Kunst in der Gruppe
Immer wieder gab es in der Kunstgeschichte Künstlergruppen, die die romantische Idee vom künstlerischen Genie ablehnten und die Produktion von Kunst hinterfragten. Auch heute noch machen Künstler als Kollektiv gemeinsame Sache. Einen Überblick über deren Schaffen zeigt jetzt die Kunsthalle Fridericianum in Kassel mit der Ausstellung "Kollektive Kreativität".
Wie dogmatisches Kollektivgebaren sich im Lauf der vergangenen Jahrzehnte zur anonymen Maskerade, zum ironischen Spiel mit Namen und Kunstrichtungen wandelte, demonstriert die britische "Art & Language"-Gruppe mit einem Lenin-Porträt, gemalt im Stil von Jackson Pollocks drip paintings. Diese Form kollektiver Kreativität ist in England nicht ungewöhnlich, zumindest unter jenen jungen Künstlern, die noch nicht von allgewaltigen Sammlern wie Saatchi in den Olymp der "brit art" katapultiert wurden. Darauf weist Angelika Nollert hin, die für das Siemens Art Program die Recherchen zur "kollektiven Kreativität" in Kassel koordiniert hat:
Angelika Nollert: "Es gibt eine Untersuchung, die besagt, dass Künstler nach der Akademie sich häufig in Kollektiven zusammentun, denn da weiß man noch nicht, sich selber einzuordnen und sucht über die Diskussion mit anderen nach Wegen oder nach Äußerungsmöglichkeiten."
Der Kuratorengruppe "What, How and for Whom" aus Zagreb geht es mit der Ausstellung in Kassel allerdings um beständigere Formen der Kollektivität, um die Künstlergruppe als programmatische Plattform, als Widerpart zum Kunstmarkt oder Keimzelle einer Gegenöffentlichkeit, auch als dezidiert politische Lebensform. Über derlei Utopien sind im Westen die Zeitläufte hinweggegangen, im ehemaligen Ostblock aber und auch im krisengeschüttelten Lateinamerika schossen in den vergangenen 15 Jahren Künstlerkollektive wie Pilze aus dem Boden.
Zum Beispiel Freud's Dream Museum aus Petersburg. Für dessen Begründer Viktor Mazin ist die Gruppe ein Mittel, den Spezialisierungszwängen des Kapitalismus zu widerstehen, ohne der Illusion eines völlig autonomen Ichs anheim zu fallen. Und seine Landsleute von "What is do be done" lassen in einer Diaschau Propagandaphrasen zum Wohle des proletarischen Kollektivs durch Jugendliche nachspielen, die ganz eindeutig dem heutigen, dem Techno- oder Hip-Hop-Alltag entsprungen sind. Für Angelika Nollert ein Schlüsselerlebnis:
Angelika Nollert: "Das empfinde ich als Phänomen, dass in Ländern, wo das Kollektiv als politische Vorgabe existierte, kollektive Strukturen jetzt uminterpretiert werden als diejenigen Strukturen, die es auch ermöglichen, sich dieser oktroyierten Kollektivität zu entziehen."
Zwei ganz unterschiedliche Strategien haben Künstlerkollektive seit Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelt: Suchten die einen in der Gruppe die Isolation, um im künstlerischen Mikrokosmos abgeschieden von Staat und Gesellschaft ihren Vorstellungen freien Lauf zu lassen, intervenierten die anderen mit manchmal missionarischem Eifer im Alltagsleben, engagierten sich politisch oder zumindest sozial.
So wie "etcetera", eine Gruppe, die in Chile und Argentinien mit Fotofiguren auf das Schicksal der unter der Militärdiktatur verschwundenen Oppositionellen aufmerksam macht. Auch im Museum in Kassel platzieren die Politaktivisten jede Menge Pappkameraden, diesmal Streetfighter und Plakatkleber, eine Frau mit Kamera und einen bärtigen Mann mit Maschinenpistole, Lenin oder auch die Globalisierungskritikerin Naomi Klein. Dem Phänomen der Gesellschaft allerdings kommen sie damit so wenig auf die Schliche wie B+B, die einer von Moden und Marktmechanismen gestörten kulturellen Kommunikation mit einem meeting point begegnen, in dem an großen Wäschespinnen allerlei Informationen, Handzettel und Broschüren angeklammert werden.
Die Kreidediagramme auf Schiefertafeln aber bleiben pseudosoziologisches Dekor, verraten nicht ansatzweise, was denn nun ein Künstlerkollektiv im Innern zusammenhält. Zumal viele Gruppen hinter der Anrufung großer Geister von Malewitsch bis Heidegger Deckung suchen oder – wie die Moskauer Radek Community – im Schlagschatten provozierender Embleme abtauchen: Putin mit Hitlerbärtchen, die Künstler splitternackt auf einer Bühne oder vermummt bei der Erstürmung des Lenin-Mausoleums, schließlich gar beim "Hungerstreik ohne Forderung".
Auf l'art pour l'art folgt also die Aktion um der Aktion willen, aber selbst diese konsequent auf die Spitze getriebene Gruppendynamik fällt nicht weiter auf in einer Flut von Foto- und Filmdokumenten diverser Kollektivaktionen. Keine Analyse nirgends, nur eine endlos aneinander gereihte Bestandsaufnahme.
Angelika Nollert: "Es gibt eine Untersuchung, die besagt, dass Künstler nach der Akademie sich häufig in Kollektiven zusammentun, denn da weiß man noch nicht, sich selber einzuordnen und sucht über die Diskussion mit anderen nach Wegen oder nach Äußerungsmöglichkeiten."
Der Kuratorengruppe "What, How and for Whom" aus Zagreb geht es mit der Ausstellung in Kassel allerdings um beständigere Formen der Kollektivität, um die Künstlergruppe als programmatische Plattform, als Widerpart zum Kunstmarkt oder Keimzelle einer Gegenöffentlichkeit, auch als dezidiert politische Lebensform. Über derlei Utopien sind im Westen die Zeitläufte hinweggegangen, im ehemaligen Ostblock aber und auch im krisengeschüttelten Lateinamerika schossen in den vergangenen 15 Jahren Künstlerkollektive wie Pilze aus dem Boden.
Zum Beispiel Freud's Dream Museum aus Petersburg. Für dessen Begründer Viktor Mazin ist die Gruppe ein Mittel, den Spezialisierungszwängen des Kapitalismus zu widerstehen, ohne der Illusion eines völlig autonomen Ichs anheim zu fallen. Und seine Landsleute von "What is do be done" lassen in einer Diaschau Propagandaphrasen zum Wohle des proletarischen Kollektivs durch Jugendliche nachspielen, die ganz eindeutig dem heutigen, dem Techno- oder Hip-Hop-Alltag entsprungen sind. Für Angelika Nollert ein Schlüsselerlebnis:
Angelika Nollert: "Das empfinde ich als Phänomen, dass in Ländern, wo das Kollektiv als politische Vorgabe existierte, kollektive Strukturen jetzt uminterpretiert werden als diejenigen Strukturen, die es auch ermöglichen, sich dieser oktroyierten Kollektivität zu entziehen."
Zwei ganz unterschiedliche Strategien haben Künstlerkollektive seit Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelt: Suchten die einen in der Gruppe die Isolation, um im künstlerischen Mikrokosmos abgeschieden von Staat und Gesellschaft ihren Vorstellungen freien Lauf zu lassen, intervenierten die anderen mit manchmal missionarischem Eifer im Alltagsleben, engagierten sich politisch oder zumindest sozial.
So wie "etcetera", eine Gruppe, die in Chile und Argentinien mit Fotofiguren auf das Schicksal der unter der Militärdiktatur verschwundenen Oppositionellen aufmerksam macht. Auch im Museum in Kassel platzieren die Politaktivisten jede Menge Pappkameraden, diesmal Streetfighter und Plakatkleber, eine Frau mit Kamera und einen bärtigen Mann mit Maschinenpistole, Lenin oder auch die Globalisierungskritikerin Naomi Klein. Dem Phänomen der Gesellschaft allerdings kommen sie damit so wenig auf die Schliche wie B+B, die einer von Moden und Marktmechanismen gestörten kulturellen Kommunikation mit einem meeting point begegnen, in dem an großen Wäschespinnen allerlei Informationen, Handzettel und Broschüren angeklammert werden.
Die Kreidediagramme auf Schiefertafeln aber bleiben pseudosoziologisches Dekor, verraten nicht ansatzweise, was denn nun ein Künstlerkollektiv im Innern zusammenhält. Zumal viele Gruppen hinter der Anrufung großer Geister von Malewitsch bis Heidegger Deckung suchen oder – wie die Moskauer Radek Community – im Schlagschatten provozierender Embleme abtauchen: Putin mit Hitlerbärtchen, die Künstler splitternackt auf einer Bühne oder vermummt bei der Erstürmung des Lenin-Mausoleums, schließlich gar beim "Hungerstreik ohne Forderung".
Auf l'art pour l'art folgt also die Aktion um der Aktion willen, aber selbst diese konsequent auf die Spitze getriebene Gruppendynamik fällt nicht weiter auf in einer Flut von Foto- und Filmdokumenten diverser Kollektivaktionen. Keine Analyse nirgends, nur eine endlos aneinander gereihte Bestandsaufnahme.