Kultur und knappe Kassen in Frankreich

Von Ursula Welter · 16.10.2012
Auf Betreiben der Sozialisten hat das Parlament in Frankreich drastische Kürzungen im Kulturetat beschlossen - eine Vermögenssteuer auf Kunstobjekte wurde aber abgewendet. Die französische Kunstszene ist empört.
"Ja, das ist völlig lächerlich, das ist völlig absurd."

Anselm Kiefer, und nicht nur er, empört sich über die jüngsten Sparbeschlüsse in seiner Wahlheimat Frankreich.

Die "Monumenta", die vermutlich populärste Kunstausstellung, steht zur Debatte, die Ausgabe 2013 wird verschoben, es trifft das russische Künstlerpaar Emilia und Ilja Kabakov. Ob es am Ende der Debatte die "Monumenta" noch gibt, ist offen.

Der Haushalt 2013, mit dem sich seit heute das französische Parament befasst, sieht drei Prozent weniger für den Kulturetat vor. Deutlich mehr als 30 Milliarden Euro musste der sozialistische Staatspräsident aufbringen, zwei Drittel durch Steuererhöhungen, ein Drittel durch Einsparungen. Auch im Ressort Kultur.

Das Museum der Fotografie, das Haus der Geschichte, zusätzliche Lagerflächen für die großen Museen Louvre, Musee d’Orsay und Centre Pompidou, ein prähistorisches Museum für die Grotte von Lascaux, all das steht auf der Streichliste. Und manches mehr.

"Früher war Frankreich mal, zu Zeiten Mitterrands, und noch davor, da haben alle nach dem 'Pompidou' geschielt, die hatten einen irrsinnigen Ankaufsetat, das war nirgends in Europa so hoch, und jetzt machen die alles tabula rasa."

Anselm Kiefer spielt auf die "Monumenta" an. Sein Galerist, Thaddaeus Ropac, der gerade in der Banlieue von Paris mit Werken von Kiefer und Beuys eine große, neue Ausstellungsfläche eingeweiht hat, hofft

"dass das Klima einer künstlerischen Vielfalt und einer Förderung dieser Vielfalt, dass das nicht unterbrochen wird."

Die konkreten Sparbeschlüsse der Kulturministerin waren noch vergleichsweise milde in der Öffentlichkeit aufgenommen worden. Deutlich lauter wurde der Protest, als der sozialistische Abgeordnete Christian Eckert im Finanzausschuss einen Antrag durchbrachte, der es bis ins Parlament schaffte. Kunstgegenstände im Wert von mehr als 50.000 Euro wollte Eckert, und mit ihm der Finanzausschuss, in die Vermögenssteuer einbeziehen. Schließlich hatte der Staatspräsident die Devise ausgegeben, die Wohlhabenden müssten die Hauptlast des Schuldenabbaus tragen. "Das ist ein ausgewogener Vorschlag, das ist keine Rebellion", verteidigte sich der Sozialist.

Künstler, Galerien, Museen – sie alle läuteten die Alarmglocken, als der Vorschlag auf den Tisch kam. Die Chefs der großen Einrichtungen Bibliotheque Nationale, Centre Pompidou, Grand Palais, Louvre, Schloss von Versailles, der Mussen Orsay und Branly, taten sich zusammen und verfassten einen gemeinsamen Aufruf, namhafte Sozialisten, Parteifreunde des eifrigen Abgeordneten Eckert, schlossen sich dem Hilferuf an:

Die privaten Sammler im Land dürften nicht entmutigt werden, die Museen seien auf sie angewiesen, schrieben die Damen und Herren aus Kultur und Politik. Der nationale, der kulturelle Reichtum Frankreichs stehe auf dem Spiel.

Der konservative Abgeordnete Pierre Cornette, selbst Sammler und Auktionator, hatte es weniger höflich ausgedrückt. Die Idee sei idiotisch, sagt Cornette, und:

"Was sind denn diese Kunstwerke, der antike Tisch im Esszimmer, soll der auch besteuert werden? Das ist doch stupide, damit treiben wir die Kunst aus dem Land."

Der Premierminister versuchte, sie alle zu beruhigen und pfiff die eigenen Leute zurück: Die Kunstobjekte werden nicht in die Vermögenssteuer einbezogen, erklärte Jean-Marc Ayrault heute früh, da hatten die Zeitungen noch ihre Zweifel. Zwar sprach sich auch die Kulturministerin, Filipetti, gegen den Vorschlag aus, aber früher galt sie als Befürworter der Vermögenssteuer auf Kunstobjekte, das Gleiche gilt für den Budgetminister, und manch anderes Regierungsmitglied, so bleibe ein Schatten des Zweifels, trotz der Klarstellung des Premiers.

Seit 30 Jahren gibt es die sogenannte solidarische Abgabe, die Vermögenssteuer. Kunstgegenstände wurden davon ausgenommen, es galt das Prinzip der "Exeption culturelle", hinter das allerdings immer wieder mal ein Fragezeichen gemacht wurde, in Zeiten leerer Kassen:

"Die Debatte gab es immer schon , die gab es auch unter der konservativen Regierung", sagt Galerist Thaddaeus Robac, "sie hat sich bis heute nie durchgesetzt. Ich denke, da wird jetzt noch einiges Wasser der Seine entlangfließen, denn das würde der Kunstszene enorm schaden."

Vermögenssteuer auf Kunstobjekte, schlechtere Abschreibbedingungen für Mäzenaten – nahezu jede Woche muss sich Frankreichs Kulturszene mit neuen Sparvorschlägen befassen. Auch, wenn dieser Ideenreichtum von höchster Stelle jeweils gebremst wird, die Diskussionen hinterlassen Spuren, heißt es in Paris.

Manche Museen sagen es konkreter, schreibt die Zeitung "Libération". Schloss Versailles gehe davon aus, dass ein Drittel der Investitionssumme für 2013 fehle, und das Centre Pompidou denke über einen abgespeckten Ausstellungskalender nach.