Kultur hat Konjunktur

Von Margarete Limberg |
Nach einer von der EU-Kommission initiierten Studie hat die Kulturwirtschaft im Jahr 2003 5,8 Millionen Menschen beschäftigt. Sie erwirtschaftete einen Umsatz von 654 Milliarden Euro und brachte es auf einen Anteil am europäischen Bruttoinlandsprodukt von 2,6 Prozent.
Der Begriff Kulturwirtschaft geht den Politikern inzwischen flott von den Lippen. Das Thema hat, so scheint es, Konjunktur. Die Zahlen sind beeindruckend: Laut einer von der EU-Kommission initiierten Studie beschäftigte die Kulturwirtschaft im Jahr 2003 5,8 Millionen Menschen, sie erwirtschaftete einen Umsatz von 654 Milliarden Euro und brachte es auf einen Anteil am europäischen Bruttoinlandsprodukt von 2,6 Prozent.

Das ist vergleichbar mit der Automobilbranche und sehr viel mehr als die Nahrungsmittel - und Getränkewirtschaft aufbringt. Die Kulturwirtschaft, so der Leiter der Kulturabteilung im Auswärtigen Amt, Wilfried Grolig, sei eines der Schwungräder der europäischen Wirtschaft, das Arbeitsplätze schafft und als Innovationsmotor wirkt:

Grolig: "Es liegt etwas in der Luft in Europa. Und was in der Luft liegt, das ist die Dimension Kultur. Und es bedarf jetzt konkreter politischer Aktion, um das was in der Luft liegt, auch zum Auskristallisieren zu bringen."

An der Bedeutung der Kulturwirtschaft gibt es keinen Zweifel. Und dennoch kommt Joachim Geppert, dessen MKW Wirtschaftsforschung GmbH an der EU-Studie beteiligt war, zu dem ernüchternden Fazit…

" … dass die Kulturwirtschaft jedenfalls für eine breite Öffentlichkeit ein Mauerblümchendasein führt. Darüber hinaus haben wir auch festgestellt, dass sie in der EU keine erfolgreiche Lobby hat, und - was besonders schlimm ist für uns selber – , die Kulturwirtschaft haben wir empfunden als closed shop."

Dass noch viel zu tun ist, räumt auch der Vorsitzende des Kulturausschusses im Bundestag, Hans Joachim Otto ein:

"Wir müssen abseits der Kulturwirtschaftsberichte und Statistiken vor allem in den Köpfen der Entscheidungsträger in den Kommunen und auch in den Ländern die Erkenntnis verankern, dass die Kulturwirtschaft nicht nur eine Wachstumsbranche mit vielen interessanten Arbeitsplätzen ist. Die Tatsache, dass die ökonomische Vernunft für verstärkte Investitionen in die Kulturwirtschaft spricht, ist die eine Seite. Genau so wichtig ist das Bewusstsein, dass es sich bei der Kulturwirtschaft um eine Branche mit speziellem Mehrwert handelt, um eine Branche, die das große kreative Potenzial in Europa für alle Menschen nutzbar macht."

Solange man aber selbst in der Bundesrepublik nicht in der Lage ist, einen einheitlichen Kulturwirtschaftsbericht vorzulegen, dafür aber 10 der 16 Länder jeweils einen eigenen mit jeweils unterschiedlichen Kriterien, kann man sich schlecht über die EU erregen. Zumal die Definition dessen, was zur Kulturwirtschaft gehört, höchst unterschiedlich ausfällt, mal gehört der Sport dazu , mal nicht, hier wird die Werbung dazu gerechnet, dort nicht, in der Bundesrepublik zählt die staatlich subventionierte Kultur nicht dazu, in Polen ist das sehr wohl der Fall. Kulturwirtschaftsexperte Geppert fordert deshalb ein European Cultural Network:

"Und es wäre mehr als sinnvoll, dafür auch Geld zur Verfügung zu stellen. Wir haben den Fonds Picasso genannt. Ich würde mich freuen, ich könnte in fünf Jahren hier stehen und wüsste, es würde einen funktionierenden Kulturfonds in der EU geben, der von allen anerkannt ist."

Ein Blick in die USA könnte vielleicht nützlich sein.

Geppert: "In den USA gibt es Americans for the Arts, die machen drei Dinge jährlich. Die erstellen einen Kulturwirtschaftsbericht für alle Bundesstaaten. Dort können sie einheitlich nachlesen nach einer übereinstimmenden Definition, wie viele Beschäftigte, wie viele Betriebe, wie viele Umsätze erzielt werden. Die gehen sogar noch einen Schritt weiter und sind mutig. Die mach sogar ein Ranking , also eine Rangfolge der einzelnen Bundesstaaten untereinander, was ich mir hier für die Bundesrepublik überhaupt nicht vorstellen könnte, wenn es heißen würde, der Oststaat, der Weststaat steht an Nummer drei, Nummer sieben oder am Ende."

In Europa hat er bisher kein vergleichbares Modell gefunden.