Kunst, die dem König gefiel

Von Volkhard App · 28.08.2007
Als 1832 der Kunstverein Hannover gegründet wurde, hatte er nichts revolutionäres im Sinn. Das Königshaus besuchte gern die Ausstellungen. Heute schmückt sich der Kunstverein mit Ausstellungen mit internationalem Touch. Doch auch die regionale Kunstförderung gehört weiter zum Vereinsziel.
Wer ein solches Jubiläum feiert, will aus seiner Geschichte Schubkraft für die Zukunft beziehen. Damit aber hat der Kunstverein Hannover durchaus ein Problem, war seine Geschichte in großen Teilen doch sehr konservativ geprägt.

Brav und bescheiden hatte es schon begonnen: 1832 im Königreich Hannover gegründet, war diese Institution zwar Moment bürgerlicher Selbstbehauptung, aber sie darf auch nicht überschätzt werden. Die Historikerin Ines Katenhusen, die für die jetzt erscheinende Jubiläumschronik die Einzelheiten aufgearbeitet hat:
"Ein Ausdruck bürgerlichen Selbstbewusstseins ohne Zweifel, ein Versuch, im Bereich der Kunst, einer bürgerlichen Domäne, mehr Präsenz zu zeigen als bisher - aber es war sicherlich kein Aufbegehren gegen politische Zustände."
Sie wendet sich deshalb gegen die populäre Formel vom Kunstverein als der "ersten Bürgerinitiative Hannovers". Das klänge denn doch zu aufmüpfig, zu modern.

Idyllische Landschaften, mythische Szenen, vaterländische Motive und schöne Porträts bedeckten in extrem dichter Hängung die Wände und boten dem Publikum Behaglichkeit und angenehme Zerstreuung. Auch das Königshaus kaufte auf den Ausstellungen und hatte über den Kunstverein lange Zeit eine Art Patronat inne. Die Stadtväter bestimmten im späten 19. Jahrhundert den Kurs.

Wirtschaftliche Prosperität ging mit künstlerischer Stagnation einher, weshalb Bürger 1916, also noch während des I. Weltkriegs, in Hannover mit der Kestnergesellschaft einen zweiten Kunstverein ins Leben riefen: die Moderne sollte endlich eine Chance erhalten.

Die Nazis setzten den Ausstellungen der weithin renommierten Kestnergesellschaft ein Ende, der Betrieb des Kunstvereins aber durfte weiterlaufen.

Katenhusen: "Der Kunstverein hatte aber kein Interesse, die Ausstellung 'Entartete Kunst‘ von 1937, die durch Deutschland wanderte, auch nach Hannover zu holen. Ein Widerstand gegen nationalsozialistische Kunstpolitik war beim Kunstverein zwar nicht erkennbar, er ist ein Instrument der Macht gewesen, hat sich aber bemüht, seine konservative Grundlinie gegen alle Auflagen der NS-Politik beizubehalten."
Nach Kriegsende betrieb der Kunstverein eine Ausstellungspolitik des "schlechten Gewissens", versuchte, die Moderne nachzuholen. Aber die Professionalisierung ließ lange auf sich warten. Wenn diese Einrichtung heute beweglich, innovativ, modernen Tendenzen gegenüber aufgeschlossen erscheint, so wurde dieses Bild vor allem in den letzten dreieinhalb Jahrzehnten geprägt. Die jüngere Geschichte war aber auch von Finanzkrisen überschattet und über das Selbstverständnis diskutierte man ohnehin immer wieder.

Stephan Berg ist seit 2001 künstlerischer Leiter, ihm und seinem Vorgänger Eckhard Schneider ist es gelungen, die Vorzüge einer solchen Vereins herauszustellen: rasch auf Trends zu reagieren, aufstrebende Maler und Bildhauer zu präsentieren, die auch vor Ort arbeiten dürfen. Ein ständiger Spagat aber zwischen großem Ehrgeiz und knappen Finanzen.

Stephan Berg: "Es ist ein mühsames Unterfangen, ich habe es aber gern gemacht. Ich verlange eigentlich nur, dass es - wie in Hannover - einen finanziellen Sockel gibt, der es überhaupt ermöglicht, lustvoll weitere Gelder einzuwerben. Und was gibt es Schöneres, als wenn bei einem Gespräch mit einem Sponsor 40.000 Euro für ein bestimmtes Ausstellungsprojekt zugesagt werden. Ich habe mich selten so gut gefühlt wie in diesen Situationen."

1200 Mitglieder verzeichnet der hannoversche Kunstverein und verfügt über einen Jahresetat von 900.000 Euro - nur wegen des Projekts "Made in Germany", einer Bestandsaufnahme der hierzulande produzierten Kunst, ist er 2007 etwas höher ausgefallen.

Die Förderung von Künstlern aus der Region gehört zu den Aufgaben des hannoverschen Kunstvereins. Beispielhaft ist die Vergabe der "Villa Minimo"-Stipendien: den prämierten Zeichnern, Malern und Bildhauern wird ein Atelier gestellt und eine Ausstellung mit dazugehörigem Katalog ermöglicht.

Auch die Karriere des originellen Aktionskünstlers Timm Ulrichs ist mit den Ausstellungen dieser Einrichtung verknüpft - wenn er heute das Profil deutscher Kunstvereine bewertet, so ist ihm die betont internationale Ausrichtung von Ausstellungen allerdings nicht so geheuer:
"Dass deutsche Kunstvereine zunehmend internationale Programme wie auch die Museen praktizieren, hebt diese Vereine natürlich aus ihrer regionalen Einbettung heraus. Die aber ist wichtig, sonst könnte das Ausstellungsprogramm ja auch von einer Holding in Liechtenstein mit einer Postfachadresse konzipiert werden."

Stephan Berg, der 2008 als Direktor ans Bonner Kunstmuseum wechselt, hat im hannoverschen Kunstverein regionale und internationale Akzente gesetzt und eine große Bandbreite innovativer Stile vorgestellt - von Luc Tuymans bis zum phantastischen Fotografen Gregory Crewdson, der in Hannover seine erste deutsche Retrospektive erlebte. In Erinnerung sind auch markante Themenausstellungen: zum Beispiel zu den architektonischen Vorlieben vieler Gegenwartskünstler oder zu ihren theatralischen Präsentationsformen. Hat es in der Amtszeit Bergs auch Enttäuschungen gegeben?

"Überraschend wenige. Das Klima für meine Ausstellungen war in dieser Stadt sehr positiv. Und diese Räume zwingen einen ja auch dazu, ambitioniert zu denken und genau zu planen, denn sie verzeihen keine Fehler und keine schwachen Arbeiten."
Wenn in dieser Woche der 175. Geburtstag gefeiert wird, so ist damit eine kritische Bilanz verbunden. Dabei hat schon im Vorfeld der Festivitäten die Zahl 175.000 , die in Anzeigen und auf Anstecknadeln aufgetaucht ist, das Publikum erstaunt. Eine kleine Spielerei, die wohl auch weniger auf das gefühlte Alter dieser Einrichtung verweist, sondern eher schon eine Hoffnung auf Dauer ausdrückt, auf eine unbegrenzte Zukunft.