Kunst-Biennale

Verlust der Unbefangenheit

Eine Besucherin auf der Manifesta in St. Petersburg vor einem Gemälde des russischen Vladislav Mamyshev-Monroe
Eine Besucherin auf der Manifesta in St. Petersburg vor einem Gemälde des russischen Vladislav Mamyshev-Monroe © dpa / picture alliance / Anatoly Maltsev
Von Carsten Probst · 27.06.2014
Die Manifesta ist eine europäische Biennale für zeitgenössische Kunst, die jungen, unbekannten Künstlern eine internationale Bühne geben soll. Zur zehnten Auflage setzen die Macher auf große Namen – und konterkarieren diese Idee.
Natürlich ist die Manifestazunächst ein gewaltiger Eindruck, gerade gemessen an der bisherigen Geschichte der Biennale. Die Manifesta war ja im Verlauf ihrer Geschichte immer eher an kleineren Orten, die nicht unbedingt Brennpunkte des Kunstbetriebs waren. Sie wanderte alle zwei Jahre von Ort zu Ort und entwickelte dabei ihr jeweils auf den Ort abgestimmtes Konzept. Dem gegenüber haben sie jetzt das genaue Gegenteil gewählt, die Petersburger Eremitage als eines der größten Museen weltweit.
Riesige, raumgreifende Installationen
Natürlich ist es unglaublich spannend und ein Erlebnis, wenn man sich in den Hunderten prunkvollen Sälen der Eremitage auf die Suche nach den Interventionen von Gegenwartskünstlern macht, die nun dort nun mehr oder weniger versteckt sind. Kasper König hat mit seiner ganzen jahrzehntelangen Museumserfahrung als Kurator auch sehr gekonnt platziert. Man seiht da Werke von Joseph Beuys, Louise Bourgeois und einigen anderen. Und auf der anderen Seite, in den riesigen Sälen des alten Generalstabsgebäudes, ist der Hauptteil der Manifesta als ein eigener Parcours aus fast fünfzig Positionen, teilweise riesigen, raumgreifenden Installationen, wie etwa von Eric van Lieshout, einer Tunnelinstallation, in der es um die Katzen in der Eremitage geht.
Die Katzen in der Eremitage – Kasper König hat zahlreiche Positionen ausgewählt, die bei aller Schönheit der Installation unterschwellig immer Anspielungen auf die schon im Vorfeld diskutierten politischen Themen lancieren. So ein wenig wirkt das wie zu Sowjetzeiten, in der der Gegenwartskunst ja auch die Aufgabe zukam, unter der Oberfläche anspielungsreich politische Themen abzuhandeln. So nun auch hier.
Sachte Anspielungen unterhalb der prächtigen Oberfläche
Die Katzen der Eremitage verweisen letztlich auf den Kunstbetrieb, auf das Machen von Kunst, auf die Arbeiter in den Katakomben eines großen Museums, auf die Situation hinter den Kulissen. Man hat Künstler, bekannte Künstler wie Wolfgang Tillmans, die homosexuell sind, oder wie die Südafrikanerin Marlene Dumas, die im klassischen Porträtstil berühmte Männer gemalt hat, die alle homosexuell waren, darunter etwa auch Peter Tschaikowski, den Komponisten, der in Petersburg selbst gelebt hat. Das sind also keine großen provokativen Künstlerauftritte, sondern eher sachte Anspielungen unterhalb der insgesamt ja sehr prächtigen Oberfläche.
Bei der Pressekonferenz ging es noch einmal um die ganz grundsätzlichen Dinge, darum, ob die Manifesta in dieser Situation überhaupt stattfinden kann, um die Boykottaufrufe von Künstlern, um eine Kunst, die politisch klar Stellung bezieht, die den feierlichen Rahmen der Jubiläen von Eremitage und Manifesta sprengt.
Das Engagement wirk überfrachtet
Kasper König nahm das in seiner gewohnten Art offensiv an. Er meinte, Boykott von Künstlern sei letztlich keine Lösung, bezieht dabei so etwas wie den klassisch sozialdemokratischen Ansatz der alten Ostpolitik ein, Wandel durch Annäherung – auch wenn er einräumt, dass das Projekt zum Teil schwierig gewesen sei, dass sich faszinierende Ideen nicht hätten umsetzen lassen und aus heutiger Sicht die Manifesta vielleicht an einem anderen Ort hätte stattfinden müssen.
Die Manifesta hätte aus heutiger Sicht eigentlich in der Ukraine stattfinden müssen, so König, aber der Winterpalast liege nun einmal in Petersburg. Realpolitik mit Mitteln der Kunst.
Die Manifesta ist eigentlich eine Biennale für junge Kunst, die den Vorzug hat, nicht an einen bestimmten Ort gebunden zu sein, sondern alle zwei Jahre an einem anderen Ort stattzufinden. Die Grundidee ist die Idee der Unbefangenheit junger Kunst. Man möchte junge Kunst nicht gleich dadurch vereinnahmen, dass sie für irgendein etabliertes Stadtmarketing herhalten muss, sondern man ist oft ganz bewusst an Orte gegangen, die völlig abseits der großen Kunstzentren liegen, teilweise gerade in Krisenregionen. Angesichts dessen wirkt dieses Engagement in Petersburg überfrachtet. Es geht zunächst erst einmal um vieles, nur nicht um Kunst. Es ist eine mit großen, bekannten Künstlernamen abgesicherte Schau ohne zu viel Risiko, die die Grundidee der Manifesta, neuen, jungen Künstlern eine internationale Bühne zu geben, konterkariert. Und das ist bei aller schönen Inszenierung eigentlich mehr als nur ein Schönheitsfehler.
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