Kulturgeschichte der Beschleunigung
Peter Borscheid zeigt in seiner "Kulturgeschichte der Beschleunigung", welche Verbindung zwischen Tempo und Markt besteht. Seine Grundthese: Es gibt ein wirtschaftliches Interesse, den Raum durch Geschwindigkeit verkleinern zu wollen. Und dies hat zu all den Erfindungen geführt, die eine Zeitersparnis versprechen, mit all ihren hektischen Folgen für unsere Gesellschaft.
Paul Virilio, der Theoretiker der Geschwindigkeit und Erfinder der "Dromologie" (von gr. dromos: Lauf, Läufer), einer Wissenschaft, in der Physik, Ästhetik, Technikgeschichte und Urbanistik zusammengedacht werden, hat die Geschwindigkeit als die "verborgene Seite des Reichtums" bezeichnet. "Es gibt keinen Reichtum, keine Macht ohne Geschwindigkeit."
Wie richtig Virilio mit dieser These liegt, lässt sich jetzt detailliert in Peter Borscheids Kulturgeschichte der Beschleunigung nachlesen, in der der an der Universität Marburg lehrende Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte nachweist, welche Verbindungen zwischen Beschleunigung, Zeit, Raum und Geld bestehen. Ausgehend von der Feststellung: "Die Zeit beginnt zuerst für die Kaufleute zu ticken", zeigt Borscheid, wie zunächst ein merkantiles Interesse daran besteht, den Raum durch Geschwindigkeit verkleinern zu wollen.
In drei Kapiteln verfolgt der Autor - ausgehend vom Spätmittelalter bis in die jüngste Gegenwart - wie sich das Leben durch Dynamisierung verändert hat, wobei er die Zeit zwischen 1450 und 1800 als "Startphase" eines zunehmenden Geschwindigkeitsrausches beschreibt, an die sich die "Beschleunigungsphase" von 1800 bis 1950 anschließt, die schließlich in die "Tempophase" übergeht, die nach 1950 einsetzt.
Im ersten Kapitel seines Buches fragt Borscheid nach dem Einfluss von Erfindungen wie der Räderuhr, der doppelten Buchführung, dem Postwesen und dem Buchdruck auf die Interessen von Kaufleuten. Allein an dieser Fülle von Themen wird deutlich, dass sich der Autor nicht allein auf einen Realitätsaspekt beschränkt, um das Phänomen der Beschleunigung innerhalb des gesellschaftlichen Lebens zu beschreiben, sondern versucht, anhand sehr verschiedener Entdeckungen und Phänomene zu zeigen, wie sich die Spirale der Beschleunigung zunächst langsam und dann immer schneller zu drehen beginnt.
Welche Bedeutung die Geschwindigkeit für die Entwicklung von Feuerwaffen hatte, wie die Dampfkraft die Flüsse eroberte, welche Bedeutung ein funktionierendes Straßensystem für den Handel hat, was der Ausbau eines Eisenbahnnetzes für die Eroberung des Raumes bedeutete, sind nur einige Fragestellungen, denen Borscheid im zweiten Kapitel seiner Kulturgeschichte der Beschleunigung nachgeht. Abgeschlossen wird dieser Überblick über die Auswirkungen der Geschwindigkeit auf das gesellschaftliche Leben im dritten Kapitel mit Verweisen auf die Erfindung des Internets, jenem Medium, das den Eindruck permanenter Anwesenheit suggeriert.
Während Virilio die zunehmende Beschleunigung des Lebens eher skeptisch sieht und zur Verlangsamung und Entschleunigung ermahnt, ist Borscheid eher daran gelegen, die Fakten sprechen zu lassen. Seine Beschreibung einer Reise durch den Raum vermittelt einen Eindruck, dass die zumutbare Geschwindigkeitsgrenze noch längst nicht erreicht ist.
Peter Borscheid: Das Tempo-Virus. Eine Kulturgeschichte der Beschleunigung
Campus Verlag. Frankfurt am Main. 24,90 Euro
Wie richtig Virilio mit dieser These liegt, lässt sich jetzt detailliert in Peter Borscheids Kulturgeschichte der Beschleunigung nachlesen, in der der an der Universität Marburg lehrende Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte nachweist, welche Verbindungen zwischen Beschleunigung, Zeit, Raum und Geld bestehen. Ausgehend von der Feststellung: "Die Zeit beginnt zuerst für die Kaufleute zu ticken", zeigt Borscheid, wie zunächst ein merkantiles Interesse daran besteht, den Raum durch Geschwindigkeit verkleinern zu wollen.
In drei Kapiteln verfolgt der Autor - ausgehend vom Spätmittelalter bis in die jüngste Gegenwart - wie sich das Leben durch Dynamisierung verändert hat, wobei er die Zeit zwischen 1450 und 1800 als "Startphase" eines zunehmenden Geschwindigkeitsrausches beschreibt, an die sich die "Beschleunigungsphase" von 1800 bis 1950 anschließt, die schließlich in die "Tempophase" übergeht, die nach 1950 einsetzt.
Im ersten Kapitel seines Buches fragt Borscheid nach dem Einfluss von Erfindungen wie der Räderuhr, der doppelten Buchführung, dem Postwesen und dem Buchdruck auf die Interessen von Kaufleuten. Allein an dieser Fülle von Themen wird deutlich, dass sich der Autor nicht allein auf einen Realitätsaspekt beschränkt, um das Phänomen der Beschleunigung innerhalb des gesellschaftlichen Lebens zu beschreiben, sondern versucht, anhand sehr verschiedener Entdeckungen und Phänomene zu zeigen, wie sich die Spirale der Beschleunigung zunächst langsam und dann immer schneller zu drehen beginnt.
Welche Bedeutung die Geschwindigkeit für die Entwicklung von Feuerwaffen hatte, wie die Dampfkraft die Flüsse eroberte, welche Bedeutung ein funktionierendes Straßensystem für den Handel hat, was der Ausbau eines Eisenbahnnetzes für die Eroberung des Raumes bedeutete, sind nur einige Fragestellungen, denen Borscheid im zweiten Kapitel seiner Kulturgeschichte der Beschleunigung nachgeht. Abgeschlossen wird dieser Überblick über die Auswirkungen der Geschwindigkeit auf das gesellschaftliche Leben im dritten Kapitel mit Verweisen auf die Erfindung des Internets, jenem Medium, das den Eindruck permanenter Anwesenheit suggeriert.
Während Virilio die zunehmende Beschleunigung des Lebens eher skeptisch sieht und zur Verlangsamung und Entschleunigung ermahnt, ist Borscheid eher daran gelegen, die Fakten sprechen zu lassen. Seine Beschreibung einer Reise durch den Raum vermittelt einen Eindruck, dass die zumutbare Geschwindigkeitsgrenze noch längst nicht erreicht ist.
Peter Borscheid: Das Tempo-Virus. Eine Kulturgeschichte der Beschleunigung
Campus Verlag. Frankfurt am Main. 24,90 Euro