Kunst im Gängeviertel
200 Künstler machten im August 2009 das vom Abriss bedrohte Gängeviertel, mitten im Zentrum Hamburgs zu ihrem neuen Atelier, zur Galerie. Die Politik war überrumpelt und niemand fand sich, der die sympathische Aktion polizeilich stoppen wollte. Jetzt sind die Verträge zwischen den einstigen Besetzern und der Stadt wirksam.
Den breiten Dielen im Treppenhaus sieht man ihr Alter an. Seit über 100 Jahren steht die dreistöckige Tischlerei am Ende eines Hinterhofs im Hamburger Gängeviertel. Roter Klinker, große, rechteckige, gusseiserne Fenster. Darko Caramello, Maler und von Anfang an am Projekt beteiligt, geht vorneweg:
"Hier drin befindet sich im Augenblick eine kleine Polsterwerkstatt, eine Bildhauerwerkstatt für Stein, ein Stencil-Atelier für diese Street-Art-Geschichten und eine Bildhauerei für Holz noch mal."
Oben im ersten Stock arbeitet Caramellos Kollege Felix. Ein scharfes Schneidemesser in der Hand, mit Mundschutz. Es riecht nach Lösungsmittel, frischer Farbe.
"Hier sind wir bei Felix im Atelier, in der Tischlerei. Der macht hier so Stencil-Art. Schneidet gerade seine Schablonen, arbeitet viel mit Lack und steht deswegen auch mit Maske hier – und ich gehe jetzt raus, ich kriege Kopfschmerzen."
Und eine Etage darüber kniet ein junger Mann auf den breiten Dielen, setzt dort neue Teile ein, wo die Zeit zu tiefe Spuren im Holz hinterlassen hat. Den Großteil der Renovierungsarbeit an den zwölf Häusern des historischen Viertels leisten nach wie vor die Künstler selbst: sie flicken das Dach, mauern Löcher in den Wänden zu, sorgen für eine funktionierende Elektrik. Die Kunst und das Geldverdienen müssen dann warten, erzählt Caramello beim Hinuntergehen:
"Das Interessante an dem Projekt ist hier das zusammen Arbeiten! Alle ruinieren sich irgendwie. Man steckt andauernd zwischen allen Stühlen und weiß nicht, wie das alles klappen soll, aber trotzdem sind alle da, alle packen mit an. Und vom Künstler, der hier selber was von hat, bis zu einem, der einfach vorbeikommt und handwerklich mit anpackt, ist hier alles uneigennützig. Das ist schön. Macht Spaß!""
Darko Caramello verabschiedet sich, winkt rüber zu Christine Ebeling. Sie sitzt auf einer Holzbank im Innenhof, raucht, genießt den Sonnenschein. Sie verdient eigentlich ihr Geld mit Installationen und Performances. Aber in den letzten zwei Jahren hatte sie, als eine der Sprecherinnen des Viertels, kaum Zeit zum Geldverdienen. Geplant war das nicht, denn eigentlich hatten die Künstler im Sommer 2009 nur eine kurze symbolische Besetzung im Sinn: eine letzte künstlerische Verbeugung vor den uralten, historischen Gebäuden vor ihrem geplanten Abriss und ein Protest gegen unbezahlbare Atelierplätze und steigende Mieten in Hamburg.
"Für uns war es ja im Prinzip eine komplette Überraschung, das es überhaupt so lange weitergeht. Und von zwei Tagen ausgehend, sind es jetzt über zweieinhalb Jahre. Richtiger Aufbau eines Großbetriebes. Und mit der Zeit, die man dann da zu investieren hat."
Die Räumung fiel aus, die Kultursenatorin war begeistert, die Besetzer durften bleiben. Und am Ende kaufte die Stadt die Häuser vom holländischen Investor zurück. Seit heute sind die Verträge zwischen der Hansestadt, den einstigen Gängeviertel-Besetzern und der städtischen Wohnungsbaugesellschaft STEG wirksam.
Viele Forderungen konnten Christine Ebeling und ihre Verbündeten durchsetzen, aber nicht alle:
"Unsere Vorstellung war, eine eigene Planungsgruppe, eine eigene Projektplanung hier zu installieren, mit eigenen Architekten und Planern. Das ist uns nicht gelungen. Und die Kröte STEG, die haben wir geschluckt sozusagen. Ich denke aber auch, das funktioniert hervorragend unsere Zusammenarbeit - bislang, ich hoffe, das geht auch weiter – das war schon eine Kröte, da mussten wir einen Kompromiss eingehen."
Und noch immer sind nicht alle Details geklärt, noch immer stecken die Künstlerinnen und Künstler viel Eigenarbeit in das Projekt Gängeviertel, ohne zu wissen, welchen Status sie am Ende haben werden:
"Sind wir Pächter, sind wir Mieter? Sind wir, was weiß ich was? Da müssen wir noch dran arbeiten und das ist auch das Nächste, was wir aushandeln müssen. – Wir gehen davon aus, dass wir hoffentlich zu einem Erbpachtvertrag kommen und dann die Erbpacht so niedrig ausfällt, dass wir auf der einen Seite vielleicht eine Art Gegenleistung für unser ehrenamtliches Engagement über Jahre, Jahre, Jahre, die ja auch weitergehen werden, bekommen. Und damit die Mieten auch so halten können, wie wir sie veranschlagt haben anfangs."
Und sie hofft, dass ein Teil der für die nächsten zehn Jahre zugesagten 20 Millionen Euro an Sanierungsgeldern schon bald fließen. Die Häuser des Gängeviertels haben es dringend nötig und der SPD-geführte Hamburger Senat hat gerade erst durchblicken lassen, dass die Sanierung erst Anfang 2013 starten kann. Bis dahin behelfen sich die Künstler mit viel Eigenarbeit und stellen die Kunst solange ein Stück zurück.
Anm. d. Red.: Nach Redaktionsschluss wurde bekannt, dass es wider Erwarten zu Verzögerungen kommt: Die Verträge werden nun voraussichtlich erst im Laufe des Monats wirksam.
"Hier drin befindet sich im Augenblick eine kleine Polsterwerkstatt, eine Bildhauerwerkstatt für Stein, ein Stencil-Atelier für diese Street-Art-Geschichten und eine Bildhauerei für Holz noch mal."
Oben im ersten Stock arbeitet Caramellos Kollege Felix. Ein scharfes Schneidemesser in der Hand, mit Mundschutz. Es riecht nach Lösungsmittel, frischer Farbe.
"Hier sind wir bei Felix im Atelier, in der Tischlerei. Der macht hier so Stencil-Art. Schneidet gerade seine Schablonen, arbeitet viel mit Lack und steht deswegen auch mit Maske hier – und ich gehe jetzt raus, ich kriege Kopfschmerzen."
Und eine Etage darüber kniet ein junger Mann auf den breiten Dielen, setzt dort neue Teile ein, wo die Zeit zu tiefe Spuren im Holz hinterlassen hat. Den Großteil der Renovierungsarbeit an den zwölf Häusern des historischen Viertels leisten nach wie vor die Künstler selbst: sie flicken das Dach, mauern Löcher in den Wänden zu, sorgen für eine funktionierende Elektrik. Die Kunst und das Geldverdienen müssen dann warten, erzählt Caramello beim Hinuntergehen:
"Das Interessante an dem Projekt ist hier das zusammen Arbeiten! Alle ruinieren sich irgendwie. Man steckt andauernd zwischen allen Stühlen und weiß nicht, wie das alles klappen soll, aber trotzdem sind alle da, alle packen mit an. Und vom Künstler, der hier selber was von hat, bis zu einem, der einfach vorbeikommt und handwerklich mit anpackt, ist hier alles uneigennützig. Das ist schön. Macht Spaß!""
Darko Caramello verabschiedet sich, winkt rüber zu Christine Ebeling. Sie sitzt auf einer Holzbank im Innenhof, raucht, genießt den Sonnenschein. Sie verdient eigentlich ihr Geld mit Installationen und Performances. Aber in den letzten zwei Jahren hatte sie, als eine der Sprecherinnen des Viertels, kaum Zeit zum Geldverdienen. Geplant war das nicht, denn eigentlich hatten die Künstler im Sommer 2009 nur eine kurze symbolische Besetzung im Sinn: eine letzte künstlerische Verbeugung vor den uralten, historischen Gebäuden vor ihrem geplanten Abriss und ein Protest gegen unbezahlbare Atelierplätze und steigende Mieten in Hamburg.
"Für uns war es ja im Prinzip eine komplette Überraschung, das es überhaupt so lange weitergeht. Und von zwei Tagen ausgehend, sind es jetzt über zweieinhalb Jahre. Richtiger Aufbau eines Großbetriebes. Und mit der Zeit, die man dann da zu investieren hat."
Die Räumung fiel aus, die Kultursenatorin war begeistert, die Besetzer durften bleiben. Und am Ende kaufte die Stadt die Häuser vom holländischen Investor zurück. Seit heute sind die Verträge zwischen der Hansestadt, den einstigen Gängeviertel-Besetzern und der städtischen Wohnungsbaugesellschaft STEG wirksam.
Viele Forderungen konnten Christine Ebeling und ihre Verbündeten durchsetzen, aber nicht alle:
"Unsere Vorstellung war, eine eigene Planungsgruppe, eine eigene Projektplanung hier zu installieren, mit eigenen Architekten und Planern. Das ist uns nicht gelungen. Und die Kröte STEG, die haben wir geschluckt sozusagen. Ich denke aber auch, das funktioniert hervorragend unsere Zusammenarbeit - bislang, ich hoffe, das geht auch weiter – das war schon eine Kröte, da mussten wir einen Kompromiss eingehen."
Und noch immer sind nicht alle Details geklärt, noch immer stecken die Künstlerinnen und Künstler viel Eigenarbeit in das Projekt Gängeviertel, ohne zu wissen, welchen Status sie am Ende haben werden:
"Sind wir Pächter, sind wir Mieter? Sind wir, was weiß ich was? Da müssen wir noch dran arbeiten und das ist auch das Nächste, was wir aushandeln müssen. – Wir gehen davon aus, dass wir hoffentlich zu einem Erbpachtvertrag kommen und dann die Erbpacht so niedrig ausfällt, dass wir auf der einen Seite vielleicht eine Art Gegenleistung für unser ehrenamtliches Engagement über Jahre, Jahre, Jahre, die ja auch weitergehen werden, bekommen. Und damit die Mieten auch so halten können, wie wir sie veranschlagt haben anfangs."
Und sie hofft, dass ein Teil der für die nächsten zehn Jahre zugesagten 20 Millionen Euro an Sanierungsgeldern schon bald fließen. Die Häuser des Gängeviertels haben es dringend nötig und der SPD-geführte Hamburger Senat hat gerade erst durchblicken lassen, dass die Sanierung erst Anfang 2013 starten kann. Bis dahin behelfen sich die Künstler mit viel Eigenarbeit und stellen die Kunst solange ein Stück zurück.
Anm. d. Red.: Nach Redaktionsschluss wurde bekannt, dass es wider Erwarten zu Verzögerungen kommt: Die Verträge werden nun voraussichtlich erst im Laufe des Monats wirksam.