Kulturpolitik

Verteidigung der Seele Europas

Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz
"Wenn sich nur noch Reiche Bücher leisten können – ist das das Europa, das wir wollen?", fragte Martin Schulz, Präsident des EU-Parlaments. © AFP/PATRICK HERTZOG
Von Ursula Welter · 04.04.2014
Die kulturelle Vielfalt Europas als Opfer von Wirtschaftsinteressen - die Sorge treibt derzeit Schauspieler, Regisseure, Choreografen um. Deshalb hat die französische Kulturministerin Künstler und Politiker versammelt. Ein Appell fordert den "Schutz der Kultur in Europa".
Frankreich an der Seite der Künstler im Kampf um Eigentums- und Urheberrechte. Die junge Ministerin Aurélie Filippetti, die ihren Posten im neuen französischen Kabinett gerade verteidigen konnte, hatte unter der großen Überschrift "Kultur und Europa" ins Theater Chaillot oberhalb des Eiffelturms eingeladen.
"Die Zeit für Europa ist gekommen, die Kultur zu einer zentralen Angelegenheit der Politik zu machen."
Im Saal alle Kulturminister Europas, die zuständige EU-Kommissarin, die Präsidentin der Unesco. Viele Statistiken wurden bemüht, über die Bedeutung des Kultursektors für die europäische Wirtschaft. Vom Reichtum der Theater, der Museen, der Kinoszene war die Rede und davon, dass die wirtschaftliche Krise vielerorts kulturelles Brachland hinterlassen hat.
50 Künstler, viele ihnen im Saal, hatten ihren "Appell von Chaillot" mitgebracht, darunter der griechisch-französische Regisseur Costa-Gavras. Er hatte zuletzt mit seinen Kollegen und an der Seite der französischen Kulturministerin dafür gekämpft, dass die "Sonderstellung der Kultur" aus den transatlantischen Freihandels-Verhandlungen herausgehalten wurde. Jedenfalls bis auf Weiteres.
"Geben wir Europa eine Seele"
Jetzt fordern die Schauspieler, Regisseure, Choreografen von der EU-Kommission ein "vertrauensvolles Miteinander", Transparenz also. Denn die Skepsis bleibt, ob am Ende nicht doch die kulturelle Vielfalt Europas auf dem Tisch der Handelsinteressen geopfert wird. Genährt wurde der Verdacht vom Präsidenten des EU-Parlaments.
"Extreme Wachsamkeit" sei geboten in den laufenden Verhandlungen, sagte Martin Schulz und ließ durchblicken, dass das Europaparlament durchaus "Nein" sagen könnte zum Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa, sollte am Ende die "Exception culturelle" doch missachtet worden sein.
Beunruhigt zeigte sich der Parlamentspräsident auch mit Blick auf die geplante Abschaffung der Buchpreisbindung in Griechenland, auf Druck der Troika: "Wenn sich nur noch Reiche Bücher leisten können – ist das das Europa, das wir wollen?", fragte Martin Schulz - in seiner Eigenschaft als Bürger und Buchhändler, wie er hinzufügte.
"Europa, sagen die Menschen oft, hat keine Seele - geben wir Europa eine Seele, indem wir die Kultur stärken, denn dort befindet sich die Seele Europas." Die anwesenden Minister applaudierten, auch die Künstler, aber sie beschäftigte vor allem die Frage, wie mit ihren Rechten umgegangen wird.
Hoffen auf Unterschriften im Netz
"Nun, ich habe einst folgende Zeilen verfasst": "Thank you for the music“, erinnerte der Komponist und Sänger Björn Ulvaeus, der mit ABBA vor inzwischen 40 Jahren den europäischen Liederwettbewerb gewonnen hatte:
"Die Ironie will es, dass die, für die ich das Lied schrieb, heute nicht mehr "Danke" sagen. Die wollen vielmehr das Urheberrecht, das Copyright loswerden."
Den meisten könne er kaum böse sein, eine ganze, junge Generation aufgewachsen in dem Glauben, alles im Internet sei kostenlos.
Aufklärung in den Schulen, im Unterricht über den Wert geistigen Eigentums, forderte die Choreographin , Blanca Li. Die Unentgeltlichkeit müsse für jeden da enden, wo sie beginne, andere arm zu machen, formulierte der Komponist Jean-Michel Jarre , denn:
"Der kluge Teil im Smartphone, das sind wir, die Kulturschaffenden."
Auch Jean-Michel Jarre hat den Appell zum "Schutz der Kultur in Europa" unterschrieben, der in Paris veröffentlich wurde. Die digitale Welt wird als Chance wahrgenommen, solange die Bedingungen stimmen. "Solange die, die mit kulturellen Inhalten Geld verdienen, für diese Inhalte auch zahlen" und solange "der Kultursektor weiter gefördert wird durch steuerliche Entlastung und politische Unterstützung", schreiben die 50 Kulturschaffenden Europas, die auf viele weitere Unterschriften im Netz hoffen.
"Deshalb, Freunde, macht Krach, stört Eure Nachbarn, es ist in ihrem Interesse."
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