Kunst rund um den Ball
Lange Zeit herrschte Funkstille zwischen der Fußballwelt und der Sphäre der Kunst. Der "Massensport" galt als Phänomen einer Erfahrung aus zweiter Hand. Jetzt aber, so annonciert die Ausstellung "Rundlederwelten", ist der Fußball eine Sache für "Erlebnisräume" – und die finden sich im Museum, im Berliner Gropius-Bau.
Die Fußball-Scheu der Künstler und Intellektuellen ist längst einer fast schon modischen Sportbegeisterung gewichen in einer Zeit, da die Individuen sich mit jeder Saison neu justieren, mit Hobbys und Passionen ihre Biographie ausstaffieren. Darauf zumindest hofft Dorothea Strauss, die Kuratorin der "Rundlederwelten" im Berliner Gropius-Bau:
Dorothea Strauss: ""Den Fan" als solchen gibt es nicht mehr. Es gibt immer noch die Fans, die nur Stadion und Fußball haben wollen, aber es gibt viele Grenzgänger, die sich für vieles verschiedenes interessieren – und die möchte ich gerne in diese Ausstellung hineinziehen. Und wenn dann diejenigen, die sonst nur ins Stadion gehen, auch mal hierher kommen – das wäre natürlich super!"
Vielleicht, so stellt sich der kunstbeschlagene Fußballfan vor, gibt es ja eine Art Stadion-Picasso: Der Meister hat einmal auf einem Foto mit langer Belichtungszeit regelrecht gemalt, eine Taschenlampe in der Rechten kunstvolle Lichtspuren hinterlassen. Solche Lichter könnte man doch auch den Spielern aufstecken, für ein Panoramafoto, auf dem dann Schweinsteiger, Klose oder Asamoah ihre kalligraphischen Bewegungsdiagramme hinterlassen. Aber das würde dem Charakter dieses wunderbar einfachen Spiels widersprechen, warnt der Fußballreporter Marcel Reif:
Marcel Reif: ""Dreierketten", "Viererketten", mit der "Raute im Mittelfeld" – das ist nur Kappeskram. Ich finde, Fußball ist das Einfachste und Schönste, was es gibt – ohne Kunstsprache."
Also hält sich die Kunst an das etablierte "Starsystem": Andy Warhol porträtiert Beckenbauer ganz einfach als Star, als Heiligenbildchen der Moderne. Werner Büttner lässt die Nationalmannschaft von 1972 aus Holz schnitzen, von Kunsthandwerkern aus der Dritten Welt. Und Erwin Wurm bietet gar eine one-minute-sculpture an, jeder kann mit seinem Kopf eine Apfelsine an die Wand pressen, ganz so, wie Beckenbauer es auf dem Cover des "Rundlederwelten"-Katalogs vormacht. Sogar die Mädels der Nationalmannschaft werden in einer Monitorgalerie gewürdigt oder auf meterhohem Sockeln – allerdings als Miniaturfigürchen.
Ingeborg Lüscher immerhin schlägt eine kritische Volte und schickt Schweizer Erstligisten in Designer-Anzügen auf den Rasen – wo sich dann auch noch der Ball in einen Laptop verwandelt. Und an so etwas wie diese Videoinstallation hatte die Kuratorin eigentlich gedacht:
Dorothea Strauss: "Fußball bietet so vieles, an dem wir die virulenten Fragen unserer Zeit festmachen können. Es geht um Spiel, es geht um Leben, es geht um Macht, es geht um Erfolg, es geht um Verlust, es geht um viele Aspekte."
Vor allem geht es darum, dass ein gutes Spiel eigentlich nie aufhören sollte. Schon Jean-Luc Godard, der Filmemacher, plädierte für Begegnungen von acht, neun Stunden. Bei Serge Spitzer nun, der eine Leder-"Pille" auf einer computergesteuerten schrägen Ebene rotieren lässt, ist – welche Lust – überhaupt kein Ende abzusehen. Das wirkt auf leichthändige Weise philosophisch, während das Gros der über 70 Arbeiten die Fußballwelt fast kleinteilig durchdekliniert. Ganz anders als Markus Lüpertz, mit dessen überlebensgroßem Porträt eines Fußballs Dorothea Strauss den Ausstellungsreigen eröffnet:
Dorothea Strauss: "Nicht umsonst habe ich mit Markus Lüpertz 1966 angefangen. Denn seit den sechziger Jahren haben wir eine Auseinandersetzung zwischen Profankultur und so genannter High-Kultur. Mittlerweile können wir diese Begriffe so gar nicht mehr halten, weil sie sich so miteinander verbunden haben, dass es eben ganz spannende neue Entwicklungen gibt."
Neu ist das Auseinanderbrechen der großen, aber meist auch angenehm behäbigen Erzählung vom Fußball in grelle Elementarteilchen: Die Erregung der Masse und das grelle Flutlicht, Trikotaufschriften und Fanwimpel, die von Erik Steinbrecher an der Spitze brutal abgehackten Stiefel oder Olaf Nicolais in cremigen Camouflagefarben bemalte Torwand sind Elemente einer Ausstellungscollage, unter die Michael Staab mit seinem "Büro für Desinformation" einen harten Strich zieht:
Michael Staab: "Ich bin kein Fußballhasser, im Gegenteil. Aber ich bin auch kein Fußballspezialist. Was mich interessiert hat, war nicht eine Auseinandersetzung mit dem Spiel als solchem, oder der Ball oder der Spieler. Mich hat das System Fußball interessiert, mich hat das Verhältnis interessiert zwischen dem einzelnen Fan mit seinen Emotionen, seinen Wünschen und Träumen im Gegensatz zu dieser gigantischen Organisationsmaschine, die in Bewegung gesetzt werden muss, um das größte Ereignis auf diesem Planeten zu realisieren, das hat mich interessiert."
Für ein "System" allerdings präsentiert sich diese Fußballwelt mit all den labyrinthischen Abirrungen und Seitensprüngen äußerst farbenfroh. "High and low", hohe Kunst und populäre Bildwelten, tanzen munter durcheinander – und erfüllen so das Kalkül der Kuratorin:
Dorothea Strauss: "Das ist ja das Gefährliche und Spannende an solch einer Ausstellung: Schafft man es, dass das Publikum sieht, dass es alles autonome Werke sind und Fußball – ist nur ein Fragment darin."
Gerd Rohling funktioniert mit wenigen Strichen eine armselige Plastikwanne zum Stadion um, Thomas Virnich fährt dagegen das monumentale Modell des antiken Colosseum auf. Aber selbst in diesem pompösen Hexenkessel geht es ums emotionale Grundprinzip von "Brot und Spiele":
Thomas Virnich: "Je kleiner die Arena, um so größer wird das Publikum. Also: Um so näher fühlen sie sich am Spielfeld."
Nur kann man aus dieser Nähe die großen, eleganten Spielzüge nicht erkennen. Und damit das Kühne und Aufregende, das Harmonische und Verspielte, das kraftvoll Schöne am Fußball nicht im Klein-Klein der Museumskunst untergeht, hält Dorothea Strauss einen wundersamen Tipp parat:
Dorothea Strauss: "Ich mag Stadien sehr, vor allem leere Stadien. Als einen Ort der Melancholie, als einen Ort, der davon erzählt, dass etwas passieren könnte, dass etwas geschehen könnte."
Dorothea Strauss: ""Den Fan" als solchen gibt es nicht mehr. Es gibt immer noch die Fans, die nur Stadion und Fußball haben wollen, aber es gibt viele Grenzgänger, die sich für vieles verschiedenes interessieren – und die möchte ich gerne in diese Ausstellung hineinziehen. Und wenn dann diejenigen, die sonst nur ins Stadion gehen, auch mal hierher kommen – das wäre natürlich super!"
Vielleicht, so stellt sich der kunstbeschlagene Fußballfan vor, gibt es ja eine Art Stadion-Picasso: Der Meister hat einmal auf einem Foto mit langer Belichtungszeit regelrecht gemalt, eine Taschenlampe in der Rechten kunstvolle Lichtspuren hinterlassen. Solche Lichter könnte man doch auch den Spielern aufstecken, für ein Panoramafoto, auf dem dann Schweinsteiger, Klose oder Asamoah ihre kalligraphischen Bewegungsdiagramme hinterlassen. Aber das würde dem Charakter dieses wunderbar einfachen Spiels widersprechen, warnt der Fußballreporter Marcel Reif:
Marcel Reif: ""Dreierketten", "Viererketten", mit der "Raute im Mittelfeld" – das ist nur Kappeskram. Ich finde, Fußball ist das Einfachste und Schönste, was es gibt – ohne Kunstsprache."
Also hält sich die Kunst an das etablierte "Starsystem": Andy Warhol porträtiert Beckenbauer ganz einfach als Star, als Heiligenbildchen der Moderne. Werner Büttner lässt die Nationalmannschaft von 1972 aus Holz schnitzen, von Kunsthandwerkern aus der Dritten Welt. Und Erwin Wurm bietet gar eine one-minute-sculpture an, jeder kann mit seinem Kopf eine Apfelsine an die Wand pressen, ganz so, wie Beckenbauer es auf dem Cover des "Rundlederwelten"-Katalogs vormacht. Sogar die Mädels der Nationalmannschaft werden in einer Monitorgalerie gewürdigt oder auf meterhohem Sockeln – allerdings als Miniaturfigürchen.
Ingeborg Lüscher immerhin schlägt eine kritische Volte und schickt Schweizer Erstligisten in Designer-Anzügen auf den Rasen – wo sich dann auch noch der Ball in einen Laptop verwandelt. Und an so etwas wie diese Videoinstallation hatte die Kuratorin eigentlich gedacht:
Dorothea Strauss: "Fußball bietet so vieles, an dem wir die virulenten Fragen unserer Zeit festmachen können. Es geht um Spiel, es geht um Leben, es geht um Macht, es geht um Erfolg, es geht um Verlust, es geht um viele Aspekte."
Vor allem geht es darum, dass ein gutes Spiel eigentlich nie aufhören sollte. Schon Jean-Luc Godard, der Filmemacher, plädierte für Begegnungen von acht, neun Stunden. Bei Serge Spitzer nun, der eine Leder-"Pille" auf einer computergesteuerten schrägen Ebene rotieren lässt, ist – welche Lust – überhaupt kein Ende abzusehen. Das wirkt auf leichthändige Weise philosophisch, während das Gros der über 70 Arbeiten die Fußballwelt fast kleinteilig durchdekliniert. Ganz anders als Markus Lüpertz, mit dessen überlebensgroßem Porträt eines Fußballs Dorothea Strauss den Ausstellungsreigen eröffnet:
Dorothea Strauss: "Nicht umsonst habe ich mit Markus Lüpertz 1966 angefangen. Denn seit den sechziger Jahren haben wir eine Auseinandersetzung zwischen Profankultur und so genannter High-Kultur. Mittlerweile können wir diese Begriffe so gar nicht mehr halten, weil sie sich so miteinander verbunden haben, dass es eben ganz spannende neue Entwicklungen gibt."
Neu ist das Auseinanderbrechen der großen, aber meist auch angenehm behäbigen Erzählung vom Fußball in grelle Elementarteilchen: Die Erregung der Masse und das grelle Flutlicht, Trikotaufschriften und Fanwimpel, die von Erik Steinbrecher an der Spitze brutal abgehackten Stiefel oder Olaf Nicolais in cremigen Camouflagefarben bemalte Torwand sind Elemente einer Ausstellungscollage, unter die Michael Staab mit seinem "Büro für Desinformation" einen harten Strich zieht:
Michael Staab: "Ich bin kein Fußballhasser, im Gegenteil. Aber ich bin auch kein Fußballspezialist. Was mich interessiert hat, war nicht eine Auseinandersetzung mit dem Spiel als solchem, oder der Ball oder der Spieler. Mich hat das System Fußball interessiert, mich hat das Verhältnis interessiert zwischen dem einzelnen Fan mit seinen Emotionen, seinen Wünschen und Träumen im Gegensatz zu dieser gigantischen Organisationsmaschine, die in Bewegung gesetzt werden muss, um das größte Ereignis auf diesem Planeten zu realisieren, das hat mich interessiert."
Für ein "System" allerdings präsentiert sich diese Fußballwelt mit all den labyrinthischen Abirrungen und Seitensprüngen äußerst farbenfroh. "High and low", hohe Kunst und populäre Bildwelten, tanzen munter durcheinander – und erfüllen so das Kalkül der Kuratorin:
Dorothea Strauss: "Das ist ja das Gefährliche und Spannende an solch einer Ausstellung: Schafft man es, dass das Publikum sieht, dass es alles autonome Werke sind und Fußball – ist nur ein Fragment darin."
Gerd Rohling funktioniert mit wenigen Strichen eine armselige Plastikwanne zum Stadion um, Thomas Virnich fährt dagegen das monumentale Modell des antiken Colosseum auf. Aber selbst in diesem pompösen Hexenkessel geht es ums emotionale Grundprinzip von "Brot und Spiele":
Thomas Virnich: "Je kleiner die Arena, um so größer wird das Publikum. Also: Um so näher fühlen sie sich am Spielfeld."
Nur kann man aus dieser Nähe die großen, eleganten Spielzüge nicht erkennen. Und damit das Kühne und Aufregende, das Harmonische und Verspielte, das kraftvoll Schöne am Fußball nicht im Klein-Klein der Museumskunst untergeht, hält Dorothea Strauss einen wundersamen Tipp parat:
Dorothea Strauss: "Ich mag Stadien sehr, vor allem leere Stadien. Als einen Ort der Melancholie, als einen Ort, der davon erzählt, dass etwas passieren könnte, dass etwas geschehen könnte."