Kritischen Fragen weicht Mo Yan lieber aus

Von Tim Krohn, Stockholm · 06.12.2012
Er verteidigt die Zensur und schweigt zu seinem inhaftierten Landsmann Liu Xiaobo: Bei einem mit Spannung erwarteten Auftritt in Stockholm zeigte sich der chinesische Nobelpreisträger Mo Yan unterkühlt - und ließ viele Fragen unbeantwortet.
Er ist der "Mann ohne Worte" oder auch "Der Sprachlose". Genau das bedeutet der Künstlername Mo Yan und genau so verhielt er sich heute auch – bei der mit Spannung erwarteten Pressekonferenz in Stockholm.

Der neue Literaturnobelpreisträger zeigte sich ausweichend, stets darauf bedacht, sich möglichst nicht in eine politische Diskussion verstricken zu lassen.

"Mein mittlerer Name, der den ich benutze, ist Mo Yan. Als Kind habe ich eher zu viel gesprochen und damit meinen Eltern Ärger gemacht. Heute bin ich Schriftsteller und schreibe das auf, was ich sagen möchte."

Das, was der Chinese schreibt, wird von den Kritikern weltweit hochgelobt. Wie eine Mischung aus Faulkner und Dickens sei dieser Mo Yan, seine Bücher aus der chinesischen Provinz so farbenprächtig wie eine Pekingoper.

Und trotzdem: Der Literaturnobelpreis für Mo Yan Trotz bleibt politisch umstritten. Er sei ein Staatsschriftsteller, sagen seine Kritiker. Das KP-Mitglied Mo Yan sei einer mit viel zu wenig Distanz zur politischen Führung in Peking. Eine Argumentation, mit der der 57-jährige offenbar nur wenig anfangen kann.

"Diese Auszeichnung zu bekommen, ist etwas Persönliches. Der Nobelpreis geht an einen Autoren und nicht an ein Land."

Das sehen andere Intellektuelle doch etwas anders. Der Regimekritiker Ai Weiwei zum Beispiel hatte die Auszeichnung als Schande bezeichnet. Die deutsche Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller sprach sogar von einer "Ohrfeige für alle, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen" und unterstellte Mo Yan, die Zensur in China zu unterstützen.

"Ich bin gegen alle Zensur. Und ich habe das System der Zensur auch nie gepriesen. Aber sie existiert in allen Ländern. Unterschiedlich ist dabei nur der Grad der Zensur."

Eine typische, doch etwas schwammige Antwort des neuen Literaturnobelpreisträgers. An anderer Stelle verglich er die Zensur andeutungsweise mit einem "Sicherheitscheck am Flughafen".

Kritischen Fragen – zum Beispiel nach der Inhaftierung des Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo - wich er gleich mehrfach aus. Er habe doch schon einmal erklärt, dass er für die Freilassung von Liu Xiaobo sei, sagt Mo Yan. Seine Äußerungen dazu könne man doch "jederzeit im Internet nachlesen". Mehrfach kam die Nachfrage und mehrfach der Verweis auf das Internet.

Eine von anderen Nobelpreisträgern getragene Petition zur Freilassung des chinesischen Oppositionellen will Mo Yan jedenfalls nicht unterzeichnen.

Es war ein eher unterkühlter Auftritt des Geschichtenerzählers aus China, passend zum eiskalten Wetter.

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