Künstler-Kot in Dosen
Als Wunderkind der Nachkriegsavantgarde und Vorreiter von Performance, Body Art und Konzeptkunst wird Piero Manzoni tituliert. Eine Ausstellung im Frankfurter Städel-Museum zeigt den italienischen Zero-Künstler nun in all seinen Facetten, die auch heute noch erstaunen.
Er ist radikal und ironisch. Manchmal wirkt er wie die Mischung aus Buchhalter und Hausfrau: Manzoni liebt das Einwecken und Eindosen, Verpacken und Versiegeln. Auf lange Papierstreifen gezogene Linien werden in Papprohre gesteckt, ihre Länge ist außen vermerkt, in einem Fall ist von einer unendlichen Linie die Rede. Manzoni bläst seine Atemluft, seinen Künstlerodem in entsprechende Ballons, die kann man dann mit einem Dreifuß als Luftskulptur aufstellen. Gekochte Eier signiert er mit seinem Daumenabdruck und gibt sie seinen Freunden und Galeriebesuchern zu essen. "Kunstverzehr" heißt das. Skandal verursacht schließlich seine Künstlerscheiße in Dosen, je zu 30 Gramm, aufgewogen in purem Gold. Und, ist wirklich drin, was drauf steht? Mancher Sammler fragt sich das noch immer, wie uns ein Video von Bernhard Bazile verrät:
"Ich denke, Manzoni war kühn und jung und verwegen genug, um eine solche Provokation tatsächlich zu realisieren. Heute wird das niemand öffnen, inzwischen hat dieses Objekt einen Marktwert, man wird sich hüten, das tatsächlich zu öffnen, nur um die Wahrheit zu erfahren, um damit dann das Objekt zu zerstören. Also es wird ein Geheimnis bleiben, vermutlich."
Elf dieser sehr kleinen Dosen mit Künstlerscheiße, "natürlich erhalten, Dosenprodukt", wie es in der Beschriftung heißt, sind in der Frankfurter Ausstellung auf einem Regal zu sehen. Eine davon geöffnet, in der Vitrine. Das war die Tat jenes nachgeborenen Künstlers namens Bernhard Bazile, der diese Aktion 1989 als Performance durchführte. Jetzt können wir alle mutmaßen, was drin ist. Auch Kurator Martin Engler hat genau hingeschaut:
"Da sieht man jetzt tatsächlich, dass in dieser Dose was drin ist, was eben nicht wie Scheiße aussieht, was aber offensichtlich nicht ein Fake, ein Surrogat ist, im Gegenteil eine sehr aufwändige Verpackung für noch was Drinliegendes, eine Art Filmdose oder irgendwas, was da eben noch mal was enthalten könnte, das heißt letztendlich: Wer soviel Aufwand betreibt, um so was so kompliziert einzupacken, der hat was zu verstecken, und die Wahrscheinlichkeit steigt zumindest, und das macht uns natürlich ein bisschen glücklich, dass wir das jetzt rausfinden konnten, dass da auch tatsächlich 30 Gramm Künstlerscheiße drin ist…"
"Ich denke, Manzoni war kühn und jung und verwegen genug, um eine solche Provokation tatsächlich zu realisieren. Heute wird das niemand öffnen, inzwischen hat dieses Objekt einen Marktwert, man wird sich hüten, das tatsächlich zu öffnen, nur um die Wahrheit zu erfahren, um damit dann das Objekt zu zerstören. Also es wird ein Geheimnis bleiben, vermutlich."
Elf dieser sehr kleinen Dosen mit Künstlerscheiße, "natürlich erhalten, Dosenprodukt", wie es in der Beschriftung heißt, sind in der Frankfurter Ausstellung auf einem Regal zu sehen. Eine davon geöffnet, in der Vitrine. Das war die Tat jenes nachgeborenen Künstlers namens Bernhard Bazile, der diese Aktion 1989 als Performance durchführte. Jetzt können wir alle mutmaßen, was drin ist. Auch Kurator Martin Engler hat genau hingeschaut:
"Da sieht man jetzt tatsächlich, dass in dieser Dose was drin ist, was eben nicht wie Scheiße aussieht, was aber offensichtlich nicht ein Fake, ein Surrogat ist, im Gegenteil eine sehr aufwändige Verpackung für noch was Drinliegendes, eine Art Filmdose oder irgendwas, was da eben noch mal was enthalten könnte, das heißt letztendlich: Wer soviel Aufwand betreibt, um so was so kompliziert einzupacken, der hat was zu verstecken, und die Wahrscheinlichkeit steigt zumindest, und das macht uns natürlich ein bisschen glücklich, dass wir das jetzt rausfinden konnten, dass da auch tatsächlich 30 Gramm Künstlerscheiße drin ist…"
Großartige Werke, uninspiriert präsentiert
Die seltsam körperbezogenen Readymades von Manzoni sind das eine. Das andere sind seine sogenannten Achromes, seine farblosen Bilder. 43 davon sind im Städel Museum zu sehen, sie ziehen sich über die vier Wände des Ausstellungssaals. Farblos heißen diese Bilder, weil sie zum Beispiel mit Gips oder Porzellanerde überzogen sind: Kästchenraster bilden sich ab, kleine horizontale Faltenwürfe, auch mal Brötchen in Reih und Glied. Es geht hier nicht um Farbe, sondern um Materialwirkung und Reihung. Die Achromes sind zusammengenäht aus Seide oder aus klinisch wirkendem Verbandsmaterial.
Schließlich kommt die neu entdeckte Kunstfaser ins Spiel: weiße, lockige, flockige Wesen in Bildkästen, die zu atmen scheinen. Das Bild wird zum Körper, der Körper wird zum Bild, zur signierten, lebenden Skulptur. Es ist diese in nur sechs Jahren entwickelte Logik des Immer-Weiter, die Piero Manzoni so brillant macht. Piero Manzoni zerstört den Geniekult, er wirkt oft wie ein Clown. Die Ausstellung zeigt einige überlebensgroße Fotografien des Künstlers – wie er zum Beispiel mit verschmitztem Lächeln und einer kleinen Dose aus der Toilette kommt. Als lache der Künstler über sich selbst, den Kunstbetrieb, den Sammler.
Martin Engler: "Ich glaube, das ist der Moment, wo sich Manzoni auch wesentlich von seinem Alter Ego Yves Klein unterscheidet, also wo Yves Klein immer Maestro oder Maitre bleibt, immer Genie bleibt und diesen Geniekult auch immer wieder transportiert, ist Manzoni eben ganz profaner Gott. Der mit einem Stöpsel den Geniekult aus der Badewanne ablässt und wenn man die Fotos von ihm sieht, wie er die Scheiße präsentiert, wenn man sieht, wie er seine Modelle auf dem Arm signiert, das hat immer was sehr Menschliches, was sehr Direktes, was sehr Unmittelbares…"
Schließlich der "Socle du monde", der Sockel der Welt. Ein Eisenkubus mit entsprechender Beschriftung, die natürlich Kopf stehen muss, weil dann die Erdkugel, auf der wir alle stehen, zum eigentlichen Kunstwerk wird. Eine letzte, kaum zu steigernde Geste. Wenige Monate später stirbt Manzoni, der rigorose Trinker, an einem Schlaganfall.
Ist diese lang erwartete Manzoni-Retrospektive eine gute Ausstellung? Sie ist großartig, weil man eine Menge radikaler Werke sieht, die heute immer noch Staunen erwecken. Sie ist allerdings ziemlich uninspiriert, was die Präsentation betrifft. Riesengroße Fotos und Texte, daneben die kleinen originalen Objekte. Katalogdesign. Der "Socle du monde", die letzte absurde Geste, als erstes Objekt der Ausstellung. So kann man die Spannung auch ruinieren. Mit der Tür ins Haus fallen. Schade. Manzoni hätte sensible Verrücktheit verdient statt kunsthistorischer Verwaltung.
Schließlich kommt die neu entdeckte Kunstfaser ins Spiel: weiße, lockige, flockige Wesen in Bildkästen, die zu atmen scheinen. Das Bild wird zum Körper, der Körper wird zum Bild, zur signierten, lebenden Skulptur. Es ist diese in nur sechs Jahren entwickelte Logik des Immer-Weiter, die Piero Manzoni so brillant macht. Piero Manzoni zerstört den Geniekult, er wirkt oft wie ein Clown. Die Ausstellung zeigt einige überlebensgroße Fotografien des Künstlers – wie er zum Beispiel mit verschmitztem Lächeln und einer kleinen Dose aus der Toilette kommt. Als lache der Künstler über sich selbst, den Kunstbetrieb, den Sammler.
Martin Engler: "Ich glaube, das ist der Moment, wo sich Manzoni auch wesentlich von seinem Alter Ego Yves Klein unterscheidet, also wo Yves Klein immer Maestro oder Maitre bleibt, immer Genie bleibt und diesen Geniekult auch immer wieder transportiert, ist Manzoni eben ganz profaner Gott. Der mit einem Stöpsel den Geniekult aus der Badewanne ablässt und wenn man die Fotos von ihm sieht, wie er die Scheiße präsentiert, wenn man sieht, wie er seine Modelle auf dem Arm signiert, das hat immer was sehr Menschliches, was sehr Direktes, was sehr Unmittelbares…"
Schließlich der "Socle du monde", der Sockel der Welt. Ein Eisenkubus mit entsprechender Beschriftung, die natürlich Kopf stehen muss, weil dann die Erdkugel, auf der wir alle stehen, zum eigentlichen Kunstwerk wird. Eine letzte, kaum zu steigernde Geste. Wenige Monate später stirbt Manzoni, der rigorose Trinker, an einem Schlaganfall.
Ist diese lang erwartete Manzoni-Retrospektive eine gute Ausstellung? Sie ist großartig, weil man eine Menge radikaler Werke sieht, die heute immer noch Staunen erwecken. Sie ist allerdings ziemlich uninspiriert, was die Präsentation betrifft. Riesengroße Fotos und Texte, daneben die kleinen originalen Objekte. Katalogdesign. Der "Socle du monde", die letzte absurde Geste, als erstes Objekt der Ausstellung. So kann man die Spannung auch ruinieren. Mit der Tür ins Haus fallen. Schade. Manzoni hätte sensible Verrücktheit verdient statt kunsthistorischer Verwaltung.