Künstler und Religion
Im Rahmen des Weltjugendtages in Köln setzt das Kunstmuseum Bonn „Zeichen des Glaubens“. Die Ausstellungsstücke reichen von einer Emailleschüssel von Joseph Beuys, mit der er einst Fußwaschungen von Besuchern vornahm, bis zu einer Kreuzübermalung Arnulf Rainers.
Zuerst trifft man auf eine kleine Emailleschüssel, weiß, blau gerandet, mit dem schwarz-goldenen Klebe-Etikett des Herstellers. Dutzendware, die auf den ersten Blick nur ihre Position unter einem Glassturz als Kunstwerk definiert – auf den zweiten noch ein rötlich brauner Schriftzug auf dem Boden
Kurator Schreier: " Ein Alltagsgegenstand, den hat er benutzt und hat nur mit seinem Filzstift „Für Fußwaschung – Joseph Beuys“ reingeschrieben.“
Kurator Christoph Schreier eröffnet mit diesem Objekt seine Präsentation im Bonner Kunstmuseum, die aus den Beständen des Hauses anlässlich des Weltjugendtags „Zeichen des Glaubens“ versammelt. Der Besucher kann hier der Frage nachgehen, wie eng die Beziehungen zwischen Religion und Bildender Kunst heute noch sind – nachdem doch die Kunst seit der Reformationszeit die bilderfeindliche Gesinnung des Protestantismus genutzt hat, um sich aus einem tausendjährigen Dienstverhältnis zu emanzipieren. Jahrhundertelang hatten Künstler zuvor in der Illustration der Heilsgeschichte und der visionären Vorwegnahme des Paradieses nicht nur materielles Überleben, sondern auch ideelle Rechtfertigung und Nobilitierung ihres Schaffens gefunden. Heute ist dieser Zusammenhang zwischen Kunst und Glauben nur noch selten so klar und explizit wie im Falle des Beuys-Objekts.
Schreier: " Beuys hat in den 70er Jahren eine Aktion in Basel durchgeführt. Er hat Teilnehmern seiner Performance die Füße gewaschen. Damit tritt er in die Nachfolge Christi. Er veranschaulicht aber auch seinen Kunstbegriff, bei dem es nicht darum geht, schöne Dinge zu produzieren, sondern die Gesellschaft zu reinigen, ändern, verbessern, da sah er seine Aufgabe als Künstler drin. "
Die Vitrine mit dem Fußwaschungsobjekt steht vor dem einzigen Werk, das wohl jeder Besucher sofort mit christlicher Kunst in Verbindung bringen wird: Arnulf Rainers Kreuzübermalung. Schon das Format hat Kreuzform, im Untergrund erkennt man die Fotografie eines romanischen Kruzifixus. Diagonal darüber hat Rainer mit den Fingern eine dicke Spur schwarz-blauer Farbe gezogen.
" Das ist natürlich die Frage nach dem Leiden und der Erlösung. "
Die akzentuiert Rainer durch die brutale Geste, die das Bild des Todes noch einmal auslöscht. Zugleich aber bilden das alte und das neue Bildzeichen eine x-förmige Struktur, das Christus-Monogramm, von Rainer durch eine Aura feiner Farbspuren wie mit einem Nimbus umgeben.
Dialektisch setzt sich der Maler auseinander mit der religiösen Ikonografie und der christlichen Botschaft. So direkt wie bei Rainer präsentiert sich das Thema selten.
" Ganz sicher ist es so, dass die zeitgenössische Kunst keine christlichen Dogmen illustriert und keine Glaubensinhalte veranschaulicht. Aber der Glaube ist eine Antwort an die großen Fragen des Lebens, und denen stellt sich die Kunst natürlich auch, und da gibt es einfach Überschneidungen.“
Das Bonner Kunstmuseum schielt übrigens nicht nach der kurzfristigen Aktualität des Weltjugendtages mit dieser Fragestellung. Seit Jahren finden im Museum Gottesdienste statt, die zeitgenössische Kunstwerke in den Mittelpunkt von Predigten stellen. Im vergangenen Jahr waren 25 Objekte aus der Sammlung zeitweise in Bonner Kirchen zu Gast. Als Anstöße für Fragen nach Leid und Mitleid, Freiheit und Gebundenheit, Hoffnung und Scheitern, die Suche nach Transzendenz.
" Die Kunst ist nicht selbstgenügsam. Ich denke, dass sie diese großen Themen nach wie vor behandelt, wenn auch versteckter, als das früher der Fall war.“
Suchen kann man nicht nur in der Sonderausstellung im zentralen Raum des Obergeschosses. Die eigentliche Strahlkraft und Faszination der Schau zeigt sich erst, wenn der Besucher weiter geht und die Impulse mitnimmt zu anderen Werken. Sie schafft einen neuen Blick für die ganze Bonner Sammlung.
" Es war die Vorstellung, dass wir hier das Herzstück des Museums für diese kleine Präsentation nutzen, aber natürlich gibt es Trabanten. Also ich würde mir wünschen, dass der Besucher durch die Begegnung mit diesem Raum auch disponiert wird, Fragen religiöser Natur an alle anderen Werke in diesem haus zu stellen. "
Im angrenzenden Gotthard-Graubner-Raum etwa, wo vier riesige bewegte Farbflächen leuchten, zu schweben scheinen, den Besucher in eine meditative Stimmung versetzen, und ihn mehr denn je neugierig machen, darüber nachzudenken, warum Graubner ihnen den Titel Assisi-Zyklus gegeben hat in Anspielung auf den Sonnengesang des Franziskus. Vor Ulrich Rückriems Schwarzem Brunnen, wo in einem Geviert grob behauener Granitquader eine blank polierte schwarze Marmorplatte liegt wie ein unbewegt spiegelndes Wasser. Oder in den „Wachsraum“ von Wolfgang Laib: ein schmaler, hoher Gang, betörend duftend nach Bienenwachs, an dessen Ende eine Treppe ins Unbestimmte führt. Werke, die sicher keine Botschaft zu verkünden haben, aber doch spirituelle Erfahrung vermitteln.
" Die zeitgenössische Kunst stellt eher fragen, als dass sie Antworten gibt, insofern ist es gut, mit den eigenen Fragen in diese Ausstellung zu kommen und seine eigenen Antworten vielleicht zu finden.“
Service:
Das Kunstmuseum Bonn zeigt die Sonderausstellung zum Weltjugendtag „Zeichen des Glaubens“ vom 9. bis 25. August 2005.
Kurator Schreier: " Ein Alltagsgegenstand, den hat er benutzt und hat nur mit seinem Filzstift „Für Fußwaschung – Joseph Beuys“ reingeschrieben.“
Kurator Christoph Schreier eröffnet mit diesem Objekt seine Präsentation im Bonner Kunstmuseum, die aus den Beständen des Hauses anlässlich des Weltjugendtags „Zeichen des Glaubens“ versammelt. Der Besucher kann hier der Frage nachgehen, wie eng die Beziehungen zwischen Religion und Bildender Kunst heute noch sind – nachdem doch die Kunst seit der Reformationszeit die bilderfeindliche Gesinnung des Protestantismus genutzt hat, um sich aus einem tausendjährigen Dienstverhältnis zu emanzipieren. Jahrhundertelang hatten Künstler zuvor in der Illustration der Heilsgeschichte und der visionären Vorwegnahme des Paradieses nicht nur materielles Überleben, sondern auch ideelle Rechtfertigung und Nobilitierung ihres Schaffens gefunden. Heute ist dieser Zusammenhang zwischen Kunst und Glauben nur noch selten so klar und explizit wie im Falle des Beuys-Objekts.
Schreier: " Beuys hat in den 70er Jahren eine Aktion in Basel durchgeführt. Er hat Teilnehmern seiner Performance die Füße gewaschen. Damit tritt er in die Nachfolge Christi. Er veranschaulicht aber auch seinen Kunstbegriff, bei dem es nicht darum geht, schöne Dinge zu produzieren, sondern die Gesellschaft zu reinigen, ändern, verbessern, da sah er seine Aufgabe als Künstler drin. "
Die Vitrine mit dem Fußwaschungsobjekt steht vor dem einzigen Werk, das wohl jeder Besucher sofort mit christlicher Kunst in Verbindung bringen wird: Arnulf Rainers Kreuzübermalung. Schon das Format hat Kreuzform, im Untergrund erkennt man die Fotografie eines romanischen Kruzifixus. Diagonal darüber hat Rainer mit den Fingern eine dicke Spur schwarz-blauer Farbe gezogen.
" Das ist natürlich die Frage nach dem Leiden und der Erlösung. "
Die akzentuiert Rainer durch die brutale Geste, die das Bild des Todes noch einmal auslöscht. Zugleich aber bilden das alte und das neue Bildzeichen eine x-förmige Struktur, das Christus-Monogramm, von Rainer durch eine Aura feiner Farbspuren wie mit einem Nimbus umgeben.
Dialektisch setzt sich der Maler auseinander mit der religiösen Ikonografie und der christlichen Botschaft. So direkt wie bei Rainer präsentiert sich das Thema selten.
" Ganz sicher ist es so, dass die zeitgenössische Kunst keine christlichen Dogmen illustriert und keine Glaubensinhalte veranschaulicht. Aber der Glaube ist eine Antwort an die großen Fragen des Lebens, und denen stellt sich die Kunst natürlich auch, und da gibt es einfach Überschneidungen.“
Das Bonner Kunstmuseum schielt übrigens nicht nach der kurzfristigen Aktualität des Weltjugendtages mit dieser Fragestellung. Seit Jahren finden im Museum Gottesdienste statt, die zeitgenössische Kunstwerke in den Mittelpunkt von Predigten stellen. Im vergangenen Jahr waren 25 Objekte aus der Sammlung zeitweise in Bonner Kirchen zu Gast. Als Anstöße für Fragen nach Leid und Mitleid, Freiheit und Gebundenheit, Hoffnung und Scheitern, die Suche nach Transzendenz.
" Die Kunst ist nicht selbstgenügsam. Ich denke, dass sie diese großen Themen nach wie vor behandelt, wenn auch versteckter, als das früher der Fall war.“
Suchen kann man nicht nur in der Sonderausstellung im zentralen Raum des Obergeschosses. Die eigentliche Strahlkraft und Faszination der Schau zeigt sich erst, wenn der Besucher weiter geht und die Impulse mitnimmt zu anderen Werken. Sie schafft einen neuen Blick für die ganze Bonner Sammlung.
" Es war die Vorstellung, dass wir hier das Herzstück des Museums für diese kleine Präsentation nutzen, aber natürlich gibt es Trabanten. Also ich würde mir wünschen, dass der Besucher durch die Begegnung mit diesem Raum auch disponiert wird, Fragen religiöser Natur an alle anderen Werke in diesem haus zu stellen. "
Im angrenzenden Gotthard-Graubner-Raum etwa, wo vier riesige bewegte Farbflächen leuchten, zu schweben scheinen, den Besucher in eine meditative Stimmung versetzen, und ihn mehr denn je neugierig machen, darüber nachzudenken, warum Graubner ihnen den Titel Assisi-Zyklus gegeben hat in Anspielung auf den Sonnengesang des Franziskus. Vor Ulrich Rückriems Schwarzem Brunnen, wo in einem Geviert grob behauener Granitquader eine blank polierte schwarze Marmorplatte liegt wie ein unbewegt spiegelndes Wasser. Oder in den „Wachsraum“ von Wolfgang Laib: ein schmaler, hoher Gang, betörend duftend nach Bienenwachs, an dessen Ende eine Treppe ins Unbestimmte führt. Werke, die sicher keine Botschaft zu verkünden haben, aber doch spirituelle Erfahrung vermitteln.
" Die zeitgenössische Kunst stellt eher fragen, als dass sie Antworten gibt, insofern ist es gut, mit den eigenen Fragen in diese Ausstellung zu kommen und seine eigenen Antworten vielleicht zu finden.“
Service:
Das Kunstmuseum Bonn zeigt die Sonderausstellung zum Weltjugendtag „Zeichen des Glaubens“ vom 9. bis 25. August 2005.