Kulturdeal zwischen Aserbaidschan und dem Vatikan

Von Thomas Migge · 26.06.2012
Aserbaidschan ist seit einiger Zeit als Sponsor in Italien präsent. Vom Geldsegen aus der dortigen Erdölproduktion profitiert jetzt auch der Heilige Stuhl. Er will mit Hilfe des Regimes in Baku eine der schönsten Katakomben in Rom restaurieren. Daran gibt es Kritik.
Beim Eurovision Song Contest präsentierte sich Baku als moderne Stadt: Viel zeitgenössische Architektur, herausgeputzte Prachtstraßen, von Armut keine Spur. Man wollte der Welt zeigen, dass Aserbaidschan dank der nationalen Erdölproduktion und einer volksnahen Regierung eine Art Himmel auf Erden ist.

Doch wer es sehen wollte, sah auch das: Demonstrationen von Gegnern des Regimes von Ilham Aleyev wurden auseinandergetrieben, ihre Teilnehmer verprügelt oder verhaftet. Das war das hässliche Gesicht eines demokratiefeindlichen Staates, der, um sein Image aufzumöbeln, viel Geld investiert.

Seit einiger Zeit ist das Aleyev-Regime als Sponsor vor allem in Italien präsent. Musikakademien wie die Accademia di Santa Cecilia in Rom, das Opernhaus der Hauptstadt sowie Ausstellungen werden von Baku mitfinanziert. Von diesem Geldsegen profitiert jetzt auch der Heilige Stuhl, der Vatikan.

Roms Südosten. An der Via Casilina. Eine stark befahrene Straße. Touristen verirren sich nicht hierher. Hinter einer unscheinbaren Stahltür führt eine Treppe in die "Catacombe dei SS. Marcellino e Pietro". Sie wurde nach zwei frühchristlichen Heiligen benannt, die hier beigesetzt worden sein sollen.

Durch einen Gang erreicht man das ausgedehnte Katakombensystem - rund 18.000 Quadratmeter groß. Die labyrinthisch verschlungenen Gänge, die engen Grabnischen und ausgedehnten Grabstätten wohlhabender Frühchristen unterstehen dem päpstlichen Institut für Archäologie. Einer der für die Katakombe zuständigen Archäologen ist Fabrizio Bisconti.

"Die archäologischen Informationen über diese Grabstätte erlauben es uns, sie als die schönste von allen Katakomben Roms zu bezeichnen. Ganze Gräber sind im Malstil des 3. Jahrhunderts ausgemalt. Mit Dekorationselementen, mit christlichen Symbolen und Heiligenbildern. Sicherlich ist das eine der faszinierendsten Grabstätten Roms."

Nächstes Jahr begeht der Vatikan das 1700-jährige Bestehen des Toleranzedikts von Kaiser Konstantin. Damit wurde den Christen ganz offiziell die Ausübung ihres Glaubens erlaubt. Um dieses Datum zu feiern, will der Kirchenstaat seine schönste Katakombe allen Besuchern zugänglich machen. Dafür muss die unterirdische Grabstätte komplett restauriert und gesichert werden. Mehriban Aliyeva übernimmt großzügig die Kosten dafür. Sie ist die First Lady von Aserbaidschan und Präsidentin der nach ihr benannten Aliyev-Stiftung. Mehriban Aliyeva unterzeichnete in diesen Tagen gemeinsam mit dem vatikanischen Kulturminister Kardinal Gianfranco Ravasi das Finanzierungsabkommen für die Katakombe. Zum ersten Mal überhaupt lässt sich der Kirchenstaat von einem muslimischen Staat sponsern. Ein absolutes Novum, frohlockt Archäologe Fabrizio Bisconti:

"Klar, dass angesichts unseres historischen Interesses an diesen Katakomben und der hohen Ausgaben, die wir haben, das Geld von jeder Seite willkommen ist. Wir haben hier keine Vorurteile."

Doch es gibt auch Kritik. Vor allem von italienischen Archäologen und Bürgerrechtlern.
Darf der Vatikan das Geld eines Staates wie Aserbaidschan akzeptieren, der alles andere als eine Demokratie ist? Ist Sponsorengeld aus Baku nicht schmutziges Geld? Auf Fragen zu diesem Thema kommt aus dem Kirchenstaat keine Reaktion. Auch Archäologe Bisconti schweigt zu diesem Thema. Ein kurioses Schweigen, meint der Journalist und Vatikanexperte Piero Mancini:

"Am Auffälligsten ist doch die Tatsache, dass der Vatikan seine Kultursponsoren immer sorgfältig auswählt. Zum Beispiel für die kostspielige Reinigung der Kolonnaden des Bernini am Petersplatz. Bei der Auswahl dieses Staates als Kultursponsor legt man anscheinend keine so strengen Maßstäbe an."

Aserbaidschan geht es um ein besseres Image und dem Vatikan um Geld für seine Kulturgüter. Ein Kulturdeal also, nicht mehr und nicht weniger, um den man, so ein Mitarbeiter aus dem vatikanischen Staatssekretariat, der namentlich nicht genannt werden will, nicht zu viele Worte machen sollte, denn schließlich, fügt er hinzu, gehe es doch um eine gute Tat, nämlich darum, eine wunderschöne Katakombe für alle zugänglich zu machen.