Kuba und USA vor Amerika-Gipfel

Werden aus Feinden nun Partner?

Kubanische Flaggen bei einer Demonstration in Havanna, der Hauptstadt Kubas
Kubanische Flaggen bei einer Demonstration in Havanna, der Hauptstadt Kubas © dpa / Alejandro Ernesto
Von Markus Plate · 09.04.2015
Am 17. Dezember 2014 kündete US-Präsident Obama neue Beziehungen zu Kuba an. Nun wird er beim Amerika-Gipfel in Panama ab Freitag erstmals offiziell mit Raúl Castro zusammentreffen. Wohin führt das Ende der 50-jährigen Feindschaft?
Mehr als fünfzig Jahre sind seit der kubanischen Revolution vergangen, mehr als 50 Jahre wurde die sozialistische Insel von den USA boykottiert. Doch seit Ende vergangenen Jahres nähern sich Kuba und die USA an. Was hat sich seitdem auf Kuba getan? Welche Hoffnungen hegen die Menschen? Und welchen Weg wird Kuba nun einschlagen?
Als US-Präsident Barack Obama und Kubas Staatschef Raúl Castro nach 50 Jahren Konfrontation am 17. Dezember vergangen Jahres einen ernsthaften Anlauf zur Normalisierung der Beziehungen ihrer beiden Länder verkündeten, waren die Reaktionen überschwänglich: Ein historischer Moment sei das. Doch über Motive und Auswirkungen gehen die Einschätzungen weit auseinander. Stellvertretend Günther Maihold und Alicia Puyana: Beide sind ausgewiesene Lateinamerika-Experten, beide lehren an nur einen Steinwurf entfernten Instituten in Mexiko-Stadt, er ist Deutscher, sie Kolumbianerin.
Expertin sieht Kuba auf dem chinesischen Weg
Günther Maihold: "Dieser Prozess wird eine Fülle von Dynamiken auslösen, wo wir heute noch gar nicht wissen, welche Effekte damit verbunden sind. Man kann sich Migrationswellen vorstellen, man kann sich eine Dynamisierung im Bereich des Tourismus vorstellen, der zu einer vollständigen Neuaufstellung der Gesellschaft Kubas führt. Also ich glaube das hat viel Potenzial in die eine oder die andere Richtung. Die Illusion, man könne diesen Prozess von oben kontrollieren, der dürfte nur noch eine geringe Zahl der Funktionäre angehören."
Alicia Puyana: "Viele kritisieren das Tempo von Öffnung und Reformen als viel zu langsam. Aber was ist denn die Alternative? Will man einen radikalen Wandel und danach eine gesellschaftliche Implosion wie in Russland? Oder will man politische Stabilität und wirtschaftliches Wachstum wie in China? Ich sehe Kuba eher auf dem chinesischen Weg: Die kommunistische Partei Kubas will Regie über die wirtschaftlichen Wandel führen. Und man will einige soziale Errungenschaften erhalten, die ja durchaus bedeutsam sind."
Nun gibt es noch vor kurzem unvorstellbare Fortschritte: Reiseerleichterungen, Aufhebung einiger Handelsbeschränkungen, bilaterale Gespräche über Flugverbindungen oder Telekommunikation. Auf Kuba sind erste Auswirkungen der Annäherung spürbar. Agustin Plasencia betreibt in der Altstadt von Havanna ein familiäres Tourismusunternehmen. Das Geschäft läuft seit Beginn der Annäherung gut, auch wenn es nach wie vor große Probleme gibt:
"Der Tourismus hat schon merklich angezogen, nicht nur aus den USA. Aber nach wie vor gibt es viele Probleme. Der Zugang Kubas zu Devisen und Krediten ist begrenzt, was Investitionen sehr erschwert. Das Embargo macht dringend benötigte Einfuhren schwierig und sehr teuer. All das behindert die Geschäfte. Und natürlich gibt es nach wie vor sehr viel Bürokratie auf Kuba auch wenn sich in den letzten zehn Jahren da einiges getan hat."
Bildkombo zeigt US Präsident Barack Obama (l) am 21.11.2014 in Las Vegas (USA) und den kubanischen Präsidenten Raul Castro am 26.07.2014 in Artemisa (Kuba).
US-Präsident Barack Obama und der kubanische Präsident Raul Castro© dpa / Michael Nelson / Alejandro Ernesto
Aufnahme in die Organisation Amerikanischer Staaten steht bevor
Auf dem Amerikagipfel diese Woche in Panama werden Barack Obama und Raúl Castro wohl erstmals an einem Tisch sitzen. Viele hoffen auf weitere Gesten: Wird Kuba von der Liste der Terror unterstützender Staaten gestrichen? Werden die USA das Embargo und die Kubaner die Zügel weiter lockern? Wann gibt es diplomatische Vertretungen? Alicia Puyana erwartet zunächst eine Normalisierung der inneramerikanischen Beziehungen:
"Kuba wird wohl in die Organisation Amerikanischer Staaten aufgenommen, der Ausschluss vor 53 Jahren ist jetzt nicht mehr zu halten. Für die Beziehungen der amerikanischen Staaten untereinander könnte das Ende der Blockade-Politik entspannend wirken. Das Verhältnis linksnationalistischer Regierungen wie Venezuela, Bolivien oder Ecuador zu den USA ist seit jeher konfrontativ. Und ein Faktor für diese Konfrontation war immer die Blockade."
Doch längst gibt es neue Lieblingsfeinde auf dem Kontinent. Barak Obama erklärte Venezuela vor einem Monat zum Sicherheitsrisiko. Vor wenigen Tagen zeigte sich Fidel Castro nach über einem Jahr wieder in der Öffentlichkeit, begrüßte eine venezolanische Delegation und brachte seine Solidarität mit dem alten Verbündeten zum Ausdruck. Eine Botschaft, die nicht zuletzt an die USA gerichtet ist. Mag die jahrzehntelange Eiszeit zwischen Washington und Havanna für´s erste vorüber sein, den Anbruch einer Wärmeperiode zwischen beiden Nationen bedeutet das noch lange nicht.
Die meisten Kubaner freuen sich über das Ende der Konfrontation
Das Leben auf Kuba wird sich jedoch durch die Annäherung verändern. Wie und in welcher Geschwindigkeit ist noch völlig offen. Agustin Plasencia mit seinem kleinen touristischen Familienbetrieb ist jedenfalls optimistisch.
"Ich glaube ja, das Leben wird für die Kubaner einfacher werden. Und die Annäherung ist ja auch nur natürlich. Wir sind Nachbarn, Du bist von Havana aus schneller in Miami als am anderen Ende der Insel. Nach Jahrzehnten Eiszeit freuen sich die allermeisten Kubaner über die Normalisierung, auf freundschaftliche Beziehungen zu den USA und darauf, das Kapitel der Konfrontation hinter uns zu lassen."
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