Kunst für Kasachstan

Von Peter Neuhaus |
Kasachstan liegt fernab der Kunstachse New York-London-Berlin. Internationale kulturelle Veranstaltungen sind deshalb eher selten. Eine junge Kunststudentin will das ändern: Die 24-jährige Christina Steinbrecher organisiert in der kasachischen Millionenstadt Almaty die erste internationale Ausstellung zeitgenössischer Videokunst Kasachstans.
Der bekannteste Kasache ist (Filmausschnitt: O-Ton Borat:) "Borat!" – doch der ist nur eine Filmfigur. (Filmausschnitt: O-Ton Borat) "I like you. Do you like me?" Wirklich in Kasachstan geboren ist die Kunststudentin Christina Steinbrecher. Borat, das ist in ihren Augen einerseits kostenlose Werbung für Kasachstan. Aber:

"Da muss ich sehr vorsichtig sein, denn die Freunde aus Kasachstan haben sich alle ganz unheimlich aufgeregt, weil es natürlich überhaupt keinen Bezug zu Kasachstan hat."

Christina Steinbrecher hat eine Mission: Sie will zeigen, dass ihr Heimatland mehr zu bieten hat als das irreale, hinterwäldlerische Kasachstan im Kino-Film "Borat".

Mit acht Jahren kam sie mit ihren Eltern und ihren beiden Geschwistern aus Kasachstan nach Deutschland. Jetzt geht der Weg wieder zurück: Nach Almaty, in die kasachische Millionenstadt, in das kulturelle Zentrum des Landes. Wo sie jetzt ihre Ausstellung zeitgenössischer Videokunst präsentiert. Ihre großen braunen Augen leuchten, wenn sie von dem Land erzählt.

"Vielleicht hängt das auch viel mit der Tatsache zusammen, dass ich da so viel Potenzial in Kasachstan sehe. Die haben so viele Veränderungen durchgemacht. Die Möglichkeiten, die die kasachischen Künstler auch haben, was Neues zu zeigen und aus ihrer Kultur weiter zu geben."

Ihre Diplomarbeit, die sie am Sotheby’s Institute of Art in London schreibt, hat erst einmal Pause. Das Abenteuer hat Vorrang. Christina Steinbrecher strahlt viel Selbstbewusstsein aus, wenn sie über ihre Arbeit spricht. Die 24-Jährige hat auch schon eine eigene Firma gegründet: Zusammen mit ihrem New Yorker Geschäftspartner betreibt sie in London das Zwei-Mann-Unternehmen "Action Arts Managements". Die Ausstellung in Kasachstan ist das erste Projekt.

"Wir wollten das relativ klein machen. Das Budget ist halt nicht groß. Wir haben Sponsoren gesucht, die dann auch gefunden. Allerdings ist das dann jetzt größer geworden, weil wir so viel Zuspruch bekommen haben."

Die Sponsoren bekamen ein Konzept der Ausstellung – und viele sagten zu. Eine Fluggesellschaft übernimmt zum Beispiel die anfallenden Reisekosten. Angst vor der Verantwortung hat Christina Steinbrecher nicht. Im Gegenteil, das große Projekt in der Ferne scheint genau das Richtige für sie zu sein.

Die Arbeit setzt bei ihr zusätzliche Energien frei. Das Handy am Ohr, verdeckt durch ihre langen blonden Haare, klärt sie wichtige Details für ihre Ausstellung.

"Als wir nach Deutschland kamen, sind immer alle Leute in den Sommerferien weggefahren mit ihren Eltern. Und das konnten wir uns dann leider nicht erlauben. Seitdem ich dann irgendwie arbeiten konnte, bin ich immer weggefahren. Ich muss mich auf etwas freuen können. Und auf etwas freuen können heißt: Ich habe ein Projekt, wo ich hinfliegen will. Und dann fühle ich mich wohl."

Nach einem BWL-Studium beschloss Christina Steinbrecher ihren Master in zeitgenössischer Kunst zu machen und sich auch in Zukunft ganz auf die Kunst zu konzentrieren. Ihre Leidenschaft für Videokunst entdeckte sie als Schülerin in ihrer deutschen Heimatstadt Köln, bei einer Filmpremiere im Jahr 2001 in der Philharmonie. Hier stellte der einflussreiche amerikanische Medienkünstler Matthew Barney seinen neuen Film vor.

"Das Ticket hatte 50 Euro gekostet, eigentlich viel zu viel für einen Schüler. Und mich hat’s da voll hingezogen, aus irgendeinem Grund."

Dieses entscheidende Erlebnis verbindet Christina Steinbrecher mit Köln. Hier machte sie auch ihr Abitur – sie genießt den kurzen Spaziergang über die Domplatte, vorbei an Philharmonie und Museum Ludwig. Sie zieht die Blicke der Passanten auf sich, mit ihren auffälligen grünen Stiefeln, deren Farbe sich auch in ihrer Unhängetasche wieder findet.

Sie kann ihre Gesprächspartner begeistern. Folglich hatte sie auch keine Probleme, genug Künstler für ihr Abenteuer in Kasachstan zu finden. Im Gegenteil: Sie konnte sogar aus einer großen Zahl von Bewerbern wählen.

Bei der Ausstellung in Almaty sind 15 Künstler mit dabei, unter ihnen der Träger des Turner Prize, Jeremy Deller. Von der in Panama lebenden Amerikanerin Donna Conlon stammt das Stück "Coexistence".

Die Hauptrolle spielt dabei ein Ameisenvolk. Die Künstlerin malte Länderfahnen auf kleine Papierschnipsel und platzierte sie neben einem Ameisenhaufen. Wie Tannennadeln landeten auch die Miniaturfahnen auf den Rücken der fleißigen Insekten.

"Die Reihenfolge war komplett zufällig, aber es hat einfach solche Kontraste gezeigt. Und fast zuletzt kam dann die kasachische mit einer Ameise über den Bildschirm gelaufen. Wir wollen es auch den Leuten nicht zu schwierig machen. Wir wollen auch, dass die das irgendwie interessant finden und das in einen eigenen Kontext setzen."

Christina Steinbrechers gerade Haltung wird noch ein wenig aufrechter, wenn sie von ihrer Ausstellung erzählt.

Für sie bedeutet Kunst auch immer Grenzen zu überschreiten. Wie zum Beispiel mit der Arbeit des russischen Videokünstlers Philip Donstov, die ebenfalls in Kasachstan zu sehen sein wird.

"Das nennt sich 'Mother and Child', Mutter und Kind. Das sind Computer generierte Menschen im Endeffekt, die da zu sehen sind. Da sieht man, dass das vielleicht diese Geste zwischen Mutter und Kind ist, dass sie den Bauch küsst von dem Kind. Aber je länger es zu sehen ist, könnte man auch was anderes vermuten. Dass das dann so eine kinderpornografische Wendung nimmt, ohne dass man was sieht. Und da bin ich auch unheimlich gespannt, was das für Reaktionen auslösen wird."

Christina Steinbrecher hat ihr nächstes Projekt schon im Visier. Sie möchte eine Ausstellung mit kasachischer Kunst in Deutschland auf die Beine stellen. So könnte sie Kunst aus ihrem Heimatland an einen anderen Ort bringen, der für sie ebenfalls Heimat bedeutet.