Künstleraktion "Europäische Republik"

"Der Souverän sind die Bürger Europas"

Eine Europa-Flagge steckt auf der Blumenschau "Chrysanthema" in Lahr inmitten einer Europakarte.
Für ein Europa ohne Grenzen, gegen das Wiedererstarken der Nationalismen, wollen Künstler mit einer europaweiten Aktion am 10. November eintreten. © dpa/Patrick Seeger
Milo Rau im Gespräch mit Britta Bürger · 30.10.2018
Als Zeichen gegen Nationalismus wollen Künstler europaweit am 10. November eine „Europäische Republik“ ausrufen. Zu den Initiatoren zählt auch der Regisseur und Theaterautor Milo Rau. Er findet: Europas Bürger müssten die Politik bestimmen.
Eigentlich sei der Traum einer europäischen Republik schon durch die Gründung der EU nach dem zweiten Weltkrieg vorbereitet gewesen, sagte Theatermacher Milo Rau im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur. Nur durch seltsame nationalstaatliche Verschlingungen habe sich eine "demokratische Verspätung" ergeben.
Die Bürger hätten nie die demokratischen Rechte erhalten, die sie eigentlich haben sollten. Es gebe einen wirtschafltichen Einheitsraum, aber im Grunde keine Einflussmöglichhkeit der Bürger der Europäischen Union. Der Rat der Europäischen Kommission tue, was er wolle.
"Und da war die Idee: Ermächtigen wir doch den eigentlichen Souverän, die europäischen Bürgerinnen und Bürger. Rufen wir die Republik aus!"
Der Schweizer Theatermacher Milo Rau
Der Schweizer Theatermacher Milo Rau© International Institute of Political Murder
Das Ideal der europäischen Idee und die Realität der nationalstaatlichen Interessen seien Gegensätze. Dass der Nationalstaat durch die Globalsierung als Player schon längst außen vorstehe, stimme im europäischen Kontext nur bedingt.
"Innerhalb der EU haben große Nationen wie Deutschland sehr viel Macht. Das widerspricht eigentlich der europäischen Idee, dass kleinere Nationen an den Rand gedrängt werden."

Sich nicht der Globalisierung ausliefern

Transnationale Finanzsströme und Wirtschaft bräuchten eine postnationale, eine europäische und womöglich eines Tages auch eine Weltpolitik. "Wir müssen diese Strukturen demokratisieren. Wir können uns nicht einfach der Globalisierung ausliefern und uns direkt dadurch auch den Nationalisten ausliefern, die eine Angstpolitik betreiben."
Das Europäische Parlament werde viel zu sehr von nationalstaatlichen Interessen bewegt. "Es gibt eine ganze Fraktion innerhalb des europäischen Parlaments, die die EU gar nicht will. Das ist ein Widerspruch in sich."

Bürger bestimmen die Politik

Das EU-Parlament habe keine richtige Einflussmöglichkeit und könne nicht bestimmen. Gleichzeitig hätten die europäischen Bürger keinen Einfluss auf die Politik dieses Parlaments:
"Man muss diesem Parlament die gesetzgebende Macht übergeben. Und das ist deshalb der erst Punkt: Der Souverän ist das europäische Parlament. Die Kommission und der Rat ist abgeschafft."
Orte, an denen die Europäische Republik ausgerufen wird, seien nicht nur große Institutionen wie das Burgtheater in Wien oder das Thalia-Theater in Hamburg. Es gehörten auch "private Stuben" dazu:
"Das Einzige, was für alle gleich ist, ist der Zeitpunkt: 10. November, 16 Uhr. Zu diesem Moment wird an all diesen Orten das Manifest verlesen."

Mit der Kraft des Theaters gegen Realpolitik

Er sei erstaunt, sagt Rau, wieviel Einfluss Theater noch immer habe. Zu einer Zeit, wo die Menschen der Politik – teilweise zu Recht – nicht mehr vertrauten, weil sie nur noch der Besitzstandswahrung helfe.
"Es gibt große Koalitionen aller Art. Die unwahrscheinlichsten Parteien beginnen sich zusammenzuschließen. Die Realpolitik steht fest. Und der utopische Kraftpol ist eigentlich die Kunst, ist der Aktivismus."
Dies sei eine Bewegung, die sehr entscheidend für die Rücknahme der politischen Macht auf die Zivilgesellschaft sei.
"Ich denke wir alle müssen etwas tun. Wenn wir Künstler sind, tun wir das in der Kunst, wenn wir in anderen Berufen tätig sind, tun wir das dort. Es ist eine notwendige Bewegegung, um die Politik, die Demokratie von unten her zu revitalisieren."

Konkretes Handeln geplant

Der 10. November sei zwar ein Tag der Utopie, aber die Aktionsinitiatoren Robert Menasse und Ulrike Guérot hätten konkrete Pläne, wie es darüberhinaus weitergehen solle. Bei den Kontakten zu Parteien und Politikern gehe es auch darum, mit den Gegnern der europäischen Idee zu debattieren.
Mit Bewegungen wie Pulse of Europe, die sich ebenfalls für die europäische Idee einsetzten, arbeite man jetzt und in Zukunft zusammen:
"Ich denke, das ist eine große Bewegung mit verschiedenen Interessen und Organisationsformen. Das ist etwas, was jenseits dieses Projekts existiert und weiter exisitieren wird."
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