Künast: Für schwarz-grün müssen Inhalte stimmen

Moderation: Birgit Kolkmann · 27.03.2006
Die Bundestagsfraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, hat sich im Hinblick auf eine mögliche schwarz-grüne Koalition in Baden-Württemberg zurückhaltend gezeigt. Nach der Ankündigung von Ministerpräsident Oettinger (CDU) von Koalitionsgesprächen auch mit den Grünen verwies Künast auf die inhaltlichen Unterschiede beider Parteien.
Birgit Kolkmann: In Rheinland-Pfalz war es eine Zitterpartie und für die Grünen am Ende doch enttäuschend. Sie verpassten mit 4,6 Prozent nur knapp den Einzug in den Mainzer Landtag. In Sachsen-Anhalt war es deutlicher, nur 3,6 Prozent, aber immerhin gab es mehr Wähler für die Ökopartei als bei der letzten Wahl, wenn auch niemand ernsthaft mit einem Einzug ins Parlament gerechnet hatte. Glänzend dagegen das Ergebnis in Baden-Württemberg - 11,7 Prozent - die Grünen noch vor der FDP drittstärkste Kraft. Renate Künast, die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, begrüße ich jetzt in der Ortszeit. Einen schönen guten Morgen.

Renate Künast: Guten Morgen.

Kolkmann: Frau Künast, träumen Sie von einer schwarz-grünen Koalition in Stuttgart?

Künast: Träumen tue ich nicht von Koalitionen. Da träume ich wie jeder Mensch, glaube ich, was Normales. Aber ich bin sehr froh über das Ergebnis in Baden-Württemberg. Und es wird Gespräche geben, Günther Oettinger hat es gesagt. Und dann schauen wir einmal. Der Inhalt muss stimmen, da gibt es gar nichts zu träumen, weil es nachher ja auch um harte Realität geht, nämlich all die Themen, mit denen wir dort Wahlkampf gemacht haben: Wie bringt man das Land weiter nach vorne?

Kolkmann: Wie nah sind denn Grüne und Schwarze in Baden-Württemberg beieinander?

Künast: Also es hat jede Menge Kritik unsererseits gegeben im Wahlkampf. Und ich muss sagen, es gibt gerade bei der Frage, wie richtet man auch Baden-Württemberg modern aus, um zum Beispiel den ganzen Themenkomplex Energie, der ja jetzt in aller Munde ist logischerweise, oder beim Thema Bildung eine moderne Ausrichtung zu machen, hatten wir jede Menge zu kritisieren, weil es da in Baden-Württemberg rückwärts ging statt vorwärts. Also eine alte Aufteilung, statt gemeinsam sehr modern zu lernen, gerade auch für die Kinder aus den ärmeren Familien. Sieht weit auseinander aus, aber die Frage ist ja immer, wäre Günther Oettinger bereit, da tatsächlich zu Schnittmengen zu kommen und einen Schwerpunkt zu legen?

Kolkmann: Er hat ja gesagt, er möchte mit Ihnen sprechen, sie haben es eben auch noch einmal angesprochen. Ist das aber unterm Strich wahrscheinlich eher höflich oder doch sehr interessiert?

Künast: Also ich glaube nicht, dass es sich dabei um einen Höflichkeitsbesuch handeln wird. Schauen wir mal, mit welcher Offenheit er da reingeht. Für die Grünen ist natürlich als erstes von Interesse, genau das herauszufinden. Also es ist nur so, um dieses quasi als Fingerübung mal zu machen, und dann gibt es ernste Verhandlungen. Aber wir werden klüger beim ersten Gespräch.

Kolkmann: Ministerpräsident Oettinger hat ja nur um einen Parlamentssitz die absolute Mehrheit verpasst. Das hat Kurt Beck in Rheinland-Pfalz geschafft. Und die Grünen haben es nicht gepackt, in den Landtag zu kommen. Ist das gegen eine solch charismatische Figur kaum zu machen?

Künast: Also ich weiß nicht, ob es daran liegt. Auf der anderen Seite hat Kurt Beck auch dort ein konservatives Landesvater-Bild vorgelegt. Und sehen Sie, wir haben mit grünen Themen - Energie, Gentechnik, Bildung - in Baden-Württemberg einen wirklich beachtlichen Aufstieg erlebt, und eine Zunahme, und in Rheinland-Pfalz eigentlich mit ähnlichen Themen nicht. Wir werden uns das noch mal genauer analysieren müssen und angucken müssen. Schauen wir mal. Sehen Sie mal, Rheinland-Pfalz hat sicherlich auch seine Spezifika, obwohl es sich eigentlich für Grüne anbietet. Denken Sie allein an BASF, die ja auch zum Beispiel Gentechnik-Befürworter sind. Insofern war das eigentlich das richtige Ländchen für eine kritische Debatte.

Kolkmann: Für eine kritische Debatte im Osten haben Sie ja weniger Glück - in Sachsen-Anhalt. Obwohl Sie dort ja inzwischen Ihre Klausuren, Ihre Fraktionsklausuren auch in Wörlitz machen, aber so richtig kriegen Sie da keinen Fuß an die Erde. Ist das kein gutes Pflaster für die Grünen?

Künast: Naja, also die Geschichte war sehr unterschiedlich. Also alles, was in den letzten 20 Jahren an sehr offenen, pluralistischen Debatten im Westen gelaufen ist, da hatte der Osten ja, sage ich mal, ganz andere Umstellungssorgen als erstes. Aber ich sehe immerhin eines, dass die Grünen zunehmen. Das hat bei weitem nicht gereicht, wie man an der Zahl merkt. Aber sehen Sie mal, wir stagnieren da nicht, sondern sind in diversen Bundesländern so um die vier Prozent bei Landtagswahlen. Bei Bundestagwahlen sind wir an die Fünfprozenthürde gekommen und in Sachsen auch einmal drüber. Also gibt es für uns viel kontinuierlich zu tun. Aber gerade jetzt, mit an die vier oder teilweise über vier Prozent, sage ich mal, die fünf Prozent werden meines Erachtens in Zukunft zu heben.

Kolkmann: Beharrliche Oppositionsarbeit ist also weiter notwendig, vor allem natürlich in Berlin selber. Da ist grüne Politik so wahrzunehmen. Ist das auch eine Chance für eine neue Profilierung, nachdem Sie ja in der Koalition mit Gerhard Schröder in der letzten Bundesregierung doch einige Kanten abgestoßen haben?

Künast: Wir haben keine Kanten abgestoßen, sondern wir haben aus unseren Visionen konkrete Politik gemacht. Sehen Sie mal, wir waren diejenigen, die in den letzten sieben Regierungsjahren das Thema Energiepolitik auf die Agenda gesetzt haben. Und das ist ein Thema, das weiter geht. Und da werden wir für eines sorgen müssen, dass die anderen nicht nur über den Status quo reden und darüber, dass man in der Außenpolitik mit den Energielieferern jetzt Gespräche führt, sondern das Land muss knallhart an der Stelle modernisiert werden. Da gibt es gar nicht viel nur über Außenpolitik zu reden, sondern wir müssen hier Ziele setzen. Und ich glaube, dass man also in den nächsten 15 Jahren in allen Energiebereichen 25 Prozent erreichen wollen muss, dass Deutschland selber sich sichern muss, und dass es da keine Rücksichten geben darf auf Atomlobbys, und dass wir wirklich eine treibende Kraft in Europa sein müssen. Weil, kein europäisches Land wird Riesenschübe erleben zum Beispiel in den Beschäftigungszahlen, wenn man nicht in einem gemeinsamen Geleitzug vorgeht - klassisch grünes Thema. Also da müssen wir dann weiterarbeiten.

Kolkmann: Vielen Dank, Renate Künast, die Fraktionschefin von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag im Gespräch in der Ortszeit.