Kunst des Schreckens
Der spanische Maler Francisco de Goya hat Bilder über die Schrecken des Krieges gemalt, die ihre Aktualität bis heute nicht verloren haben. Das führt eine Ausstellung im Madrider Museo del Prado vor Augen, die seine Gemälde aus der Zeit der napoleonischen Besatzung Spaniens mit internationalen Leihgaben ergänzt.
Die beiden großformatigen Ölgemälde von Francisco de Goya, die heutzutage im Zentrum dieser Ausstellung frisch restauriert regelrecht zu leuchten scheinen, "Der 2. Mai 1808 in Madrid – der Kampf gegen die Mamelucken" und "Der 3. Mai 1808 in Madrid – die Erschießungen am Berg Príncipe Pío", haben ihrem Schöpfer seinerzeit keinen großen Ruhm, und im Übrigen auch nur eine miserable Bezahlung eingebracht. Was der große Meister zum Gedenken an den Aufstand des Volkes gegen die napoleonischen Besatzer und an die blutige Niederschlagung dieses Aufstands gemalt hatte, war so sehr durchdrungen von der Brutalität des Krieges, von den ins Bild gesetzten Schmerzen, dass alle Erwartungen offenbar enttäuscht wurden.
Statt pompös-theatralischer Siegesgemälde hatte Goya die Schrecken des Krieges dargestellt. Lieblos wurden die Bilder im Magazin abgestellt und tauchten erst Jahrzehnte später wieder auf. Die Ausstellung reicht deutlich über den Zeitraum dieses Krieges hinaus. Sie setzt ein im Jahr 1794. Da war der Maler nach schwerer Krankheit im Alter von 48 Jahren nur knapp dem Tod entronnen. Ein Wendepunkt in seinem Leben, wie Manuela Mena, die Kuratorin, hervorhebt:
"Wir sehen einen Künstler, der mit seiner enormen Intelligenz und seiner Sensibilität das tut, was wohl jeder Mensch mit diesen Eigenschaften nach einer so schweren Erkrankung tun würde: Er versucht, sich neu zu erschaffen. Er konzentriert sich auf das Wesentliche, lässt die oberflächlichen Dinge beiseite. Er sucht Unabhängigkeit, Freiheit und Liebe. Er wird es nicht schaffen, wie wohl kaum ein Mensch seine Ziele wirklich erreicht. Aber in diesem Moment beginnt er seine kleinformatigen Bilder zu malen, es entstehen die Alben mit den Zeichnungen, die später zu den 'Caprichos' führen werden, einem der Höhepunkte in seinem gesamten Werk. Später verliert er diese Unabhängigkeit wieder und muss weiter für Mäzene, für den Hof, für den Adel arbeiten."
Wer war er nun wirklich, dieser Goya? Der Ehrgeizling mit unverkennbarem Talent, der sich nicht scheute, mit Preisdumping seinen Weg ganz nach oben zu erzwingen? Und der vom höfischen Glanz – und Geld – nicht wirklich lassen konnte? Oder doch der liberale Freigeist, der seinen König 1814 bei dessen Rückkehr auf den Thron mit derart unverschämten Gemälden düpierte, auf denen der Pöbel und einfache Soldaten in blutigen Szenen zu sehen sind? Der später ins französische Exil ging, wo er auch sterben sollte, weil er die restaurative und reaktionäre Politik Ferdinands VII. nicht ertragen konnte? In seiner Lebenswelt war er in gewisser Weise beides, in seiner Kunst vor allem das Letztere: ein visionärer und unabhängiger Maler, dessen Reflexionen sein Schaffen immer radikaler machten.
"Hier beginnt der komplexe Goya. Ein Goya, der mit Sicherheit weiter gläubig war und der für die Kirche arbeitete. Der sich dabei aufrichtig den Heiligen und den göttlichen Wesen näherte, dabei natürlich die Tendenzen der Aufklärung aufnahm und diese Heiligen etwas irdischer machte, sie den Menschen näherbrachte. Aber eben auch jener Goya, der sich viel stärker in seiner Umgebung umsah und dabei auf den Krieg, den Tod, die Verzweiflung, den Hunger, das Elend stieß. Und der Goya, der dennoch die Solidarität, die Zärtlichkeit, die Güte und die Schönheit sehen konnte."
Man hätte meinen können, in diesem Museum, das weltweit die größte Goya-Sammlung besitzt, sei eine solche Ausstellung lediglich eine Frage des Neuhängens der Bilder. Dem ist keineswegs so. Das Projekt, in chronologischer Folge sowohl die Gemälde als auch die Zeichnungen und Grafiken gemeinsam zu präsentieren, brachte eine Vielzahl von Leihgaben ins Haus. Sie stammen zum Teil aus sehr schwer zugänglichen Privatsammlungen oder aus den Sammlungen renommierter internationaler Museen. Ein unscheinbares Heft liegt in einer Vitrine im selben Raum wie die zwei großformatigen Zentralgemälde dieser Ausstellung. Für José Manuel Matilla, den Chef der Abteilung für Drucke und Zeichnungen des Prado, ist dieses Album eine ganz besondere Freude.
"Es ist das einzige Exemplar jenes Albums, das Goya zu seinen Lebzeiten selbst zusammengestellt hat und das wir kennen als "Desastres de la guerra", die Schrecken des Krieges. Damals hieß dieses Album "Fatale Folgen des blutigen Krieges in Spanien gegen Bonaparte". Dieses Exemplar, das heute dem British Museum in London gehört, wird erstmals in Spanien gezeigt, seit es das Land unter nicht geklärten Umständen verlassen hat. Es ist von außerordentlicher Bedeutung, denn es zeigt uns, was Goya tatsächlich empfunden und wie er tatsächlich den Krieg erlebt hat."
Statt pompös-theatralischer Siegesgemälde hatte Goya die Schrecken des Krieges dargestellt. Lieblos wurden die Bilder im Magazin abgestellt und tauchten erst Jahrzehnte später wieder auf. Die Ausstellung reicht deutlich über den Zeitraum dieses Krieges hinaus. Sie setzt ein im Jahr 1794. Da war der Maler nach schwerer Krankheit im Alter von 48 Jahren nur knapp dem Tod entronnen. Ein Wendepunkt in seinem Leben, wie Manuela Mena, die Kuratorin, hervorhebt:
"Wir sehen einen Künstler, der mit seiner enormen Intelligenz und seiner Sensibilität das tut, was wohl jeder Mensch mit diesen Eigenschaften nach einer so schweren Erkrankung tun würde: Er versucht, sich neu zu erschaffen. Er konzentriert sich auf das Wesentliche, lässt die oberflächlichen Dinge beiseite. Er sucht Unabhängigkeit, Freiheit und Liebe. Er wird es nicht schaffen, wie wohl kaum ein Mensch seine Ziele wirklich erreicht. Aber in diesem Moment beginnt er seine kleinformatigen Bilder zu malen, es entstehen die Alben mit den Zeichnungen, die später zu den 'Caprichos' führen werden, einem der Höhepunkte in seinem gesamten Werk. Später verliert er diese Unabhängigkeit wieder und muss weiter für Mäzene, für den Hof, für den Adel arbeiten."
Wer war er nun wirklich, dieser Goya? Der Ehrgeizling mit unverkennbarem Talent, der sich nicht scheute, mit Preisdumping seinen Weg ganz nach oben zu erzwingen? Und der vom höfischen Glanz – und Geld – nicht wirklich lassen konnte? Oder doch der liberale Freigeist, der seinen König 1814 bei dessen Rückkehr auf den Thron mit derart unverschämten Gemälden düpierte, auf denen der Pöbel und einfache Soldaten in blutigen Szenen zu sehen sind? Der später ins französische Exil ging, wo er auch sterben sollte, weil er die restaurative und reaktionäre Politik Ferdinands VII. nicht ertragen konnte? In seiner Lebenswelt war er in gewisser Weise beides, in seiner Kunst vor allem das Letztere: ein visionärer und unabhängiger Maler, dessen Reflexionen sein Schaffen immer radikaler machten.
"Hier beginnt der komplexe Goya. Ein Goya, der mit Sicherheit weiter gläubig war und der für die Kirche arbeitete. Der sich dabei aufrichtig den Heiligen und den göttlichen Wesen näherte, dabei natürlich die Tendenzen der Aufklärung aufnahm und diese Heiligen etwas irdischer machte, sie den Menschen näherbrachte. Aber eben auch jener Goya, der sich viel stärker in seiner Umgebung umsah und dabei auf den Krieg, den Tod, die Verzweiflung, den Hunger, das Elend stieß. Und der Goya, der dennoch die Solidarität, die Zärtlichkeit, die Güte und die Schönheit sehen konnte."
Man hätte meinen können, in diesem Museum, das weltweit die größte Goya-Sammlung besitzt, sei eine solche Ausstellung lediglich eine Frage des Neuhängens der Bilder. Dem ist keineswegs so. Das Projekt, in chronologischer Folge sowohl die Gemälde als auch die Zeichnungen und Grafiken gemeinsam zu präsentieren, brachte eine Vielzahl von Leihgaben ins Haus. Sie stammen zum Teil aus sehr schwer zugänglichen Privatsammlungen oder aus den Sammlungen renommierter internationaler Museen. Ein unscheinbares Heft liegt in einer Vitrine im selben Raum wie die zwei großformatigen Zentralgemälde dieser Ausstellung. Für José Manuel Matilla, den Chef der Abteilung für Drucke und Zeichnungen des Prado, ist dieses Album eine ganz besondere Freude.
"Es ist das einzige Exemplar jenes Albums, das Goya zu seinen Lebzeiten selbst zusammengestellt hat und das wir kennen als "Desastres de la guerra", die Schrecken des Krieges. Damals hieß dieses Album "Fatale Folgen des blutigen Krieges in Spanien gegen Bonaparte". Dieses Exemplar, das heute dem British Museum in London gehört, wird erstmals in Spanien gezeigt, seit es das Land unter nicht geklärten Umständen verlassen hat. Es ist von außerordentlicher Bedeutung, denn es zeigt uns, was Goya tatsächlich empfunden und wie er tatsächlich den Krieg erlebt hat."