Künstlerprotest vor Wirtschaftsministerkonferenz

Vom Staat gibt's oft nur ein "Mini-Bisschen"

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Musiker in Warnwesten und mit Mundschutz demonstrieren mit löchrigen Schirmen und Musik auf einer Bühne im Freien.
"Wir sind ja nicht arbeitslos": Protestkonzert unter zerfetzten Regenschirmen vor dem Mainzer Landtag. © Anke Petermann
Von Anke Petermann · 24.06.2020
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Mit löchrigen Schirmen und Musik haben frei schaffende Künstler stundenlang vor dem Mainzer Landtag demonstriert. Vereinfacht Hartz IV bis Ende September - das reicht ihnen nicht. Besonders die Musiker brauchen mehr Unterstützung.
Cordelia Buch ist frei schaffende Musikerin. "Ich habe Schüler, die ich unterrichte, wenn ich nicht gerade auf einer Demo spiele", erklärt sie, "aber sonst bin ich frei schaffende Cellistin, die in Orchestern bei Veranstaltungen sozusagen auf Abruf spielt." Das sei das, was sie zurzeit nicht könne. "Der Bedarf bei den Orchestern ist nicht da. Weil die in kleinen Besetzungen mit viel Abstand spielen müssen." Dann werde sie nicht gebraucht. "Und dann kriege ich nicht viel Geld. Weil ich nur Geld kriege, wenn ich spiele."

Ein Hartz IV-Antrag und sonst nichts

Mehr als die Hälfte ihrer Aufträge sei weggebrochen, bilanziert die Mainzer Cellistin Cordelia Buch. Finanziellen Ausgleich habe sie nur über die Investitions- und Strukturbank bekommen. "Das Mini-Bisschen, was ich an Betriebsausgaben habe, also eine Raummiete und klitzekleine Kleinigkeiten, habe ich gekriegt. Das waren 700 Euro für drei Monate. Aber von der Politik außer dem Hartz IV-Antrag nichts, also von der öffentlichen Hand nichts."
Buchs dringlichster Wunsch ist, wieder ohne Einschränkungen mit dem Cellospielen Geld verdienen zu können. "Aber", so ihre Botschaft an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und dessen Ressortkollegen in den Ländern, "bis das wieder möglich ist, wäre das super, wenn man einen Unternehmerlohn hätte. Bei dem man im Monat einen Ausgleich kriegt für das, was man nicht machen darf."

Keine Mittel für den Unternehmerlohn

"Unternehmerlohn statt Hartz IV" steht auf Plakaten. Die Gewerkschaft Verdi hat sie an die Bühne vorm Mainzer Abgeordnetenhaus geklebt. Giorgina Kazungu-Hass, Kulturexpertin der SPD-Regierungsfraktion, kann die Forderung nachvollziehen, sagt aber: "Das Land Rheinland-Pfalz hat nicht die Mittel, um dauerhaft einen Unternehmerlohn zu sichern."
Stattdessen bietet das Kulturministerium des Landes Arbeits- oder Projekt-Stipendien für Künstler, steuerfrei und nicht anzurechnen auf die Grundsicherung. Das erläutert Kazungu-Hass, während ein Schlagzeugquartett die Protest-Bühne betreten hat: "Da haben jetzt auch schon viele einen Antrag gestellt. Der wurde sehr fix genehmigt, das sind wenigstens 2000 Euro pro Person, die jetzt möglich sind."
"Eine gute Sache", findet Andreas Kubitzki. Der freie Schlagzeuger und Verdi-Gewerkschafter hat im Demo-Quartett getrommelt. "Da wir Ausfälle seit März haben, sind die 2000 Euro auch weg."
"Manko ist", so Kubitzki, "dass das Projektstipendium nur für Einzelpersonen zählt. Ensembles werden zwar auch bezuschusst, kriegen aber das gleiche wie eine Person."

Baden-Württemberg als Vorbild?

Das CDU-geführte Wirtschaftsministerium von Baden-Württemberg hat das Soforthilfe-Programm des Bundes in ein Landesprogramm integriert und dabei klargestellt, dass soloselbstständige Künstler Kosten des privaten Lebensunterhalts in Höhe von 1180 Euro pro Monat geltend machen können.
Das könnte ein Vorbild für andere Länder sein, findet Michael Holdinghausen, bei Verdi Rheinland-Pfalz für Kunst zuständig. Vorausgesetzt, der Bundeswirtschaftsminister von der CDU akzeptiert, wie seine Stuttgarter Parteifreundin und Ressortkollegin die Fördermaßnahme interpretiert hat.
Holdinghausen sagt: "1180 Euro: Wenn das Bestand hätte in Baden-Württemberg und sich auch als rechtens erweist – Altmaier bestreitet das - dann wäre das ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn das für das Bundesprogramm anrechenbar wäre, dann könnte ich mir vorstellen, dass das eine große Entlastung für die Selbständigen in Deutschland wäre."

"Wir sind nicht arbeitslos"

"Könnte man ja auch je nach Einnahmesituation staffeln", findet die Cellistin Cordelia Buch, der immerhin die Musikschul-Einnahmen geblieben sind. Hartz IV-Bezug, da sind sich alle protestierenden Künstler einig, sei keine geeignete Entlastung für Künstler – selbst wenn der Zugang zur Grundsicherung vereinfacht bliebe. "Wir sind ja nicht arbeitslos, wir arbeiten ja auch weiterhin, wir müssen üben, damit wir nach der Corona-Krise wieder spielen können."
Abrufbar für andere Jobs, wie von Arbeitslosengeld-Beziehern gefordert, können und wollen Künstler deshalb nicht sein, betont Schlagzeuger Andreas Kubitzki.
Der Bund muss nachlegen, fordert am Rand der Mainzer Proteste der rheinland-pfälzische Kulturstaatssekretär Denis Alt von der SPD. Der Stoff zerfetzter Regenschirme weht am Rand der Bühne im Wind. Echte Schutzschirme für soloselbstständige Künstler fehlen noch, so die Botschaft der Symbol-Kulisse.
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