Kunst im Kommerzkino

Von Vanja Budde · 03.11.2008
Bislang waren in den Bond-Filmen Deutsche nur als Bösewichte zum Tragen gekommen. Doch bei "Ein Quantum Trost", dem neuesten Teil der Agenten-Saga, führte mit Marc Forster erstmals jemand mit deutschem Pass Regie. Obwohl Forster auch "Bond" seine leicht düstere Handschrift verleiht, hat seine Version in England schon die Rekorde gebrochen.
Als bei Marc Forster in Hollywood das Telefon klingelte und die 007-Produzenten ihm die Regie des neuen Bond-Films anboten, habe er zuerst gedacht, die hätten sich in der Nummer geirrt, erzählt der 39-Jährige.

Dabei hatte er längst seinen Durchbruch in der Traumfabrik geschafft: 2001 mit "Monsters Ball". Das Hinrichtungs-Drama wurde für zwei Oscars nominiert und Halle Berry bekam als erste schwarze Schauspielerin die Auszeichnung als beste Darstellerin.
Es folgte "Finding Neverland - Wenn Träume fliegen lernen" über den Peter-Pan-Erfinder Barrie. Die tragische Romanze mit Superstar Johnny Depp wurde unter anderem für sieben Oscars nominiert. Damit war Forster endgültig in der Oberliga Hollywoods angekommen. Zu Kopf gestiegen ist ihm der Höhenflug aber nicht.

"Manchmal hab ich schon das Gefühl, dass alles nur ein Traum ist (lacht) und sehr abstrakt und so. Bei 'Finding Neverland' war ich da nominiert für den DGA, Directors Guild Award, da waren wahnsinnig viele Leute, und ich saß da in der Mitte und links von mir saß der Scorsese und rechts von mir saß der Clint Eastwood, so Legenden. Und dann dacht ich, ich spinne!"

Mit 200 Millionen Dollar war der neue Bond fast doppelt so teuer, wie alle Filme zusammen, die Forster zuvor gedreht hatte: Der Psychothriller "Stay", die schräge Komödie "Stranger than Fiction", die in Afghanistan spielende Literaturverfilmung "Drachenläufer". Im Sprung von Genre zu Genre erwies Forster sich als begabter Geschichtenerzähler. Und die mächtigen Studios ließen ihm für seine Kreativität weitgehend freie Hand. Obwohl sein Blick auf die Welt oft düster ist: Alle Forster-Filme haben gemeinsam, dass sie vom Sterben handeln, vom Verlust geliebter Menschen. Und das hat viel mit seinem eigenem Leben zu tun: Einer seiner Brüder beging Selbstmord, kurz darauf starb sein Vater an Krebs.

"Ich hab mich schon als Kind mit dem Tod immer auseinander gesetzt, und ich hab halt irgendwie schon das Gefühl, dass unsere meisten Ängste direkt oder indirekt von der Angst des Todes kommen. Und dann halt auch familiär, weil mein Bruder Suizid begangen hat und schizophren war, das hat das natürlich intensiviert. Es ist jetzt nicht, dass ich absichtlich immer das Thema Tod aussuche, aber das ist so: Im Unterbewusstsein zieht man ja manchmal solche Sachen an, mit denen man dann sich auseinandersetzt."

Marc Forster wird 1969 in Ulm geboren, seine Mutter ist Deutsche, sein Vater Schweizer. Er wächst im Wintersportort Davos im Schweizer Kanton Graubünden auf. Er ist ein guter Skifahrer und liebt das Kino. Schon früh will er Regisseur werden.

1990, gleich nach dem Abitur, fliegt er in die USA, studiert drei Jahre an der renommierten Filmschule der New York University. Er schreibt Drehbücher und bemüht sich um Aufträge, doch bekommt keine. Nicht viele glauben, dass er es schaffen wird. Marc Forster schon.

"So ne Stimme, ne innerliche Stimme hat mich immer vorangetrieben, hab ich mir gesagt, 'das muss doch irgendwie gehen, also was die andern können, das kann ich doch auch' (lacht). So ein bisschen der Gedanke."

Im Jahr 2000 zieht Forster nach Los Angeles, dreht das Psychodrama "Everything Put Together". Sein erster Kinofilm wird für den Jurypreis des Sundance Film Festivals nominiert. Er ergattert einen Agenten, der die Autoren von "Monster's Ball" überzeugt, Forster das Drehbuch zu schicken. Er hat es geschafft. Und einen Preis dafür zu bezahlt.

"Im tagtäglichen Leben merk ich das nicht so, weil ich halt kreativ arbeite, und das hab ich schon immer getan. Und da ist mir das eigentlich nicht so bewusst, was sich eigentlich verändert hat. Das Gute ist, ich habe keine Existenzangst, in dem Sinne, dass ich jetzt weiß, dass ich genug zu essen hab und meine Miete zahlen kann. Aber wenn Du natürlich 'nen Film machst für so viel Geld, dann hast Du auch immer den Druck, dann muss ein gewisser kommerzieller Aspekt vorhanden sein, dass der sich auch verkaufen lässt, sonst wird's schwieriger, neue Filme zu finanzieren."

475 Millionen Dollar hatte "Bond - Casino Royal" weltweit eingespielt. Wenn das mal kein Druck ist.

Filmausschnitt:
Q: "Ich muss wissen, ob ich Ihnen trauen kann!"
Bond: "Und das wissen Sie nicht?"


Aber mit Daniel Craig hat 007 ein neues psychologisches Profil bekommen, sagt Forster. Das hat ihn interessiert. Die innere Reise des Charakters Bond war für den Regisseur reizvoller als die wilden Verfolgungsjagden an exotischen Schauplätzen. Forsters Bond jagt den Mörder seiner Geliebten Vesper, die in "Casino Royal" in den Tod getrieben wurde.

Unter der Regie des Deutsch-Schweizers muss Daniel Craig nicht cool Martini schlürfen und das nächste Bond-Girl vernaschen, sondern leiden, trauern und nach Vergeltung dürsten. Da ist sie wieder, die alte Forster-Frage: Wie belastbar ist ein Mensch, der einen solchen Verlust verkraften muss?

Filmausschnitt:
Q: "Ihre Motivation ist Rache."
Bond: "Meine Motivation ist meine Pflicht."
"Sie sind so blind vor Wut, dass Ihnen völlig egal ist, wen Sie verletzen."


Mit diesem vielleicht düstersten Bond aller Zeiten sind die Produzenten offenkundig zufrieden. Sie haben Marc Forster auch den nächsten 007 angeboten. Doch er, obwohl seit seiner Kindheit ein großer James Bond-Fan, hat abgelehnt. Marc Forster will erstmal ausspannen und dann wieder kleinere Filme drehen. Er hat sich sehr früh entschieden, nur das zu machen, wofür er Leidenschaft empfindet. In der Traumfabrik erfolgreich sein und trotzdem künstlerisches Kino machen: Für Marc Forster ist das kein Widerspruch. Vielleicht wirkt er darum bei all seinen düsteren Visionen auf der Leinwand im wirklichen Leben so zufrieden.

"Wenn man Kunst kreiert, will man natürlich auch, dass Leute das anschauen oder kaufen. Ob das jetzt Malerei ist oder Film oder was auch immer. Man braucht halt eine gewisse Audience, um das zu betrachten. Man braucht den Betrachter, weil, nur durch den Betrachter wird die Kunst belebt. Also, es ist schon sehr wichtig für mich auch, umso mehr Leute den Film sehen, umso besser. Deshalb ist da immer sicherlich ein direkter Zusammenhang zwischen Kunst und Kommerz."