hineinlief: erst fand seine gewaltige Revolutionskantate keine Gnade vor Stalin – und nach der späteren "Tauwetter"-Politik wollte sie erst recht keiner mehr hören.
Hatte doch Chrustschows Abrechnung mit Stalins Massenterror und Personenkult drei Jahre nach dem Tod des Diktators alle einschlägigen Lobhudeleien auf den Generalissimus obsolet gemacht – und an denen fehlt es auch in Prokofjews Kantate nicht. Was, wie gesagt, schon zur Entstehungszeit 1937 nichts nützte – vielleicht auch, weil sich der Adressat nicht mit der Ästhetik des monumentalen, seinerzeit auf 500 Mitwirkende berechneten Werkes anfreunden konnte, dem der Komponist unter anderem naturalistische Militär-Marschklänge, Gewehr- und Sirenenklänge einkomponiert hatte. Wie manchmal bei politisch intendierten
Werken hatte sich der Künstler zwischen sämtliche Stühle gesetzt.
Doch genau das macht die Komposition heute, mit einigem historischen Abstand, wieder interessant: dass sie bei allem dröhnenden Pathos ihr Schwergewicht weniger auf die klangliche Darstellung rosaroter Menschengemeinschafts-Träumereien als auf die Härte und Roheit der Kämpfe entlang des Weges dahin legt – was man durchaus auch als untergründige Kritik lesen kann; Stalins Bauchgefühl war wohl so falsch nicht.
Der "andere Prokofiev" des Weimarer Programms – Sergejs Enkel Gabriel, gemäß seiner englischen Wahlheimat auch leicht abweichend geschrieben – hat heute andere Probleme; unter anderem das, sich in der aktuellen Musikwelt zwar mit allem Respekt vor dem "Alten", aber dennoch als eigenständige Künstlerpersönlichkeit zu platzieren. Was er vom Großvater in jedem Falle übernehmen möchte, ist dessen Arbeitsethos. Ansonsten zeigt schon die Besetzung des heute erklingenden Konzertes – Plattenspieler und Orchester – dass da eine ganz andere Richtung eingeschlagen wird. Prokofiev junior betätigt sich übrigens gern auch selbst als DJ – für dieses Stück aber hat er mit seinem in einschlägigen Foren mehrfach presigekrönten Kollegen "Mr Switch" einen kongenialen Interpreten gefunden, der es 2007 uraufführte und nun auch in Weimar dabei ist.


Kunstfest Weimar
Weimarhalle
Aufzeichnung vom 23.08.2017


Sergej Prokofjew
Kantate zum 20. Jahrestag der Oktoberrevolution für Orchester, Militärkapelle und zwei Chöre
Gabriel Prokofiev
Concerto for Turntables and Orchestra


DJ Mr Switch
Luftwaffenmusikkorps Erfurt
Ernst Senff Chor Berlin
Staatskapelle Weimar
Leitung: Kirill Karabits