Kunst unter den Bedingungen der Diktatur

Von Volkhard App |
Künstler, die sich den Kunstvorstellungen der Nationalsozialisten nicht beugen wollten, wurden ausgegrenzt, so auch in Hamburg. Viele von ihnen versuchten weiterhin als Künstler zu arbeiten. Angst, ja Verzweiflung sind in ihren Bildern gegenwärtig, wie die Ausstellung "Ausgegrenzt" zeigt.
Zwei Mädchen stehen vor einer Litfasssäule und unterhalten sich, hinter ihnen eine Frau und ein Mann mit tief gezogenem Hut und unkenntlichem Gesicht. "Spitzel" heißt diese 1944 entstandene, in Grautönen gehaltene Tuschzeichnung von Annemarie Ladewig, einer nahezu vergessenen, im KZ Neuengamme ermordeten Hamburger Künstlerin. Selten wurde Zeiterfahrung so direkt ins Bild gesetzt.

Auch die expressiven Linolschnitte des Kommunisten Franz Kammigan, die 1935 einen Fluchtversuch aus dem Konzentrationslager zeigten, eines ermordeten Genossen gedachten und sinnbildhaft nach dem Weg Deutschlands fragten, fallen deshalb in dieser Ausstellung auf. Der Künstler war gerade aus dem KZ Fuhlsbüttel entlassen worden.

Zeichnungen, Drucke und Gemälde als Gegenbeispiele zur offiziellen Gleichschaltung. So unterschiedlich die Motive und Stile bei diesen Künstlerinnen und Künstlern auch waren – von furiosem Liniengewirr bis zu neusachlicher Klarheit – ihre biografische Gemeinsamkeit bestand im Ausgegrenztwerden.

Maike Bruhns hat sich als Kunsthistorikerin dieses Themas angenommen und eine Sammlung mit entsprechenden Werken aufgebaut:

"Ausgegrenzt hieß: aus rassistischen Gründen verfolgt zu werden, wegen der jüdischen Herkunft, und aus künstlerischen Gründen, weil sie "entartet" malten. Betroffen waren die politisch engagierten Künstler, die Kommunisten und Sozialdemokraten - und alle, die sich den NS–Vorgaben für Kunst nicht anpassen wollten."

1933 bereits hatte sich die Hamburgische Sezession aufgelöst, weil sie ihre jüdischen Mitglieder nicht ausschließen wollte. Drei Jahre später verbot Adolf Ziegler, Präsident der Reichskulturkammer, höchstpersönlich eine Schau des Deutschen Künstlerbunds im Hamburger Kunstverein, in der noch erstaunlich viele angefeindete Künstler vertreten waren. Aus Hamburger Museen entfernten die Nazis nach und nach 1400 so genannte entartete Werke.

Zeichner, Maler und Bildhauer, die der Anpassung widerstanden, hatten unter alltäglicher Repression zu leiden:

Maike Bruhns: "Mit den persönlichen Folgen, dass sie, nachdem 1936 die Landesstelle der Reichskammer eingerichtet war, nicht mehr zu Ausstellungen eingeladen wurden. Juden ohnehin nicht, sie wurden spätestens 1938 aus der Reichskammer der Bildenden Künste ausgeschlossen. Die Juden wurden überwacht, die Gestapo klingelte bei ihnen und prüfte, ob die Pinsel nass waren."

An vielen der in der Kunsthalle präsentierten Landschaften und Interieurs ginge man vielleicht achtlos vorüber, spielte hier nicht der Zeithintergrund eine entscheidende Rolle. Er fordert immer wieder zur Interpretation heraus.

Wenn in Ivo Hauptmanns Elbszenerie grünes Gewächs monströs in die Höhe schießt und dämonenähnlich sein Maul aufreißt, so ist die unheimliche Stimmung als Reaktion auf die politische Atmosphäre zu werten. Ein im Olympiajahr 1936 in düsteren Tönen gemaltes Eishockeyspiel erscheint als Replik auf nationale Euphorie.

Ein mächtiges Fensterkreuz kann wie bei Eduard Bargheers Blankeneser Zimmerbild als Schutz gegen die feindliche Außenwelt gedeutet werden, bei anderen Künstlern aber auch als Anspielung auf das Eingesperrtsein. Auch in der hohen Zahl der Winterlandschaften sieht man in der Kunsthalle ein politisches Symptom. Und betrachtet einen Matrosen mit Brief und farbdurchtränkte ferne Meeresufer als Wunsch, der Diktatur zu entfliehen.

Manche dieser Deutungen bieten sich geradezu an - aber es besteht womöglich auch die Gefahr, dass in die Landschaften und Interieurs zuviel hineininterpretiert wird.

Bruhns: "Das kann man unterstellen, das ist aber nicht so. Ich habe mich 18 Jahre lang mit der Forschung beschäftigt: Man findet bei den ausgegrenzten Künstlern häufig solche Bilder. Und wenn man die Biografien berücksichtigt, z.B. bei der Malerin Alma del Banco, die sich 1943 vor der Deportation das Leben nahm, und das letzte Bild betrachtet, dann wird einem klar, dass der Bildkontext mit der Biografie zu tun hat und es ein Werk dieser Zeit ist."

Die nüchternen und oft trostlosen Selbstbildnisse gehören zu den künstlerischen Höhepunkten dieser Schau. Ebenso die Versuche, die Bomben auf Hamburg, die Verzweiflung der Mitbürger und die eigene Angst zu verarbeiten. Heinrich Stegemann malte 1943 mit heftigen Pinselstrichen die chaotisch lodernde Stadt und schrieb an einen Freund:

"Wir sind über Nacht heimatlose Menschen geworden. Wohnung und Atelier verbrannt, nur wenige Bilder habe ich gerettet und einige Kleidungsstücke – das Elend in Hamburg ist unbeschreiblich. Hamburg existiert so gut wie nicht mehr ... Wie der Angriff vorbei war, haben wir uns in nasse Decken gehüllt und sind durch die brennende Straße zum nahen Hammer Park gelaufen, und in diesen wurden durch den Sturm die riesigen Flammen der Straße gepresst.... Mein Lieber, wie grausam wird den Menschen mitgespielt, die Hölle kann nicht schlimmer sein wie diese Nacht."

In der Hamburger Kunsthalle hat man lange nicht gewusst, dass noch so viele Bilder und Zeichnungen aus jener Zeit existieren und ist froh, jetzt auf die Sammlung von Maike Bruhns und auf andere Leihgaben zurückgreifen zu können. Direktor Uwe M. Schneede:

" Wir sind immer noch in der Phase, in der wir etwas wiedergutzumachen und zurechtzurücken haben, und wo wir den Künstlern Gerechtigkeit widerfahren lassen müssen, und sei es posthum, und das Schicksal dieser ausgegrenzten Menschen, der jüdischen und all der anderen, immer wieder in Erinnerung rufen müssen. Und das ist anhand von Kunst eine besonders schöne und auch sehr aufregende Aufgabe."

Nun wird mit dieser Ausstellung auch deutlich, wie sehr sich wenigstens in unseren Breiten die Zeiten geändert haben. Die Künstlerinnen und Künstler müssen heute keine staatliche Verfolgung befürchten. Der Effekt einer solchen Schau könnte deshalb in einer Art Erleichterung bestehen, diese Phase nicht miterlebt zu haben, sagt Maike Bruhns:

Bruhns: " Es muss klar werden, was Kunst alles erleiden kann. Und wie selbst unter einer Diktatur, die alles vorschreibt und eingrenzt, trotzdem noch Kunst entsteht. Das ist der eigentliche Inhalt dieser Ausstellung."

Service:

Die Ausstellung Ausgegrenzt. Kunst in Hamburg 1933-1945 in der Hamburger Kunsthalle präsentiert Werke Hamburger Künstler, die in der NS-Diktatur unterdrückt wurden. Die Ausstellung ist vom 21. August bis 13. November zu sehen.