Kulturgeschichte des Dienens

Sklaven, Diener, Servicekräfte

Butler mit Tablett.
Butler mit Tablett: Kann man dienen, ohne Diener zu sein? © imago
Von Frank Schüre · 09.01.2019
Das Dienen verbindet Menschen: Entscheidend ist, ob es unter Zwang oder freiwillig geschieht. Zwar leben wir heute in einer modernen Dienstleistungsgesellschaft, gleichzeitig aber ist die Zahl von Sklaven weltweit höher als jemals zuvor.
Dienen gehört zum Menschsein, soweit die historische Erinnerung reicht. Preußen-König Friedrich II. verstand sich als Diener seines Staates, obwohl er der Herrscher war. Seine Diener wussten allerdings genau, wer wem zu dienen hatte. Freiwillig, unter Zwang, oder als Normalfall in unserer heutigen Dienstleistungsgesellschaft: Dienen verbindet Menschen. Das wird anspruchsvoll, je gleichberechtigter die Beziehungen werden.
Ein Denkmal Friedrich des Großen (1712-1786) - Friedrich II. - in Kloster Zinna
Preußen-König Friedrich sah sich als erster Diener seines Staates.© picture alliance / dpa / Ralf Hirschberger
Mit der Gewalt- und Tugendgeschichte des Dienens beschäftigt sich die Kulturwissenschaftlerin Iris Därmann. Sie weist auf dessen christliche Inhalte hin, in der Form von Diakonie oder Nächstenliebe. "Gleichzeitig wissen wir, dass das Christentum eine Sklaven-Religion ist", sagt sie. "Dass das Christentum es verstanden hat, aus Stärke Schwäche zu machen." Herrschen und Dienen habe man so umgewertet.

Die Sklaverei nach ihrer rechtlichen Abschaffung

Zurzeit arbeitet Iris Därmann an einem Buch über die Geschichte der Sklaverei und der Dienstbarmachung von Menschen seit der Antike. Die heutige Situation mit Formen von Sklaverei ähnlichen Zuständen wie Zwangsprostitution, Kinderarbeit und Organ-Diebstahl fasst sie so zusammen: "Die übertrifft die transatlantische Sklaverei um ein Vielfaches - es gibt eine Sklaverei nach der rechtlichen Abschaffung der Sklaverei."
Eine Frau wartet in einem Bordell auf einen Freier. 
Eine Frau wartet in einem Bordell auf einen Freier: Zwangsprostitution ist eine der Formen moderner Sklaverei.© pa/dpa/Chinafotopress
2017 lebten 40 Millionen Menschen in Sklaverei, mehr als die Hälfte davon in Indien, China, Pakistan, Bangladesch und Usbekistan, so schätzt die UN. Die moderne Sklaverei ist intensiver, extensiver und heterogener als jemals zuvor. Keine einzige Gesellschaft und Kultur hat bislang darauf verzichtet, Menschen mit Gewalt dienstbar zu machen.

Herausfordernde Beziehungen einer Service-Gesellschaft

Bernd Reutemann betrieb bis Ende 2017 am Bodensee ein Hotel. Über eine Kunst des Dienens, ohne Diener zu sein, hat er ein "Service-Kamasutra" geschrieben. "Meine Mitarbeiter wollen keine Diener sein, weil da läufst du gebückt", sagt er.
Eine junge Frau sitzt lächelnd hinter einer dem Tresen einer Hotelrezeption.
Rezeption in einem Hotel: Der Kunde sei kein König, sagt Bernd Reutemann.© picture alliance / PhotoAlto
Wenn eine Mitarbeiterin sechs Sprachen beherrsche und beide chinesischen Dialekte, dann sei sie keine Dienerin, erklärt er: "Die läuft auf die Menschen geradeaus zu, spricht mit ihnen, und macht, was sie tut, gerne und mit Leidenschaft. Aber sie ist kein Diener und der andere ist kein König. Man sollte sich nicht über den anderen stellen, aber auch nicht drunter."

Auch Kunden haben es nicht leicht

Als die Londoner Butler-Schule sich im Jahr 2005 auch für Frauen öffnete, war Zita Langenstein eine der ersten Absolventinnen. Heute ist sie Bildungsleiterin vom Schweizer Verband für das Gastgewerbe.
"Gast, Klient, Patient, Angehörige, Bewohner - das sind ja alles Kunden", sagt sie und fügt hinzu, dass diese fast noch mehr lernen müssten als die Diener. Das falle vielen Menschen, die Dienstleistungen beanspruchen, schwer: "Die Kunden haben es echt anstrengend im Moment. Aber diese Hürde müssen sie noch nehmen, sonst werden sie nie zufrieden."
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