Kunst der Auswechslung
Salzburg huldigt fortdauernd dem kleinen Großen Sohn der Stadt. Der künstlerische Abschnitt der Festspiel-Eröffnung in diesem Sommer wurde mit der Wiederaufnahme einer fünf Jahre alten Produktion bestritten: mit der "Hochzeit des Figaro" von Lorenzo da Ponte und Mozart in der Inszenierung von Claus Guth.
Es war die erste im "Haus für Mozart", das seit 2006 das abgerissene Kleine Festspielhaus ersetzt. Damals entfaltete die in kurze Hosen gesteckte Christine Schäfer den erotischen Schmelz der Cherubino-Arien mit atemberaubender Virtuosität und man wartete darauf, dass Sigmund Freud in die Beschwörung der gutbürgerlich-abgründigen Wiener Wohlstandswelt träte, in der Susanna als weiß beschürzte Hausangestellte dient. Es war jene russische Sopranistin, die der schwarzblaue Kanzler Schüssel im Schnellverfahren "austriakisiert" hatte und die den Schwarzmarkt-Kartenpreis auf 10.000 Euro hochtrieb, dann aber im Leistungsvergleich mit Schäfer stimmlich erheblich abfiel und heute eher am Rande des klassischen Musikbetriebs ihren Vermarktungsstrategien nachgeht (zur Erinnerung: sie hieß Netrebko, Anna Netrebko).
Nun wurde auf fast allen Positionen umbesetzt (auch für die Festrede wurde bereits ausgetauscht – statt des Schweizer Globalisierungskritikers Jean Ziegler sprach ein nordostdeutscher Pastor). Auf der Bühne erscheint Simon Keenlyside als Graf und bei dieser Gelegenheit wie ein mittlerer Angestellter, der rechtschaffen intoniert und agiert (aber keineswegs spitzenmäßig). Genia Kühlmeier punktet als Grafen-Gattin Rosina, Marlis Petersen als allseits begehrte Braut Susanna – beide mit sauber geführten und hochgradig sympathieträchtigen Stimmen. Die zwei wirken eher wie ungleiche Schwestern, mitnichten wie Herrin und Zofe; auch Graf und Figaro muten wie Brüder oder Kollegen an, nicht wie Herr und Knecht. Das liegt wesentlich daran, dass Erwin Schrott den Friseur wie einen Gentleman gestaltet. Vor allem aber haben bei der Neueinstudierung auch Orchester und Dirigent gewechselt: Statt den Wiener Philharmonikern nimmt sich das Orchestra of the Age of Enlightenment der luziden Partitur an und statt Nikolaus Harnoncourt steht Robin Ticciati am Dirigentenpult. Der sorgt für hinreichend Dynamik und verschiebt die Balance des historisch orientierten Klangs zugunsten der Bläser. Die Geigen entwickeln mit dünnerer Lineatur aparte Schärfe.
Im wesentlichen unverändert blieb die Inszenierung von Claus Guth im Treppenhaus einer Villa des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Das zugige Ambiente ermöglicht jetzt neuerlich eine plausible, immer wieder zu höchst intensiven Theatermomenten gelangende Personenführung beim ersten und dritten Akt (der zweite spielt im absurd karg ausgestatteten Wohnraum der Gräfin). Mit im Spiel ist ein geflügelter Eros, der zugleich als potentieller Todesengel fungiert: Dass der Page Cherubino einen stummen, aber sportlichen Doppelgänger erhielt, erweist sich nur selten als wirklich störend, auch wenn dieser Cherubim manche interpretatorische Fingerzeige allzu didaktisch verabreicht. Hübsch gelungen ist die erhellend wirre Grafik, die zum Höhepunkt der Konfusionen zwischen den vier (teils instabilen) Paaren gezeigt wird.
Problematisch bleibt am Ende freilich der Verzicht auf die Öffnung zum Park hin. Ebenso wie die frische Luft und den Blick ins Freie vermieden Guth die Dunkelheit, in der die Verwirrung nochmals eskaliert und dann ein entscheidender Moment von Enlightenment stattfinden kann. Aber der Regisseur hat’s wohl nicht so mit Aufklärung – eher mit der Abklärung der Seelenzustände, die die Musik so intensiv ausleuchtet und ausziert.
Le nozze di Figaro
Oper in drei Akten von Lorenzo da Ponte und Wolfgang Amadeus Mozart
Regie: Claus Guth
Musikalische Leitung: Robin Ticciati
Salzburger Festspiele 2011, Haus für Mozart in Salzburg
Nun wurde auf fast allen Positionen umbesetzt (auch für die Festrede wurde bereits ausgetauscht – statt des Schweizer Globalisierungskritikers Jean Ziegler sprach ein nordostdeutscher Pastor). Auf der Bühne erscheint Simon Keenlyside als Graf und bei dieser Gelegenheit wie ein mittlerer Angestellter, der rechtschaffen intoniert und agiert (aber keineswegs spitzenmäßig). Genia Kühlmeier punktet als Grafen-Gattin Rosina, Marlis Petersen als allseits begehrte Braut Susanna – beide mit sauber geführten und hochgradig sympathieträchtigen Stimmen. Die zwei wirken eher wie ungleiche Schwestern, mitnichten wie Herrin und Zofe; auch Graf und Figaro muten wie Brüder oder Kollegen an, nicht wie Herr und Knecht. Das liegt wesentlich daran, dass Erwin Schrott den Friseur wie einen Gentleman gestaltet. Vor allem aber haben bei der Neueinstudierung auch Orchester und Dirigent gewechselt: Statt den Wiener Philharmonikern nimmt sich das Orchestra of the Age of Enlightenment der luziden Partitur an und statt Nikolaus Harnoncourt steht Robin Ticciati am Dirigentenpult. Der sorgt für hinreichend Dynamik und verschiebt die Balance des historisch orientierten Klangs zugunsten der Bläser. Die Geigen entwickeln mit dünnerer Lineatur aparte Schärfe.
Im wesentlichen unverändert blieb die Inszenierung von Claus Guth im Treppenhaus einer Villa des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Das zugige Ambiente ermöglicht jetzt neuerlich eine plausible, immer wieder zu höchst intensiven Theatermomenten gelangende Personenführung beim ersten und dritten Akt (der zweite spielt im absurd karg ausgestatteten Wohnraum der Gräfin). Mit im Spiel ist ein geflügelter Eros, der zugleich als potentieller Todesengel fungiert: Dass der Page Cherubino einen stummen, aber sportlichen Doppelgänger erhielt, erweist sich nur selten als wirklich störend, auch wenn dieser Cherubim manche interpretatorische Fingerzeige allzu didaktisch verabreicht. Hübsch gelungen ist die erhellend wirre Grafik, die zum Höhepunkt der Konfusionen zwischen den vier (teils instabilen) Paaren gezeigt wird.
Problematisch bleibt am Ende freilich der Verzicht auf die Öffnung zum Park hin. Ebenso wie die frische Luft und den Blick ins Freie vermieden Guth die Dunkelheit, in der die Verwirrung nochmals eskaliert und dann ein entscheidender Moment von Enlightenment stattfinden kann. Aber der Regisseur hat’s wohl nicht so mit Aufklärung – eher mit der Abklärung der Seelenzustände, die die Musik so intensiv ausleuchtet und ausziert.
Le nozze di Figaro
Oper in drei Akten von Lorenzo da Ponte und Wolfgang Amadeus Mozart
Regie: Claus Guth
Musikalische Leitung: Robin Ticciati
Salzburger Festspiele 2011, Haus für Mozart in Salzburg