Kunst aus der Küche

Von Judith Kochendörfer · 28.03.2006
Thomas Kapielski ist Schriftsteller, Musiker und bildender Künstler. Oft sind seine Kunstwerke mit Sprachspielen versehen, die nur knapp am Kalauer vorbeischliddern. Ein Atelier braucht Kapielski indes nicht: Die besten Ideen hat er am Küchentisch und überhaupt ist er vom ganzen Kunstbetrieb leicht angenervt.
"Zum Beispiel hier steht so eine riesige Staffelei bis an die Decke. Das nennt sich Hochstaffelei."

Kein Kunstwerk von Thomas Kapielski kommt ohne ein Wort aus. Absurde Sprachspielchen wechseln sich ab mit allzu wörtlich genommenen Alltagsbegriffen.
"Hier sieht man also die Klorollen, sind wie so ein Unterwasserstückchen da noch mal aufgeklebt, und das heißt Klorollenriff. Hier haben wir den Ölschinken, das ist ein riesiger, üppiger, saftig fettiger in Ölfarbe gemalter Schinken mit Petersiliendekoration."

Immer spielt ein leicht spöttisches Lächeln mit in Thomas Kapielskis Worten und in seinen Wortspiel-Kunstwerken. Auf ein Thema hat es der Berliner Künstler besonders abgesehen: Die Kunst und den ganzen Kunstbetrieb an sich.

"Der Kunstbetrieb hat was Lächerliches. Die Zufälligkeiten, die Willkürlichkeit dessen. Es gibt 'ne gewisse Aufgeblasenheit. Die aber natürlich der Kunst auch eigen ist."

Entsprechend dazu hat Thomas Kapielski sein Objekt "Das aufblasbare Büchergesamtwerk" geschaffen - eine Reihe von etwa zehn Büchern, seine eigenen Veröffentlichungen - als Bild auf Plastik aufgedruckt (und mit einem Aufblasventil versehen). Das aktuellste Buch aus dieser Reihe ist - in geschriebener Form - ein Textband zu den Merkwürdigkeiten des Kunstschaffens.

"'Anblasen' heißt der. Der steht hier sogar schon mit drin, beim Merve-Verlag. Und da ist sehr viel extemporiert über dieses sehr Aufgeblasene. Andererseits sieht man hier, dieser Kasten, in dem das verkauft wird, der ist so wie ein Schwamm gestaltet. Also es ist noch so 'ne andere Metapher, die in dem Buch dann durchgezogen wird. Dass es eben einmal diese aufgesogene Leere und einmal diese aufgesogene Fülle gibt."

Im Berliner Künstlerhaus Bethanien ist eine Kapielski-Ausstellung gerade erst zu Ende gegangen, und wir haben Glück, dass die Arbeiter die Stücke noch nicht eingepackt und an die Besitzer zurückgeschickt haben.

In seinem Atelier hätte er mich nicht empfangen können, meint Thomas Kapielski, 54 Jahre alt, groß, im schwarzen Mantel und mit roter Hornbrille auf der Nase. Fürs künstlerische Arbeiten müsse immer seine heimische Küche herhalten - und die werde im Moment wieder ausschließlich als Küche genutzt.

"Ich verabscheue in gewisser Weise Ateliers, also sagen wir mal so, ich brauch keins. Ich hab ja hier in Bethanien früher schon mal ein Atelier angeboten bekommen, und ziemlich viel Geld, Stipendium und so, und da hab ich gesagt, das Stipendium nehm ich, aber das Atelier will ich nicht."

Thomas Kapielski ist nicht besessen von Kunst. Zu bodenständig ist er, als dass er zwischen Kunstwerken vernünftig leben könnte. Wo andere Leute Geld ausgeben, um etwas in die Wohnung zu hängen, will Thomas Kapielski seine Objekte lieber schnell wieder loswerden.

"Ich mag das nicht, so ewig an irgendwas rumbasteln. Meines Dafürhaltens wird's immer schlechter. Also mach ich das ganz schnell, und dann wird's hier ausgestellt, und dann bin ich froh, dass der ganze Mist weg ist. Da brauch ich's auch nicht irgendwo lagern. Also Kunst hat schon irgendwie durch seine dingliche Beschaffenheit was Belästigendes. Was Anstrengendes."

Thomas Kapielski macht nicht den Eindruck eines Menschen, der sich unnötig anstrengt. Er nimmt die Dinge lieber von der leichten Seite. Erzwingen könne man in der Kunst sowieso nichts. Das sagte er auch oft genug seinen Studenten an der Braunschweiger Kunsthochschule, wo er bis 2004 gelehrt hat.

Als ob ihm Literatur und die bildende Kunst nicht reichten, ist Thomas Kapielski außerdem noch Gelegenheitsmusiker. Immer dann, wenn es ihm angeboten wird und ihn interessiert. Bei Musik für seine Hörbücher zum Beispiel.
Und - ach ja . Studiert hat er noch was ganz anderes: Geografie, Philologie und Philosophie.

"Ich habe, obwohl ich Dozent an der Kunsthochschule war, gottlob, oder vielleicht grad deshalb weiß ich das, NICHT Kunst studiert, sondern was Ordentliches. Und bin zunächst in der Musik gelandet. Heute würde man Industrial oder so was sagen. So 'ne Musik, sehr eigen, mit Frieder Butzmann zusammen. Das hatte auch 'ne Strecke lang großen Erfolg, also wir waren z.B. in NY im MOMA. Musik hat eben den Vorteil, dass man rumkommt. Mit den Büchern bin ich immer aufs Deutschsprachige begrenzt. Kunst könnte auch noch international reüssieren. Ich bin da aber sehr sprachfixiert."

"(Räusper). Guten Tag. Ich bin das Tonbandgerät von Frieder Butzmann und Thomas Kapielski. Alle denken, ich bin doof. Außer Thomas und außer Frieder."

Unser Gespräch ist beendet. Die Ausstellungsstücke fertig zur Heimreise zu ihren Eigentümern. Thomas Kapielski packt eigenhändig an, nimmt die ersten Bilder von der Wand und lässt die Luft aus dem aufblasbaren Bücherstapel hinaus. Auf dass die Kunst woanders wieder aufgeblasen werden kann.


Service:
Thomas Kapielskis Buch "Anblasen" ist Januar 2006 beim Merve-Verlag erschienen, seine Kunstwerke hängen bis Ende April in der Galerie Marlene Frei in Zürich.