Künast fordert unabhängigere Verbraucherberatung

Renate Künast im Gespräch mit Marcus Pindur · 12.05.2009
Die ehemalige Bundesverbraucherministerin Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) hat mehr Unabhängigkeit für die Verbraucherberatungen in Deutschland gefordert. In den vergangenen zehn Jahren seien die Gelder für die Verbraucherzentralen von den Ländern immer weiter gekürzt worden, kritisierte Künast. Diese müssten aber finanziell neu aufgestellt werden.
Marcus Pindur: Sie wollen einen Flachbildschirm kaufen oder einen Hometrainer, oder Sie wollen wissen, wie gesund Biofruchtsäfte wirklich sind? Klar: dafür gibt es eine Adresse, die Stiftung Warentest oder die Verbraucherzentralen. Dort bekommt der Verbraucher unabhängige Auskunft, daran kann man sich orientieren. Heute findet in Berlin der deutsche Verbrauchertag statt. Weder Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Merkel noch SPD-Chef Müntefering wollen die Gelegenheit versäumen, sich da sehen zu lassen. Aber was tut die Politik jenseits von wohlfeilen Beifallskundgebungen für die Verbraucher? - Wir wollen darüber reden mit der ehemaligen Bundesverbraucherministerin und Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast. Guten Morgen, Frau Künast!

Renate Künast: Guten Morgen!

Pindur: Der Kongress steht unter dem Titel "Mehr Familie in die Verbraucherpolitik". Was denken Sie denn, was die Familien in der Verbraucherpolitik brauchen?

Künast: Als allererstes Unterstützung bei ihren Alltagssorgen, und da fallen mir zwei Dinge ein: erstens das Thema Anlage von Finanzen. Es gibt immer noch keine unabhängige Finanzberatung. Die Beratungsstellen sind nicht entsprechend ausgestattet. Die Finanzer auch in den Sparkassen richten sich mehr und mehr nach den Provisionen und später haben viele Verbraucher Beweislastprobleme. Da wären noch ein paar Regelungen zu treffen.

Und um einen wichtigen Teil zu nennen, der Familien im Alltag beschäftigt: Es werden immer mehr Verträge am Telefon bei unerlaubter Telefonwerbung, Werbung im Internet abgeschlossen. Die Telefonwerbung nimmt auch weiter zu. Das Risiko tragen aber die, die angerufen werden, wo ich sage - und da nehmen sich beide nichts, weder Herr Müntefering, noch Frau Merkel -, Verträge am Telefon dürfen nicht abgeschlossen werden, ohne dass es nachher eine schriftliche Bestätigung gibt. Damit wäre schon vielen Familien, gerade auch die sich überraschen lassen, gerade auch bei den jungen Menschen, geholfen.

Pindur: Gerade die Finanzkrise hat gezeigt, dass bei Themen wie Altersvorsorge und Geldanlagen in der Tat ein großer Beratungsbedarf besteht. Sollten die Verbraucherzentralen zum Beispiel oder auch Stiftung Warentest sich nicht stärker auf solche Themen konzentrieren, anstatt jetzt noch das letzte Konsumprodukt auszuloten, ob denn nun der Flachbildschirm oder die Digitalkamera empfehlenswert ist?

Künast: Nun ja, Fragen von Flachbildschirmen, Kameras und Ähnlichem, also hinsichtlich des Einzelprodukts, macht ja sowieso im Wesentlichen die Stiftung Warentest und nicht die Verbraucherzentralen. Wir haben bei allen eine ganz grundsätzliche Debatte, nämlich die: Wie kriegen wir die unabhängiger? Bei der Stiftung Warentest gibt es die Debatte, sie tatsächlich nicht mit regelmäßigen öffentlichen Geldern zu versorgen, sondern sie zu einer eigenen Stiftung werden zu lassen.

Und bei den Verbraucherzentralen stelle ich eines fest: Die Länderminister haben bestimmt seit zehn Jahren immer wieder die Gelder gekürzt. Da müssen die Zentralen ordentlich ausgerüstet werden. Und auch diese Bundesregierung hat bisher nichts gemacht, kein Geld. Der Pfeil des Geldes zeigt nicht nach oben.

Sie müssten eigentlich rechtlich unabhängiger werden - auch die kriegen öffentliche Gelder - und sie müssten gerade in Zeiten von Finanzkrisen, wo die Menschen ja mehr Eigenvorsorge treffen sollen, eigentlich mit der Zusatzaufgabe Beobachtung der Finanzmärkte ausgestattet werden. Im Britischen sagt man immer "Watch Dog", also wie so ein Wachhund, der Zertifikate überprüft, Entwicklungen sich anguckt, aber auch individuelle Beratung macht. Dazu müsste man sie aber finanziell auf neue Beine stellen.

Pindur: Wie könnte man das denn tun? Sie haben eben das Modell eines Stiftungsfonds für die Stiftung Warentest genannt. Das ist ja momentan im Gespräch und soll auch angegangen werden, dass die Stiftung eben unabhängig wird von der jeweiligen Kassenlage der Länder. Wäre Ihrer Ansicht nach auch ein Fonds denkbar, in den die Unternehmen zum Beispiel einzahlen?

Künast: Natürlich! Zu der Veränderung im Finanzbereich, Beweisrechte und Pflichten zu verändern, sollte auch gehören, dass die Unternehmen im Finanzbereich eine neue Pflicht bekommen, und das heißt, eine Art Abgabe zahlen zu müssen, um eine unabhängige Beratung zu ermöglichen. Das haben wir ja genauso auch im Energiebereich mal angedacht. Das würde dann heißen, dass nicht die die Beratung machen, also interessengeleitet, damit man bei ihnen ein bestimmtes Produkt, eine Finanzdienstleistung kauft, sondern dass es dann in eine zentrale Stiftung kommt, von wo aus Beratung stattfindet. Logisch: eines der größten Probleme im Finanzmarkt ist ja, an dem jetzt auch viele leiden, dass sie bei den Banken und Sparkassen waren und man ihnen nicht gesagt hat, dass sie ihre gesamte Einlage verlieren können. Unabhängige Beratung stellt man her, indem die, die den Profit haben, regelmäßig zahlen, aber an eine unabhängige Institution.

Pindur: In vielen Geschäftsstellen der Verbraucherzentralen, in gut 60 von 190, da arbeitet nur eine Kraft. Die ist meist mit Broschüren oder mit Kopieren beschäftigt. Könnte man das Angebot der Verbraucherschützer umgekehrt nicht auch ein bisschen effizienter machen und stärker bündeln?

Künast: Die sind seit vielen Jahren schon gebündelt. In meiner Zeit als Verbraucherschutzministerin haben die schon angefangen, mit ihrem Bundesverband sozusagen Wissen zu bündeln. Es gab einzelne, die im Schwerpunkt Problembereiche erarbeitet haben, das Wissen allen zur Verfügung gestellt haben, aber dem Bündeln sind ja Grenzen gesetzt. Beratung vor Ort kann nur stattfinden, wenn man vor Ort vorhanden ist. Das heißt, sie brauchen in allen Bundesländern und in verschiedenen großen Städten einfach ein Beratungsangebot, dazu brauchen sie Räume, auch wenn die Fachmitarbeiter nicht immer überall sind, aber sie brauchen dazu eine Basisausstattung. Aber was sage ich Basisausstattung? Die sind so zusammengestrichen, dass in manchen Bereichen Beratung fast gar nicht stattfinden kann.

Pindur: Muss da der Bund mehr zuschießen? Im Prinzip ist das ja Ländersache.

Künast: Eine Mischung. Die Zentrale des Bundesverbandes für Verbraucherschutz ist Bundesangelegenheit. Da muss zum Beispiel für den Finanzbereich jetzt entweder durch den Bund, oder durch eine Abgabe der Finanzanbieter dafür Sorge getragen werden, dass es mehr Geld gibt. Die Landesbüros sind Aufgabe der Bundesländer und da weiß ich von vielen Grünen landauf landab, das sind wirklich schwere Kämpfe, weil die Landesminister und Regierungen regelmäßig das ganze als Spardose begreifen. Ich weiß: Selbst Hessen und Bayern haben am Ende angegeben wie ein Sack Flöhe, aber nachher heimlich das Geld wieder gestrichen. Da ist wirklich Land unter und das trifft ganz viele Familien, weil sie suchen unabhängige Beratung.