Kulturszene im Lockdown

Manche stehen vor dem Ruin

07:38 Minuten
Der Kabarettist Matthias Brodowy bei der Show "Der Comedy-Mix - Drei Theater, eine Show" im Juni 2020 auf der Autokultur-Bühne auf dem Schützenplatz in Hannover.
"Kunst ist eine sehr anständige Arbeit und Kunst macht auch Arbeit", sagt Kabarettist Matthias Brodowy. © picture alliance/dpa/Geisler-Fotopress
Matthias Brodowy im Gespräch mit Axel Rahmlow · 26.11.2020
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Dem Kabarettisten Matthias Brodowy fehlt die politische und gesellschaftliche Anerkennung der Kultur. Für manche seiner Kollegen und Kolleginnen sei die Situation jetzt im zweiten Lockdown dramatisch.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am Donnerstag noch einmal erklärt, warum sich Bund und Länder darauf geeinigt haben, den Lockdown im Dezember mindestens bis Weihnachten zu verlängern. Dabei hat die Kanzlerin auch die großen wirtschaftlichen Folgen für die Kultur erwähnt. Es müsse "Gesundheit und Kultur" heißen, und nicht "Gesundheit oder Kultur". Es ging um Anerkennung und darum, welche Last die Gastronomie und die Kulturwelt gerade tragen. Trotz aller Hygienekonzepte.

Einer von Zehntausenden Menschen, die betroffen sind, ist der Kabarettist Matthias Brodowy aus Hannover. Er sei froh, dass in all diesen Wochen überhaupt einmal über die Kultur gesprochen werde, sagt er. "Im ersten Lockdown sind wir tatsächlich komplett rausgekippt." Man habe das Gefühl gehabt, in einem Land, das sich seit Jahrhunderten auf die Dichter und Denker berufe, habe man immer nur die Vergangenheit beschworen. Man habe aber vergessen, dass Kunst und Kultur auch in der Gegenwart stattfinden würde. Betroffen seien auch nicht nur die Künstler und Künstlerinnen, sagt Brodowy, sondern auch zahlreiche andere Mitarbeiter wie die freien Techniker.

Kritik an Umgang mit Hilfszahlungen

Auch wenn eine Betrugsgefahr bestehen würde, sei es für ihn schwer zu verstehen, warum die Novemberhilfen für die Branche bereits im Oktober angekündigt wurden, aber erst seit Ende November beantragt werden können. Ein zweiter Lockdown sei absehbar gewesen, daher hätte man die notwendige technische Infrastruktur, an der es angeblich unter anderem liegen würde, schon viel früher vorbereiten können. "Ich wundere mich schon, warum man so viel Zeit verstreichen lässt."
Einige Künstler und Techniker in der Szene seien in ihrer Existenz bedroht, sagt Matthias Brodowy, weil sie seit Monaten kein Geld erhalten würden. "Das ist schon dramatisch." Er kenne Künstlerkollegen, die vor dem Ruin stehen würden. "Die müssen eventuell ausziehen, weil sie die Miete nicht mehr zahlen können, die sind schlicht und einfach verzweifelt."

"Kunst ist eine sehr anständige Arbeit"

Wenn in solch einer Situation dann auch noch Sätze fallen würden wie "Ihr hättet ja auch etwas Anständiges lernen können", dann gehe ihm die "Hutschnur" hoch. "Dann denke ich mir: Was ist denn an Kunst unanständig?" Es gebe unanständige Kunst. Ansonsten sei Kunst etwas sehr Ehrbares, so Brodowy. Menschen mit solchen Äußerungen würden es sich zu einfach machen. "Kunst ist eine sehr anständige Arbeit und Kunst macht auch Arbeit." Es wäre schön, wenn das gewürdigt werden würden, denn in den letzten Jahren seien Künstler auch "eifrige Steuerzahler" gewesen.
(jde)
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