Kubismus-Ausstellung in Paris

Gegen die Illusionisten in der Malerei

Ausstellung "Le Cubisme" im Centre Georges Pompidou: im Vordergrund Amadeo Modiglianis "Tete de femme" von 1912- Die Ausstellung läuft vom 17.Oktober 2018 bis 25. Februar 2019 Foto: © Maxppp / Annie Viannet/MAXPPP/dpa
Ausstellung "Le Cubisme" im Centre Georges Pompidou: Mehr als Picasso und Braque © Abbe Viannet / MAXPPP / picture alliance
Von Jürgen König · 17.10.2018
Im Centre Pompidou soll in einer großen Ausstellung die historische Wahrheit über den Kubismus erzählt werden. Pablo Picasso und Georges Braque sind große Säle gewidmet, aber in dem Pariser Museum gibt es noch viel mehr zu sehen.
Für diese Ausstellung lohnt sich selbst eine weite Anreise, bietet sie doch nicht weniger als tatsächlich das gesamte Panorama dieser Bewegung des Kubismus: In Paris zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem von Pablo Picasso und Georges Braque vorangetrieben, wurde sie für die Entwicklung der Kunstmoderne grundlegend.
In chronologischer Ordnung macht die Ausstellung in 14 Sälen diese Entwicklung durch eine Fülle von Meisterwerken der Moderne nachvollziehbar, zusammengetragen als Leihgaben aus Museen der ganzen Welt – über 300 Werke: von Picasso und Braque, aber auch von Juan Gris, André Derain, Robert Delaunay, Fernand Léger, Marcel Duchamp.

Kubismus war auch in den Salons präsent

Ausstellungskuratorin Brigitte Leal sagt: "Wir wollen etwas von der historischen Wahrheit des Kubismus erzählen. Man kennt die Geschichten der Brüche und des Wieder-Zusammengehens von Picasso und Braque; man weiß viel über ihre Neuerungen, ihre Bildkonstruktionen, ihre Klebebilder, ihre Objektbilder. Aber wir wollten auch die kunsthistorische Umgebung zeigen, in der der Kubismus sich entwickelte, vor allem die Salons, auch die offiziellen, an denen Braque und Picasso natürlich nie teilgenommen haben, sie haben ja nur für ausgewählte Galerien gearbeitet. Dabei war der Kubismus auch in den Salons präsent und zwar ganz anders, als man das erwarten würde."
Die Salons beherrschten um die Jahrhundertwende das Kunstgeschehen, auch den Kunstmarkt: der Impressionismus hatte sich durchgesetzt, alles Neue wurde – auch von den Akademien – abgelehnt. Also suchten Picasso und Braque eigene Wege, machten Schluss mit einer Malweise, die illusionistisch sich bemühte, Menschen, Landschaften, Objekte, räumlich und plastisch zu zeigen, machten Schluss mit den Regeln von Vordergrund, Hintergrund, Zentralperspektive.
Mussten zuvor Inhalt und Form übereinstimmen, so dass sich eine klare Botschaft ergab, wurde jetzt allein die Form ausschlaggebend – für die auch neue Bezugspunkte gesucht werden, afrikanische Masken und Statuetten zum Beispiel. Eine Sammlung davon – entstanden zumeist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – setzt den Beginn der Ausstellung. Von Picasso die "Demoiselles d’Avignon", von Georges Braque "Violine und Krug". Dem "Porträt des Ambroise Vollard", das Paul Cézanne 1899 malte, wird die Version Picassos gegenübergestellt, der den Kunsthändler 1910 portraitierte.

Andere Kubismen

Schon Cézanne hatte in seinem Gemälde das Formale des Motivs betont, bei Picasso aber erscheint die Figur in vollkommener Zweidimensionalität, die Gesichtsteile wie zerschnitten und verschoben, man sieht die Figur plötzlich aus mehreren Perspektiven gleichzeitig. Anhand solcher Vergleichsbeispiele wird das Wesen kubistischer Malerei sehr anschaulich.
Picasso und Braque sind große Säle gewidmet, aber sie bilden eben nur einen kleinen Teil der Ausstellung. Kuratorin Brigitte Leal erläutert: "Ich könnte mir vorstellen, dass viele überrascht sein werden, in unseren Sälen einen solchen Eklektizismus zu entdecken. Man findet auch die Bilder eines Francis Picabia, der viele Stilrichtungen ausprobierte. Wir zeigen kubistische Bilder von ihm – große Formate, wie sie in den Salons beliebt waren und dort auch gezeigt wurden. Es gab eben nicht nur Künstler wie Picasso oder Braque, die sehr experimentell waren, sondern es gab auch eine ganze Reihe anderer Erfahrungen, anderer Malweisen, die sich aber alle auf die Grundlagen des Kubismus beriefen, nur dass sie eben anderes in den Vordergrund stellten, die Farbe oder das Material."
Als Beispiele solch "anderer Malweisen" zeigt die Ausstellung etwa die für einen Zeichentrickfilm bestimmten "Farbigen Rhythmen" des Léopold Survage oder auch die "Elektrischen Prismen" der Sonia Delaunay, geometrische Farbflächen ohne alles Gegenständliche.
Orphischer Kubismus, analytischer und synthetischer Kubismus, die kubistischen Salons, die zunehmende Bedeutung der Galerien – dies alles illustriert auch durch Fotos, Briefe, Plakate, Kataloge, Kritiken, Zeitungsartikel – es ist wahrlich eine umfassende Ausstellung, sie sei jedem Paris-Besucher empfohlen.
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