Kunst als Haushaltsposten

Von Jochen Stöckmann |
Bislang waren "Bestandsverkäufe" in deutschen Museen die absolute Ausnahme und erschienen nur dann denkbar, wenn mit dem Erlös der Erwerb neuer Werke finanziert werden sollte. Doch nun will Krefeld ein Monet-Gemälde verkaufen, um das Museumsgebäude zu sanieren.
Konservieren, ausstellen und den Bestand erweitern, so hat der Kunsthistoriker Krzysztof Pomian in seiner grundlegenden Studie über "Den Ursprung des Museums" die Aufgaben dieser Institution umrissen. Entstanden durch einen staatlichen Gründungsakt und – im Gegensatz zur privaten Sammlung – mit dem Versprechen auf Permanenz, auf einen Bestandsschutz, der nicht nur den Wechsel der Moden, sondern auch Epochenbrüche überdauert. Im Vokabular der Kulturpolitik kam bis vor wenigen Jahren das Wort vom "Bestandsverkauf" nicht einmal vor, es war ein Fachbegriff der Immobilienwirtschaft. Sowohl die Statuten des Deutsche Museumsbundes als auch der Internationalen Organisation "Icom" sehen Verkäufe von Museumsgut nur in absoluten Ausnahmefällen vor, einzig, um aus dem Erlös neue Werke zu erwerben, also eine Sammlung gezielt zu ergänzen oder umzugestalten.

Solch ein langfristig überlegter Eingriff in die "Gedächtnismaschine", wie der Kölner Direktor Kasper König das Museum nennt, kann erst am Ende kunsthistorischer Erwägungen stehen, darf nicht das Ergebnis kurzsichtiger Haushaltspolitik oder bloß betriebswirtschaftlichen Kalküls sein. Dahin aber ist es nun gekommen, weil viele Museen aus der finanziellen Obhut der Kommunen oder Länder in eine fragwürdige Selbstständigkeit entlassen wurden. Gezwungen, eigenständig zu wirtschaften, betrachten Museumsdirektoren die Sammlung als Tafelsilber, als Haushaltsposten. Vor fünf Jahren verkaufte das Kunstmuseum der Stadt Bonn ein Baselitz-Gemälde, um das mit der Ausstellung "Zeitenwende" eingefahrene Defizit auszugleichen. Bereits 1998 wurde ein Werk von Gerhard Richter aus dem Hagener Osthaus-Museum nicht nur versteigert, um den Ankaufsetat aufzustocken, sondern auch, um eine Gebäudesanierung zu finanzieren.

Wenn jetzt aus ganz ähnlichen Gründen in Krefeld der für dieses Museum buchstäblich "einzigartige" Monet verkauft werden soll, dürfte das Wasser auf die Mühlen der Finanzbürokratien sein. In Baden-Württemberg etwa hat der Landesrechnungshof die Staatsgalerie in Stuttgart aufgefordert, zu verkaufen, was nach Ansicht der museumsfremden Statistiker ja doch nur "in den Depots verstaubt". Genau das hatte Museumsdirektor König befürchtet – und seinen Kollegen geraten, die Gedächtnismaschine auf Touren zu halten, die Dauerausstellungen regelmäßig neu zu bestücken, die Depots für den Leihverkehr zwischen den Museen intensiver zu nutzen. Wenn jetzt einige Teile entnommen werden, könnte das komplizierte Räderwerk ins Stocken geraten. Und wer möchte angesichts dieser Gefahr schon entscheiden, was für ein Museum wichtig und was nicht weiter von Belang ist? Zumal das schon für die nächste Generation ganz anders aussehen kann.