Kulturtat und Prestigeobjekt der DDR

Von Karin Ney · 04.09.2005
Am 3. Februar 1945 wurde die Berliner Staatsoper Unter den Linden durch einen Bombe völlig zerstört. Zehn Jahre später wurde die neue "Deutsche Staaatsoper" mit einem feierlichen Staatsakt eröffnet. Der Wiederaufbau war eine Kulturtat und ein Prestigeobjekt der DDR.
Es gibt aus den ersten Monaten nach Kriegsende ein legendäres Foto der Straße Unter den Linden: Grasende Kühe in den Ruinen zwischen Humboldt-Universität und Staatsoper. Am 3. Februar 1945 wurde die berühmte "Lindenoper" durch einen Bomben-Volltreffer völlig zerstört. Das älteste und berühmteste Theater Berlins, im Auftrag Friedrich des Zweiten gebaut in den Jahren 1741 bis 42 von Georg Wenceslaus von Knobelsdorff - ein ausgebrannter Torso, ein Chaos aus Eisenträgern und Rohren.
Zehn Jahre später, am 4. September 1955 wird mit einem feierlichen Staatsakt die wieder aufgebaute "Deutsche Staatsoper" eröffnet. Die Staatskapelle Berlin unter der Leitung von Franz Konwitschny gibt mit der Ouvertüre des "Freischütz" den musikalischen Rahmen des Festaktes. Die Festrede hält der Dichter Johannes R. Becher, seit 1954 Minister für Kultur in der DDR:

"Berlin - die Hauptstadt unseres Vaterlandes - hat wieder seine Staatsoper. Gebiet des Musikschaffens beispielgebend voran zu. Wir sind überzeugt, daß das Haus, das wir in dieser Stunde der Öffentlichkeit übergeben, ein gesamtdeutsches Anliegen ist."
Berlin ist in diesen Jahren eine Vier-Sektoren-Stadt mit offenen Grenzen. Viele Künstler leben im "Westsektor" und arbeiten an den großen Theatern im sowjetisch besetzten Teil der Stadt. Die DDR wirbt mit dem neu erbauten, prächtigen Opernhaus, Westberlin mit der harten D-Mark.

Der Wiederaufbau der Staatsoper ist eine Kulturtat - und gleichzeitig ein Prestigeprojekt der DDR. Selbstbewusst verkündet Johannes R. Becher in seiner Eröffnungsrede Grundsätze der Kulturpolitik des Arbeiter- und Bauernstaates, die jedoch längst von Formalismus-Debatten beherrscht wird. Kurz vor der Eröffnung des neuen, repräsentativen Opernhauses gibt es einen bezeichnenden kulturpolitischen Konflikt.

"König Friedrich, Apoll und den Musen" stand in goldenen Lettern unter dem Giebelrelief am Eingang. Originalgetreu war die Inschrift vom Architektenteam um Richard Paulick restauriert worden. Sie wurde im März 1955, wenige Monate vor Eröffnung des Hauses auf Initiative der FDJ wieder abmontiert und durch "Deutsche Staatsoper" ersetzt. Der Dirigent Erich Kleiber, der nach seiner Rückkehr aus dem argentinischen Exil wieder an der Staatsoper arbeitete, schreibt unmittelbar nach diesem Vorfall an den Intendanten Max Burghardt:

"Das plötzliche Herausreißen der Inschrift empfinde ich als Schändung eines eben erst aufgebauten historischen Monuments. Für mich ist dieser Vorfall ein trauriges, aber sicheres Symptom, daß, wie im Jahr 1934, Politik und Propaganda vor der Türe dieses "Tempels" nicht Halt machen werden. Früher oder später müßte ich dann noch ein zweites mal Abschied nehmen von dem Hause, nach dem ich mich 20 Jahre lang gesehnt habe."

Noch vor der Eröffnung des neuen Hauses beendet der weltberühmte Dirigent seine Zusammenarbeit mit der "Deutschen Staatsoper" ein zweites mal. Erst 1987, anlässlich der 750-Jahrfeier Berlins, kehrt die historische Inschrift an ihren Platz zurück. Der Dresdner Romanist Victor Klemperer notiert am 11.September 1955 zu den Feierlichkeiten in Berlin in sein Tagebuch:

"Wir haben Billetts für den Einweihungsmonat der Oper / das Opernhaus sehr elegant neu erstanden; davon ist ja in diesen Wochen überall geschrieben worden. Propaganda, die nicht recht aufkommt gegen die "Kartoffel-Ernte-Organisationskatastrophe", gegen die Verbitterung gerade der Arbeiter. Hübsch aber, wie viele ganz einfache Menschen anwesend / Wir hatten Einladung gegen Bezahlung: 15 Mark die besten Plätze in Parkett und erstem Rang. Wir saßen 5. Parkettreihe; x Leute um uns, die bestimmt Preisnachlass oder Gratiskarten hatten, Angehörige der Bauarbeiter etc. H.`s schönes Abendkleid ziemlich einsam."