Künstlerisches Multitasking

Von Christiane Gerischer |
Sabine Beyerle ist eine viel beschäftigte Künstlerin. Unter dem Titel "Temporäre Heimat" zeigt sie zurzeit in Berlin ihre Bilder in einer großen Einzelausstellung. Zugleich ist sie an einem Aktionskunst-Projekt beteiligt, erschafft Rauminstallation, dekoriert Bühnen und kümmert sich um ihr kleines Kind.
"In den Aktionen, die ich mitgemacht oder mitentworfen habe, ging's eigentlich immer darum, dass es so eine Art begehbare Installation war und dass der Zuschauer, also das Publikum zum Akteur wurde."

So wie in dem Projekt "Essmaschine" in einer stillgelegten chemischen Fabrik.

"”Zum Beispiel ging es darum linksdrehenden Pfeffer herzustellen und man musste dazu Pfefferkörner in kleine Reagenzgläser auffüllen, die sich dann gedreht haben oder Pfefferkörner von einem Ort zum anderen transportieren, dann die in Tüten befüllen, bestempeln, etikettieren und ... das Ganze hat so eine Art Mechanismus in Gang gesetzt. Und das hat sich dann auch ziemlich verselbstständigt – irgendwann mal.""

Sabine Beyerle trägt ein tiefausgeschnittenes braunes Kleid mit weißen Blümchen zu schwarzen Stiefeln, das schmale Gesicht unter den dunklen Haaren strahlt. Draußen tobt gerade Orkan Kyrill und dennoch sind etwa 50 Menschen zur Vernissage gekommen. Darunter auch befreundete Künstler, die schwäbische Familie und ihr Freund mit dem vier Monate alten Sohn Nélio vor dem Bauch. Die Ausstellung in der Kunstallianz war fast ein Geburtstagsgeschenk, seit Mitte November steht sie fest.

"Genau der kam im Oktober auf die Welt, ich war gerade frische junge Mutter und mir war klar, ich kann gar nicht mehr soviel im Atelier arbeiten dafür und hab dann auch noch ein Bild schnell fertig gemalt auch mit meinem Kind im Atelier, der hat da ganz brav geschlafen, ausnahmsweise, drei Stunden lang am Stück."

Mit ihren 31 Jahren fühlt sich Sabine Beyerle offensichtlich wohl in ihrer neuen Rolle als Künstlerin und Mutter.

"Es war auch ganz lustig, da hatte ich meine Atelierkolleginnen noch mal befragt zum Bild anschauen, ob alles in Ordnung ist, wir machen manchmal so gemeinsame Bildbesprechungen und die waren dann auch von dem Kind so abgelenkt, dass die alle immer um sein Körbchen rumstanden und das viel spannender fanden, als über mein Bild zu reden."

Ein bis zwei Mal in der Woche kommt sie zurzeit in ihr 44 qm großes Atelier in einem alten AEG-Gebäude in Schönweide. Die frisch abgepumpte Muttermilch im Kühlschrank, eine Reserve im Tiefkühlfach, der Freund kümmert sich und los.

"Was mir aufgefallen ist, dass ich plötzlich im Atelier so ganz effektiv arbeiten kann, die Zeit ist so begrenzt und man weiß irgendwie in sieben Stunden spätestens muss ich wieder zu Hause sein, ..... also ins Atelier gehen und sofort anfangen und loslegen."

Sabine Beyerle lacht viel und gerne, sie ist offen und hat eine sehr freundliche Ausstrahlung. Ähnliches könnte man von ihren Bildern sagen. Intensive Farben, ineinander verschobene und sich überlagernde Perspektiven lassen Räume lebendig werden und zeigen Surreales, wie etwa die gemusterte Treppe, die auf eine Wand aus Latten führt – ein Hotelaufgang in Mali, ein Reiseeindruck, wie viele ihrer Ölbilder.

"Bei bestimmten Szenen fiel mir auf, das erinnert mich an ein Bild oder da seh ich ein Bild drin, meistens dann Innenräume, mit verschiedenen Ornamenten oft interessieren mich dann so Bodenmuster oder so Fliesenmuster, die sich ganz bizarr über so ne Ecke erstrecken."

Bizarr wirkt auch der kleine grüne Panzer mitten unter Karussellautos. Das rote Karussell auf rotem Grund vor der fernen Kulisse einer Stadt und einem blassblauem Himmel, in dem schemenhaft ein Riesenrad erscheint, ist ein Blickfang in der Ausstellung von Sabine Beyerle. Ein Ölbild 1,60 mal zwei Meter groß, offensichtlich ihr Lieblingsformat.
Gegenüber steht ein leuchtend blondes Pony vor pechschwarzem Horizont, auch das auf einer Leinwand, die ist jedoch deutlich kleiner.

"Beides sind Strandszenen aus Marokko und wir waren damals im August in Marokko, … und der ganze Strand wurde eben abends in so eine Art Rummel verwandelt. … Ein Strand war komplett mit Flutlicht ausgeleuchtet und so entstanden eben diese schwarzen Nachtbilder, weil ... dann das Meer und der Himmel so in diesem schwarzen Horizont verschwinden und davor alles knall hell beleuchtet war."
Studiert hat Sabine Beyerle an der Universität der Künste in Berlin: Malerei und Kunst als Lehramt. Aufgewachsen ist sie jedoch in Weill, der Stadt etwas nördlich vom Schwarzwald, wo sie auch ihr Kunstinteresse entdeckte und zwar durch eine Freundschaft.

"Also mich hat Kunst schon ziemlich früh fasziniert, meine frühere beste Freundin, deren Vater war Kunstlehrer und die ganze Familie war sehr künstlerisch orientiert, was meine eher weniger ist und mich hat das damals eben sehr angezogen und ich habe stundenlang mit denen gemalt nachmittags, ..."

Damals war sie zehn, elf Jahre alt und es blieb nicht bei der Freizeitbeschäftigung.

"... ab 16 war das schon ein konkretes Ziel, dass ich mal Kunst studieren will. Mit 16 war ich dann ein Jahr in Amerika zum Austausch und hatte das schon damals in meinen Bewerbungsunterlagen angegeben und bin dann auch prompt bei einer Künstlerin gelandet."

Reisen spielen immer wieder eine wichtige Rolle in Sabine Beyerles Leben. "Temporäre Heimat" ist denn auch der Titel ihrer derzeitigen Ausstellung in der Kunstallianz.

"Temporäre Heimat war für mich so ein Sammelbegriff, wo meine Bilder entstehen; ... manchmal auf einer Reise in einem Hotelzimmer oder eines der Bilder zeigt ja auch unseren Campingbus von innen, eines ist eine Cafeteria auf einer Fähre von La Gomera nach Teneriffa und das waren Orte, wo ich mich aufgehalten habe und so ein Gefühl von Heimat hatte..."

In der Regel ist Sabine Beyerle in einer Kreuzberger Dachgeschosswohnung über zwei Etagen zu Hause – eine Wohngemeinschaft mit einem anderen Künstlerpaar, das einen Monat früher das erste Kind bekommen hat. Wie überlebt man als junge Künstlerin?

"Es geht so. ... Momentan ist es für mich gerade ganz gut, weil ich noch ein Stipendium habe und monatlich Geld bekomme ..., das ist nicht viel, aber für mich ist es ausreichend, mir fällt es am einfachsten mit wenig Geld klar zu kommen und dann dafür lieber Kunst machen zu können und ... sonst verdien ich auch viel über meine Projektarbeit, also im Theaterbereich."

Sabine Beyerle hat Grund zum Optimismus, der Projektkalender ist schon bis Ende des Jahres voll: eine Rauminstallation für die Neuköllner Oper, die Dekoration der Asienbühne beim Karneval der Kulturen und auch die nächste Ausstellung Ende März in Berlin-Wilmersdorf steht schon fest.