Künstlerförderung der besonderen Art

Von Carsten Probst |
Die Villa Romana in Florenz bietet jedes Jahr bis zu fünf jungen Künstlern die Möglichkeit, zehn Monate lang ein sorgenfreies Leben zu führen und sich voll auf ihre Kunst zu konzentrieren. Die Deutsche Guggenheim Berlin zeigt derzeit Werke von den jetzigen Stipendiaten. Doch diese sind nicht in Florenz entstanden - dafür war die Zeit zu kurz.
Der junge Max Beckmann war einer der ersten Stipendiaten überhaupt, später nach dem Zweiten Weltkrieg folgten etwa Georg Baselitz, Markus Lüpertz oder Katharina Grosse. Darauf bezieht sich auch der Titel der Berliner Ausstellung mit den aktuellen Stipendiaten, wie Villa Romana-Leiterin Angelika Stepken berichtet:

"Der Titel 'Freisteller' ist gewählt, weil er eigentlich vier unterschiedliche Positionen unterschiedlich streifen kann. Weil es ein Begriff ist, der darauf zu beziehen ist, dass die Künstler zehn Monate von ihrem normalen Alltag freigestellt sind, im wesentlichen in Florenz leben. Andererseits ist es ein Begriff aus den Bildmedien, aus der Grafik, wenn einzelne visuelle Elemente aus Kontexten frei und in neue überführt werden, und vielleicht auch neue Bedeutungsebenen zu eröffnen."

Eine zweiköpfige Jury entscheidet über die Auswahl der vier glücklichen Künstlerinnen und Künstler. Es liegt trotz aller immer wieder beschworenen Unabhängigkeit bei solchen Verfahren nahe, dass die Jurymitglieder Künstler auswählen, die sie seit langem persönlich kennen. Beatrice von Bismarck, Kunsthistorikerin an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst, hat mit Clemens von Wedemeyer und Julia Schmidt zwei ehemalige Studenten eben dieser Hochschule ausgewählt. Die Künstlerin Ayse Erkmen wiederum mit dem Israeli Dani Gal einen ehemaligen Studenten von sich an der Frankfurter Städelschule und mit Asli Sungu eine Künstlerin mit türkischen Wurzeln, wie Erkmen selbst.

Angelika Stepken: "Die Arbeit, die vielleicht am direktesten oder am einleuchtendsten mit dem Titel zusammenhängt ist die, die im Moment noch nicht ganz fertig gestellt ist, von Asli Sungu. Asli Sungu, die in Berlin an der UdK und zuvor in Istanbul studierte, arbeitet stets parallel im Medium Video und Malerei. Die Malerei versucht sie in ihrer Arbeit tatsächlich von der Wand zu lösen, also Wandfarbe nicht mehr auf Wand aufzutragen, sondern Farbe ist Wand, steht vor der Wand, wird freigestellt vom architektonischen Kontext."

In ihrer vierteiligen Videoarbeit "Forty" wiederum sieht man die Künstlerin selber im Bild bei der Verrichtung von Alltagstätigkeiten, bei denen sie von Profis kommentiert wird. Sie putzt die Fenster nicht richtig, sie schneidet das Gemüse nicht richtig, sie putzt sich nicht einmal die Zähne so, wie es echte Profis täten. Das soll eine gewitzte Replik auf die Anspruchshaltung gegenüber der Kunst allgemein sein, dass sie immer noch besser zu machen sei und von der Kritik gemaßregelt wird.

Aber es gibt kein übergreifendes Thema dieser Präsentation, wie sollte es auch: Die Künstler kennen einander gerade einmal seit ein paar Wochen. Clemens von Wedemeyer bekennt in entwaffnender Offenheit:
"Das sind alles super Arbeiten (Gelächter), aber... ich war auch etwas skeptisch, ob das so zusammenpasst, weil es ist keine Gruppenausstellung, die jetzt thematisch begonnen wurde, sondern wir sind eine Gruppe, die zusammen in einem Haus wohnt."

Wedemeyer selbst zählt bereits zu den bekannteren unter den jungen Künstlern, nicht zuletzt durch seine Teilnahme an den Skulptur Projekten Münster im vergangenen Jahr, bei denen er in einem Film- und Aktionsprojekt das Münsteraner Stadtleben untersucht hat. Solche Recherchen im städtischen Umfeld zählen zu seiner Spezialität, aber eigentlich bezieht er sich dabei auf moderne Städte, also das Gegenteil von Florenz:

"Florenz ist sicher ein bisschen seltsam, weil es ja auch sehr touristisch ist, aber es gibt keine Verpflichtung, da jetzt eine ortsspezifische Arbeit herzustellen..."

Kaum eine Arbeit, die hier gezeigt wird, ist aus dem Stipendium selbst hervorgegangen, dazu war die Zeit seit Februar noch zu knapp. Der Sinn solcher Präsentationen liegt auch eher im wachsenden Interesse des Marktes an jungen Künstlern, deren Wert auf diese Weise gesteigert werden soll. Die Villa Romana soll, wenn man die Andeutungen von Friedhelm Hütte recht versteht, zu einem regelrechten Label für junge Qualitätskunst gemacht werden - von dem nicht zuletzt mittelfristig auch die Deutsche Bank profitieren kann.

Service:
Die Ausstellung "Freisteller" mit Bilder, Installationen und Videos von Dani Gal, Julia Schmidt, Aslı Sungu und Clemens von Wedemeyer, den Villa Romana-Preisträgern 2008, ist vom 26. April bis zum 22. Juni 2008 in der Deutschen Guggenheim Berlin zu sehen.