Kultautor Jörg Fauser

Von der Neuen Rechten zwangsumarmt

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Der Autor Jörg Fauser während der Buchmesse 1985 in Frankfurt / Main mit großer Brille und Zigarette im Mundwinkel auf eine Schwarz-Weiß-Aufnahme.
Kultautor Jörg Fauser im Jahr 1985 – gegen die aktuelle Vereinnahmung von rechts hätte er sich bestimmt mit guten Argumenten gewehrt, meint Katja Kullmann. © imago / teutopress
Katja Kullmann im Gespräch mit Timo Grampes · 16.07.2019
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Rebell, antiklassistischer Unterschichtsautor, Macho - in der Rezeption der Nachwelt hat der Schriftsteller Jörg Fauser viele Gesichter. Jetzt wird der Kultautor der 80er-Jahre von der Neuen Rechten vereinnahmt, sagt die Journalistin Katja Kullmann.
"Sie gehören hier nicht hin!" So wie Marcel Reich-Ranicki 1984 beim Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt reagierten viele Literaturkritiker auf den Schriftsteller Jörg Fauser, der am 16. Juli 2019 75 Jahre alt geworden wäre. Den Kultautor der 80er-Jahre, der mit Romanen wie "Rohstoff" oder "Der Schneemann" eine Underground-Berühmtheit geworden war - und dessen Leben und Sterben genauso wild, unangepasst und rebellisch war wie seine Literatur: In der Nacht nach seinem 43. Geburtstag 1987 war Fauser, vermutlich betrunken, zu Fuß auf der Autobahn A94 unterwegs und wurde von einem Lastwagen überfahren.

Als Urahn der Popliteratur gefeiert

Nach seinem Tod wurde Fauser zum Mythos und zum vielgelesenen Autor, dessen Werk eine wechselhafte Rezeptionsgeschichte erlebt: "Je nachdem, wie unsere Gesellschaft gerade aufgestellt ist, was uns heute bewegt, werden Fragen an Jörg Fauser gestellt", sagt die Autorin und Journalistin Katja Kullmann.
"Zum Beispiel Anfang der Nullerjahre, als das Wort Popliteratur so ein bisschen ein Marketing-Begriff war, auch Benjamin von Stuckrad-Barre Fauser gerade wiederentdeckte", erklärt Kullmann. "Da wurde er eben als Urahn der Popliteratur gefeiert, weil er zum Beispiel mit Songtexten und mit vielen Zitaten aus der Werbeindustrie und der Politik arbeitete."
Eine weitere Renaissance erlebte Fauser dann anlässlich seines Geburtstages 2009, da wäre er 65 Jahre alt geworden. "Da war dann Deutschland als Hartz-IV-Republik zu sich selbst gekommen", so Kullmann. "Die 'Bild'-Zeitung benutzte das Wort Sozialschmarotzer, und auf einmal schrieben sehr viele Leute auch wieder über Fauser. Und vor allen Dingen über seinen Blick auf Abgehängte, Arbeitslose, Dealer, Leute in der Gosse."
Zu Fausers 70. Geburtstag 2014 fielen dann erste Schatten auf das Bild des Autors:
"Da war gerade so ein bisschen der digitale Feminismus, Genderdebatten nahmen neue Fahrt auf, und auf einmal wurde ganz stark nochmal in Frage gestellt, inwieweit Fauser eigentlich ein Macker war, ein Sexist vielleicht sogar in seiner Zeit", sagt die Autorin.
Und auch jetzt gebe es wieder einen neuen Dreh in der Fauser-Rezeption. Denn der Autor werde von der Neuen Rechten entdeckt:
"Es gibt zum Beispiel das rechtsnationale Blatt, die 'Junge Freiheit', die gerade sehr stark Fauser loben für sein vermeintliches Rebellentum, sein Dissidententum", sagt Kullmann.

Fauser hätte sich gegen die Vereinnahmung gewehrt

Tatsächlich ließen sich bei Fauser gewisse Anknüpfungspunkte finden in dem Sinne, dass dieser etwa recht fasziniert von Ernst Jünger gewesen sei. "Und Fauser hat auch Begriffe wie Gesinnungsdiktatur oder Kulturkampf in seiner Zeit, in seinen politischen Essays und Kommentaren verwendet. Das sind alles Wörter, die heute zum Beispiel die Identitären in einer ganz anderen politischen Schlagrichtung benutzen", sagt Kullmann.
"In diesem neurechten Diskurs und wer vereinnahmt welche Helden für sich, unterliegt Fauser gerade einer Zwangsumarmung von dieser Seite, gegen die er sich, ich denke, sicherlich gewehrt hätte mit guten Argumenten."
(uko)
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