Kultur und Kapital

Niedrigzinsen treffen Stiftungen hart

Schloss Benrath bei Düsseldorf
Finanzielle Einbußen wurden auf Schloss Benrath bei Düsseldorf bisher durch Einsparungen ausgeglichen. © imago/McPHOTO
Von Martin Rapp · 20.07.2015
Zunehmend werden kulturelle Einrichtungen durch Stiftungen finanziert. Die sollen wie ein finanzielles Perpetuum Mobile funktionieren: Das einmal eingezahlte Kapital bleibt ewig erhalten und wirft jedes Jahr Zinsen ab. Was aber, wenn die Zinsquelle versiegt?
Es ist heiß an diesem Sommernachmittag im Schlosspark Benrath. In den Bäumen zwitschern Vögel, die Wasserspiele rauschen. Rund zehn Kilometer vom Düsseldorfer Stadtzentrum erstreckt sich eine 60 Hektar große Idylle bis zum Rheinufer. Die barocke Lustschlossanlage besteht aus einem rosafarbenen Gebäudeensemble, das sich im Halbrund um den Schlossweiher mit Fontäne gruppiert. Ein herausragendes Beispiel für die adeligen Landsitze jener Epoche. Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz hatte nicht viel von dem 1773 fertiggestellten Schloss. Einmal fand hier eine Jagd statt, aber die meiste Zeit stand das Gebäude leer.
"Man kann hier also keine bewohnten Betten, wo Sissi aus dem Bett aufgestanden ist, erwarten, sondern es ist ein relativ leeres Gebäude. Es gibt natürlich gewisse historische und antike Möbel, die man noch sehen kann, aber es ist ein fertiggestellter Bau, der dann quasi nie benutzt wurde."
Vielleicht kämen mehr Menschen ins Schloss und besuchten die Museen für Naturkunde und für Gartenkunst, wenn Prominenz wie Sissi hier ab und zu übernachtet hätte. Dann hätte Nicolas Maas weniger Probleme. Er ist kaufmännischer Vorstand der Stiftung, die Schloss und Park betreibt. Sie wurde von der Stadt Düsseldorf, dem Land Nordrhein-Westfalen, Unternehmen und Privatpersonen im Jahr 2000 gegründet und mit rund sieben Millionen Euro ausgestattet. Vor 15 Jahren ging man davon aus, dass damit die kunsthistorisch wertvolle Anlage erhalten und betrieben werden könnte.
"Bei einer angenommen Verzinsung von sechs Prozent mag das auch hinhauen. Dann kam die große Wirtschaftskrise, das heißt man hatte nicht mehr sechs Prozent Zinsen, man hatte irgendwann nur noch drei Prozent Zinsen, dann hatte man noch weniger Zinsen. Das heißt, irgendwann kann man aus den Erträgnissen nicht mehr leben."
Kaum noch Rendite
Für Benrath bedeutet das: Die jährlichen Kapitalerträge liegen mittlerweile rund 200.000 Euro unter dem gewohnten Maß.
Die Geldpolitik der Notenbanken hat dazu geführt, dass sichere Anlagen wie etwa Schuldverschreibungen des deutschen Staates kaum noch Rendite bringen. Dort legen aber viele der rund 2.500 kulturfördernden deutschen Stiftungen ihr Geld traditionell an. Die großen Institutionen mit einem gutgehenden Unternehmen im Rücken können das verschmerzen. Ihre Erträge steigen durch Anlagen in Immobilien und Aktien sogar, erklärt Michael Göring, der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands Deutscher Stiftungen. Die niedrigen Zinsen treffen vor allem die Kleinen.
"Die einst mit 100.000 D-Mark gegründet wurden und damals dann 6.000 D-Mark an Erträgen hatten und heute von diesen 100.000 D-Mark, ja, vielleicht noch 500 Euro erzielen."
Mit weniger Geld lässt sich weniger fördern. Stipendien können nicht gewährt werden, Preise werden ausgesetzt, Projekte sind in Gefahr – wenn das Minus nicht auf anderen Wegen ausgeglichen wird.
"Diese kleinen Stiftungen versuchen sich zu helfen, indem der Stifter oder die Stifterin in die eigene Stiftung eine Spende geben, das ist sehr oft der Fall. Oder indem sie versuchen, andere für ihre Stiftung zu erwärmen, also Fundraising zu betreiben. Oder indem sie versuchen, Kooperationen einzugehen mit anderen Stiftungen, oftmals mit größeren Stiftungen."
Einbußen und Einsparungen in Benrath
In Benrath versucht es Nicolas Maas aus eigener Kraft. Die finanziellen Einbußen wurden bislang durch Einsparungen und höhere Umsätze ausgeglichen. Gebäude werden untervermietet, Hochzeiten werden im Schloss gefeiert und im Programm finden populärere Veranstaltungen Platz.
"Wir bieten nicht mehr nur wissenschaftliche Symposien oder Ausstellungen an, sondern gehen auch zu Veranstaltungen, die eine breite Besucherschicht ansprechen. Es gibt bei uns ein Barockfest im Sommer, wo man den ganzen Tag Artisten, Akrobaten oder sonstige Veranstaltungspunkte erleben kann. Sowas kommt natürlich sehr gut an."
Bei der Programmplanung soll dabei der Spagat zwischen inhaltlichem Anspruch und Popularität gelingen:
"Das ist auch der Grund, warum wir sehr viel quersubventionieren. Das heißt, die Programme, die wir aus inhaltlicher, aus wissenschaftlicher Sicht bevorzugen, machen wir auch weiter, versuchen’s zumindest. Bisher klappt das auch immer, aber es klappt vor allen Dingen dadurch, weil wir natürlich andere Programmpunkte haben, die uns die Finanzierung erleichtern."
Auch beim Stiftungsverband hat man keine Bedenken, dass das Schielen aufs Publikum das kulturelle Niveau verwässert. Ein inhaltliches Problem durch die Unterstützung von Sponsoren sieht Michael Göring ebenfalls nicht:
"Diese Sachen, die ab und zu kolportiert werden, dass ein Unternehmen dann Einfluss nehmen will auf eine Stiftungsprofessur im Wissenschaftsbereich oder auf ein Ausstellungsprogramm im Kunstbereich, das ist nicht der Fall. Und es schadet auch einem jungen 25-jährigen, der mit Hilfe einer Kulturstiftung an die Juilliard School gehen kann, nicht, wenn man dann sagt: Dieses Stipendium wurde mit Mitteln der Firma ´So und so` eingeworben."
Dass die Zinsen bald wieder steigen, glaubt kaum jemand. Der Druck auf die Stiftungen wird bis dahin wohl noch zunehmen: Noch haben sie ein paar gutverzinste Wertpapiere. Aber auch die laufen irgendwann ab.