Matthias Buth, geboren 1951 in Wuppertal, publiziert Lyrik und kulturpolitische Essays, soeben den Band "Seid umschlungen - Feuilletons zu Kultur und Zeitgeschichte" mit einem Vorwort von Peter Steinbach. Er veranstaltete im September in der Rumänischen Botschaft das Erste Ovid-Gespräch. Seine Gedichte wurden in zahlreichen Sprachen übersetzt und in Chorwerken vertont, so aus dem Band "Gott ist der Dichter - Psalmen und andere Liebesgedichte". Buth ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland und arbeitet als Rechtsanwalt in einer international tätigen Kanzlei. Bis 2016 war er Ministerialrat bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Wir brauchen ein Bundeskulturministerium!
Kommt im Bund Jamaika zustande, haben wir vielleicht bald ein Bundeskulturministerium. Das wäre eine gute Sache, meint der Lyriker und Publizist Matthias Buth: Denn es könnte endlich Kompetenzen bündeln - und vor allem im kontroversen Deutschland-Diskurs Impulse geben.
Im Grundgesetz steht nichts von "Gesellschaft", sondern vom Volk, sogar vom "deutschen Volk". Das ist der Demos, von diesem geht alle staatliche Gewalt aus. Und was machen der neue Bundestagspräsident, die Kanzlerin und auch der Bundespräsident? Sie meiden den Begriff. Ist und bleibt er Nazi-kontaminiert? Und jetzt wird "die Heimat" entdeckt: "Ich glaube, Heimat weist in die Zukunft, nicht in die Vergangenheit. Heimat ist der Ort, den wir als Gesellschaft erst schaffen", das ist die schwadronierende Referentensprache des Bundespräsidenten am 3. Oktober, die vernebelt.
Heimat ist immer etwas Vergangenes, etwas was die Sehnsucht bestimmt und nie so ganz existiert hat. Wie kann man das umdrehen? Die Dichter des Exils machten es doch ab 1933 deutlich. Und: Wir sind ein Volk von Wahlbürgern, so steht`s im Grundgesetz. Das Gewese der Politik – sich tummelnd im "Gemeinwesen" – macht krank. Wer wundert sich, wenn viele Bürger sich abwenden?
Kulturstaatsministerin Grütters sagt meist nichts
Wer auch so redet, ist Monika Grütters, die immer links steht, wenn Wahlergebnisse im Fernsehen bekannt gegeben werden. Sie nennt sich Kulturstaatsministerin, hat aber nur den Rang einer Staatssekretärin. Meist sagt sie nichts. Auch nicht, ob es eine spezifische deutsche Kultur neben der Sprache gebe, zum Frauenbild des Islam oder gar zur Europakonzeption von Jürgen Habermas. Weder in Talkshows noch in Zeitungen kam ein genuiner Meinungsbeitrag zu all dem, was vielen den Schlaf raubt.
Und bei den laufenden Jamaika-Bund-Verhandlungen sind nun neue Ministerien im Gespräch, die den Deutschland-Dialog befeuern sollen: so ein Kultur-, ein Heimatministerium und eines für Integration und Digitalisierung, die Liste ist offen. Was sollen aber neue Institutionen ohne Persönlichkeiten, die der Bildung und Politik eine klare Sprache geben? Erinnern wir uns: Der "Beauftrage der Bundesregierung für Kultur und Medien", der BKM, war eine Erfindung der beiden SPDler Michael Naumann und Gerhard Schröder.
Fast alle Ministerien fördern Kultur
Politisch wurden und werden diese Staatssekretäre alle von den Bundesministern abgemeldet. Koordinierend im Bereich der Kulturausgaben der Ressorts war der Kultur- und Medienbeauftragte nie. Kaum einer macht sich klar: Kultur fördern fast alle Ministerien, sogar das Verteidigungsministerium. Der Beauftrage der Bundesregierung für Kultur und Medien ist dagegen nur eine Abteilung des Kanzleramtes. Das Kulturgutschutzgesetz von 2016 war ein Desaster und hätte einladen müssen, über die "identitätsstiftende Wirkung für die Kultur in Deutschland" öffentlich zu sprechen. Fehlanzeige. Grütters stand immer nun daneben, durfte allenfalls "mitberaten".
Der Deutsche Kulturrat fordert nun ein Bundeskulturministerium. Dann müsste es ein Ressort sein, das endlich einen Deutschland-Diskurs mit geistiger Souveränität anregt und europäisch wirkt. Das wäre die richtige Konsequenz aus der Bundestagswahl! Und die diffusen Bundeskulturförderungen sollten endlich gebündelt und verbunden werden. Dann sollten bundesgeförderte Einrichtungen wie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz nicht weiter als "bundesmittelbare Einrichtungen" geführt und am disziplinarischen Gängelband des Bundes gehalten werden. Die BKM-Institution "Villa Massimo" ist z.B. eine unselbstständige Anstalt des Bundes, also Staatskultur. Und auch das BKM-gesteuerte Agieren der Taskforce Gurlitt zeigt, wie sehr Frau Grütters rechtlich und politisch überfordert ist. Artikel 5 des Grundgesetzes spricht von der Freiheit der Kunst - nicht von Staatskultur. Wer hat die Einsicht und die politische Kraft zu einem Neuanfang in der Bundeskulturverwaltung? Jetzt - in diesem Jahr!?