Kunst der Versöhnung
Er ist in einem palästinensischen Flüchtlingslager aufgewachsen und hat dort von klein auf gelernt, Juden zu hassen. Doch als Ali Messalam mit 14 Jahren zusammen mit seiner Familie aus dem Libanon flüchtet und in Berlin Kreuzberg landet, muss er ausgerechnet unter einem Juden wohnen.
"Wo hast Du uns gebracht? Zu Juden?!"
Der Jude ist Alexander Zamskoy, 84 Jahre alt, ein russisch- jüdischer Kriegsveteran, der sich weigert, in ein Altersheim zu gehen. Er möchte die letzten Tage würdig in seiner Wohnung verbringen
"Diese Wohnung ist das letzte, was ich noch habe!"
In "Kaddisch für einen Freund" lässt Leo Khasin zwei Welten in Berlin aufeinander prallen - die russisch-jüdische und die arabische. In beiden kennt sich der Regisseur bestens aus:
"Das Russisch-Jüdische ist mir nah, das ist mein Leben, meine Kultur, ich erzähle von Menschen, die ich kenne, die ich in einen Prototyp dieses Alexander Zamskoys gepackt habe. Und die arabische Jugendlichen - ich habe einfach durch meine Arbeit oder die Zeit, wo ich in Berlin aufgewachsen bin, einen Zugang, ein Gefühl für sie. Und ich glaube, dass ich sie kenne."
Leo Khasin wollte schon immer ins Filmgeschäft, doch seine Eltern, jüdische Emigranten aus Moskau, rieten ihm in Deutschland zu einem sicheren Job. Khasin wurde Zahnarzt – und besuchte trotzdem nebenbei eine Autorenschule in Hamburg. In der Zahnarztpraxis in Berlin Kreuzberg hat Khaisn seine zukünftigen Filmhelden behandelt: einen älteren russisch-jüdischen Emigranten und einen palästinensischen Jugendlichen.
"Ich wusste von der Patientenkarte, dass sie im selben Haus wohnen. Und es war mal eine Situation, dass sie zur selben Zeit einen Termin hatten, und der Junge, der hatte sonst immer so große Klappe, – in der Praxis war er ganz klein. Da saß er mit großen Augen, wurde aufgerufen, und er wollte nicht rein gehen. Und da saß dieser alte Mann gegenüber, und sie haben sich nur angeschaut. Und dieser Blick - der hat ihm irgendeine Zuversicht gegeben, und ich dachte - da ist diese Geschichte, da ist sie geboren."
In "Kaddisch für einen Freund" lässt Khasin den jungen Palästinenser Ali Messalam in die Wohnung des 84-jährigen russischen Juden Alexander Zamskoy einbrechen und dort alles verwüsten – nur weil Ali nach Anerkennung in seiner arabischen Clique sucht. Doch er wird erwischt. Nun steht Ali die Katastrophe bevor: Abschiebung. Es sei denn, Alexander würde seine Klage gegen ihn zurückziehen. Der Alte würde das sogar tun, unter einer Bedingung: Ali soll seine Wohnung auf Vordermann bringen. Dann wird Alexander vom Sozialamt als eigenverantwortlich eingestuft und muss nicht ins Altersheim. Bei den Renovierungsarbeiten kommen die beiden langsam einander näher.
"Möchte ich erheben mein Glas auf mein Freund! Auf dich Ali, auf uns, lehaim!"
Sechs Jahre lang arbeitete Leo Khasin an dem Film. Er legte größten Wert darauf, dass russisch-sprachige Juden und arabische Jugendliche sich selbst spielen. Während die jüdische Gemeinde in Berlin das Projekt unterstützte, hatte Khasin größte Probleme, junge arabische Schauspieler für seinen Film zu gewinnen:
"Denn alle arabischen Institutionen, bei denen wir angefragt haben, haben sofort die Türen dicht gemacht. Als sie gehört haben, was das Thema ist. Also mussten wir direkt auf die Strasse gehen, und die Jugendlichen waren super offen. Aber als sie gehört haben, worum es geht, sind sie zum zweiten Casting nicht mehr gekommen. Und das war problematisch dann, das Talent aus einer viel kleineren Gruppe herauszusuchen."
Fündig wurde Khasin trotzdem. Die Libanesen und Palästinenser, die in seinem Film spielen, kommen alle aus Berlin und kennen die Gesetze der Straße. Auch bei Gewaltszenen bleibt Khasin authentisch – er fängt sie mit fast dokumentarischen, beklemmenden Handkamerabildern ein. Political correctness – Fehlanzeige:
"Ich bringe dich um, du jüdische Sau!"
"Kaddisch für einen Freund" erzählt in knappen Bildern und kurzen Dialogen von der Überwindung kultureller Klüfte, von Vertrauen und der Kunst der Versöhnung. Als Alexander Zamskoy stirbt, spricht der junge Palästinenser Ali das Totengebet Kaddisch für ihn.
"Das war meine Idee - was ist, wenn ein arabischer Junge ein jüdisches Totengebet sagt? Das war für mich das Ende der Geschichte. Ich hab recherchiert, und es gab viele unterschiedliche Meinungen. In Orthodoxie, im konservativen Judentum ist es unmöglich, weil nach dem Gesetz darf nur der Sohn oder der nächste Verwandte das jüdische Gebet sagen. Wiederum gibt es orthodoxe Rabbiner, die gesagt haben, vielleicht ist es Tradition nach nicht möglich, aber es steht nirgends im Gesetz, und ursprünglich ist Kaddisch nicht als Totengebet gedacht, sondern der Schüler sagt es auf seinen Lehrer. Also die Philosophie, dass der Ali Schüler vom Alexander ist. Also philosophisch gesehen - ist es nicht mal ein Gesetzesbruch."
Der Film "Kaddisch für einen Freund" möchte nahe bringen, dass eine Freundschaft über alle religiösen Dogmen und Kulturunterschiede hinweg auch zwischen Arabern und Juden möglich sein kann. Leo Khasin glaubt, dies sei nicht nur in einem Film denkbar:
""So wie ich es erzählt habe, ist es nicht ein Märchen, ich glaube, dass es so passiert. Ich glaube nicht, dass es allgemein gültig im Verständnis zwischen Juden und Arabern, und ich glaube nicht, dass es Probleme löst. Aber ich glaube, so punktuell, dass es Verbindungen gibt oder einen gemeinsamen Nenner gibt. Und der gemeinsamer Nenner, er geht über Kulturen oder Konflikte immer drüber. Und das ist das, wofür es zu leben lohnt: dass man sieht, es geht auch anders!"
Der Jude ist Alexander Zamskoy, 84 Jahre alt, ein russisch- jüdischer Kriegsveteran, der sich weigert, in ein Altersheim zu gehen. Er möchte die letzten Tage würdig in seiner Wohnung verbringen
"Diese Wohnung ist das letzte, was ich noch habe!"
In "Kaddisch für einen Freund" lässt Leo Khasin zwei Welten in Berlin aufeinander prallen - die russisch-jüdische und die arabische. In beiden kennt sich der Regisseur bestens aus:
"Das Russisch-Jüdische ist mir nah, das ist mein Leben, meine Kultur, ich erzähle von Menschen, die ich kenne, die ich in einen Prototyp dieses Alexander Zamskoys gepackt habe. Und die arabische Jugendlichen - ich habe einfach durch meine Arbeit oder die Zeit, wo ich in Berlin aufgewachsen bin, einen Zugang, ein Gefühl für sie. Und ich glaube, dass ich sie kenne."
Leo Khasin wollte schon immer ins Filmgeschäft, doch seine Eltern, jüdische Emigranten aus Moskau, rieten ihm in Deutschland zu einem sicheren Job. Khasin wurde Zahnarzt – und besuchte trotzdem nebenbei eine Autorenschule in Hamburg. In der Zahnarztpraxis in Berlin Kreuzberg hat Khaisn seine zukünftigen Filmhelden behandelt: einen älteren russisch-jüdischen Emigranten und einen palästinensischen Jugendlichen.
"Ich wusste von der Patientenkarte, dass sie im selben Haus wohnen. Und es war mal eine Situation, dass sie zur selben Zeit einen Termin hatten, und der Junge, der hatte sonst immer so große Klappe, – in der Praxis war er ganz klein. Da saß er mit großen Augen, wurde aufgerufen, und er wollte nicht rein gehen. Und da saß dieser alte Mann gegenüber, und sie haben sich nur angeschaut. Und dieser Blick - der hat ihm irgendeine Zuversicht gegeben, und ich dachte - da ist diese Geschichte, da ist sie geboren."
In "Kaddisch für einen Freund" lässt Khasin den jungen Palästinenser Ali Messalam in die Wohnung des 84-jährigen russischen Juden Alexander Zamskoy einbrechen und dort alles verwüsten – nur weil Ali nach Anerkennung in seiner arabischen Clique sucht. Doch er wird erwischt. Nun steht Ali die Katastrophe bevor: Abschiebung. Es sei denn, Alexander würde seine Klage gegen ihn zurückziehen. Der Alte würde das sogar tun, unter einer Bedingung: Ali soll seine Wohnung auf Vordermann bringen. Dann wird Alexander vom Sozialamt als eigenverantwortlich eingestuft und muss nicht ins Altersheim. Bei den Renovierungsarbeiten kommen die beiden langsam einander näher.
"Möchte ich erheben mein Glas auf mein Freund! Auf dich Ali, auf uns, lehaim!"
Sechs Jahre lang arbeitete Leo Khasin an dem Film. Er legte größten Wert darauf, dass russisch-sprachige Juden und arabische Jugendliche sich selbst spielen. Während die jüdische Gemeinde in Berlin das Projekt unterstützte, hatte Khasin größte Probleme, junge arabische Schauspieler für seinen Film zu gewinnen:
"Denn alle arabischen Institutionen, bei denen wir angefragt haben, haben sofort die Türen dicht gemacht. Als sie gehört haben, was das Thema ist. Also mussten wir direkt auf die Strasse gehen, und die Jugendlichen waren super offen. Aber als sie gehört haben, worum es geht, sind sie zum zweiten Casting nicht mehr gekommen. Und das war problematisch dann, das Talent aus einer viel kleineren Gruppe herauszusuchen."
Fündig wurde Khasin trotzdem. Die Libanesen und Palästinenser, die in seinem Film spielen, kommen alle aus Berlin und kennen die Gesetze der Straße. Auch bei Gewaltszenen bleibt Khasin authentisch – er fängt sie mit fast dokumentarischen, beklemmenden Handkamerabildern ein. Political correctness – Fehlanzeige:
"Ich bringe dich um, du jüdische Sau!"
"Kaddisch für einen Freund" erzählt in knappen Bildern und kurzen Dialogen von der Überwindung kultureller Klüfte, von Vertrauen und der Kunst der Versöhnung. Als Alexander Zamskoy stirbt, spricht der junge Palästinenser Ali das Totengebet Kaddisch für ihn.
"Das war meine Idee - was ist, wenn ein arabischer Junge ein jüdisches Totengebet sagt? Das war für mich das Ende der Geschichte. Ich hab recherchiert, und es gab viele unterschiedliche Meinungen. In Orthodoxie, im konservativen Judentum ist es unmöglich, weil nach dem Gesetz darf nur der Sohn oder der nächste Verwandte das jüdische Gebet sagen. Wiederum gibt es orthodoxe Rabbiner, die gesagt haben, vielleicht ist es Tradition nach nicht möglich, aber es steht nirgends im Gesetz, und ursprünglich ist Kaddisch nicht als Totengebet gedacht, sondern der Schüler sagt es auf seinen Lehrer. Also die Philosophie, dass der Ali Schüler vom Alexander ist. Also philosophisch gesehen - ist es nicht mal ein Gesetzesbruch."
Der Film "Kaddisch für einen Freund" möchte nahe bringen, dass eine Freundschaft über alle religiösen Dogmen und Kulturunterschiede hinweg auch zwischen Arabern und Juden möglich sein kann. Leo Khasin glaubt, dies sei nicht nur in einem Film denkbar:
""So wie ich es erzählt habe, ist es nicht ein Märchen, ich glaube, dass es so passiert. Ich glaube nicht, dass es allgemein gültig im Verständnis zwischen Juden und Arabern, und ich glaube nicht, dass es Probleme löst. Aber ich glaube, so punktuell, dass es Verbindungen gibt oder einen gemeinsamen Nenner gibt. Und der gemeinsamer Nenner, er geht über Kulturen oder Konflikte immer drüber. Und das ist das, wofür es zu leben lohnt: dass man sieht, es geht auch anders!"