Kultur des Miteinanders

Von Gregor Ziolkowski |
Die Herrschaft der Araber über Teile Spaniens dauerte gut 700 Jahre. Erst im 15. Jahrhundert wurde sie beendet. Die Ausstellung "Welten des Islam" knüpft an diese Zeit an und präsentiert 190 Kunstwerke aus der arabischen Welt.
Eines der eindrucksvollsten Stücke dieser Ausstellung misst nur 13,5 cm im Durchmesser, ist aus einer Kupferlegierung mit feinsten Niello-Verzierungen und -Inschriften gearbeitet und stammt aus dem 14. Jahrhundert. Es ist ein Astrolabium, ein astronomisches Winkelmessgerät. Sein kunsthistorischer Wert ist das eine, aber folgt man den Worten von Luis Monreal, Generaldirektor des Aga Khan Trust for Culture, enthält dieses Stück so etwas wie die Seele dieser Ausstellung.

"Dieses Astrolabium ist sehr wahrscheinlich in Toledo hergestellt worden, und es ist nicht nur ein einzigartiges Objekt, sondern es enthält auch einen Abglanz von drei Kulturen. Denn auf ihm finden sich Inschriften auf Arabisch, Hebräisch und Latein. Und wenn wir in dieser Ausstellung nach Zeugnissen des Zusammenlebens, der Multikulturalität suchen, dann ist dies ein außergewöhnliches Beispiel."

"Welten des Islam" – das ist nicht weniger als ein Versuch, in unserer heutigen Welt der politischen und kulturellen Konfrontation zwischen Islam und westlicher Hemisphäre an solche alten Traditionen und Formen des Austauschs, des Miteinanders, anzuknüpfen. Ein Schwerpunkt der Ausstellung bezieht sich auf die iberische Phase dieser Vermischung: im sogenannten Mudéjar-Stil verzierte Holzbalken, eine Lampe aus der Omaijaden-Epoche in Al-Andalus, ein korinthisches Säulenkapitell mit deutlich arabischem Einfluss aus derselben Zeit. Aber es geht auch über die Erdteile hinweg, was ein wichtiger Grundzug dieser Ausstellung ist. Allein die gut bestückte Abteilung mit grafisch und ornamental opulent ausgestatteten Koranausgaben oder -blättern schlägt einen weiten Bogen. In kufischer Goldschrift aus dem Iran oder Nordafrika, Ausgaben aus Al-Andalus oder dem Ägypten der Mamelukken, aus dem Ottomanischen Reich, Indien oder Indonesien – eine immense Vielfalt der Eigenheiten breitet sich in diesen Exemplaren aus. Es geht in der Ausstellung um genau diesen Effekt: den Islam als eine undogmatische, tolerante Religion zu präsentieren, die in ihren Kunstausprägungen als Bindeglied zwischen den Kulturen fungiert hat.

"Hier sehen wir etwa Porzellanteller aus China, die für die muslimische Welt produziert wurden. Das zeigt, dass diese Welten im Mittelalter wie kommunizierende Röhren funktioniert haben. Das waren keine hermetisch abgeschlossenen Welten, sie hatten Kontakt, der etwa zwischen Europa und China die muslimische Welt als wichtigen Mittler hatte."

Die hier gezeigten 190 Arbeiten repräsentieren nur einen kleinen Teil der seit mehr als 20 Jahren entstehenden Kunstsammlung des Aga Khan. Insgesamt umfasst sie rund 650 Arbeiten auf Papier und weitere 1000 andere Objekte. Demnächst soll im kanadischen Toronto ein eigenes Museum für diese Sammlung gebaut werden, im Jahr 2011 soll der funktional gestaltete Bau eröffnen. Auch hier ist die Botschaft keine andere als die der Ausstellung.

"Es wird ein Museum mit dem Ziel, das Erscheinungsbild eines offenen, kulturvollen und pluralen Islam auf beiden Seiten der kanadisch-amerikanischen Grenze zu verbreiten. Die Wahl Torontos war in diesem Sinn sehr einfach: Nur eine Flugstunde von Toronto entfernt leben 70 Millionen Menschen. Und das ist das potenzielle Publikum, das wir dann mit unseren Ausstellungen erreichen wollen."

Natürlich kann es weder eine solche Ausstellung noch ein künftiges Museum leisten, all jene Gewaltbereiten, die sich leider auch auf den Islam berufen, zu einer Umkehr zu bewegen. Die Kunst kann aber einladen, im besten Fall dazu verführen, den Blick auf das scheinbar so Fremde zu weiten, Toleranzen und Verständigung zu befördern. Womöglich sogar unter den eigenen Glaubensbrüdern.