Kritik ist gut, aber nicht am König
In Marokko kann man vieles öffentlich diskutieren, aber längst nicht alles. Das zeigt der Fall des liberalen Nachrichtenmagazins „Tel Quel“, dessen jüngste Ausgabe vom marokkanischen Innenministerium soeben beschlagnahmt und vernichtet wurde. Der Grund: Das Magazin hatte sich der zehnjährigen Herrschaft König Mohammed VI widmen wollen – und hätte gar nicht mal so unerfreuliche Ergebnisse präsentieret. Zuviel für die monarchische Geduld war es offenbar dennoch.
Manche marokkanischen Berge sind geschmückt: von großen Schriftzügen, die dreierlei preisen, nämlich „Gott, König, Vaterland“. Diesen dreien bringen die Marokkaner größte Verehrung entgegen – so heißt es zumindest. Allerdings gibt es auch sehr viele Marokkaner, die sich um ein entspanntes, ein nüchternes Verhältnis zu den drei Ikonen mühen.
Dass es zu nüchtern allerdings auch nicht zugehen sollte, das mussten die Herausgeber des liberalen marokkanischen Nachrichtenmagazins „Tel Quel“ sowie der Satirezeitschrift „Nichan“ nun bereits zum zweiten Mal erfahren. Vor zwei Jahren hatte „Nichan“ eine Titelstory zu marokkanischen Witzen über den Islam gebracht, oder besser: bringen wollen. Das Heft wurde beschlagnahmt, der Herausgeber zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
Jetzt wollte „Tel Quel“ eine Bilanz der Herrschaftszeit von König Mohammed VI. bringen. Der ist jetzt zehn Jahre im Amt, was in Marokko derzeit gefeiert wird.
Schon in ihren vorhergehenden Ausgaben hatte sich die Zeitschrift kritisch mit dem König auseinandergesetzt und die monarchische Geduld darüber arg strapaziert. So hatte sie etwa auch einen Blick auf die privaten Vermögenswerte des Monarchen geworfen. Die jüngste Ausgabe wurde nun beschlagnahmt. Erstaunlich ist das nicht, meint der Schriftsteller Abdellah Taïa, der zusammen mit der Redaktion just für diese Ausgabe ein Buch als Beilage geplant hatte, in dem sich junge Schriftsteller zur Lage in Marokko äußern.
„Sobald man in Marokko etwas veröffentlicht, betritt man das Reich der Politik, ob man es will oder nicht. Allein ‚Ich‘ zu sagen oder gar ‚Ich bin‘ hat eine enorme politische Bedeutung. Die Lage hat sich in den letzten Jahren, gerade unter dem neuen König, sehr entspannt. Aber gewisse Themen, vor allem die Politik des Königs selbst, kann man öffentlich kaum ansprechen. Auch darum bin ich nach Frankreich gegangen. Meine Bücher handeln von verschiedenen Formen der Gewalt. Denn in Marokko herrscht eine große Gewalt dem einzelnen gegenüber, und diese Gewalt habe ich Marokko zurückgegeben.“
Auf der Homepage von " Tel Quel " verwahren sich die Herausgeber entschieden gegen die Beschlagnahme und Vernichtung der rund 100.000 Exemplare der aktuellen Ausgabe. Dies um so mehr, als sie gar nicht besonders kritisch gewesen sei. Man habe eine zusammen mit der französischen Tageszeitung „Le Monde“ durchgeführte Meinungsumfrage zur Regierung Mohammed VI. publizieren wollen. Die hätte gezeigt, dass die Marokkaner durchaus zufrieden mit der Herrschaft ihres Königs sind: 91 Prozent hätten sie als positiv“ bis „sehr positiv“ bezeichnet. Beschlagnahmt wurde die Ausgabe dennoch. Die Begründung des Innenministeriums: „Die Monarchie kann nicht zum Gegenstand einer Debatte werden, nicht einmal im Rahmen einer Meinungsumfrage.“
Allerdings hat sich Marokko unter der Herrschaft Mohammeds sehr entwickelt – und zwar, so erstaunlich es klingen mag, auch im Hinblick auf die Bürgerrechte. So werden etwa die Verfolgungen Oppositioneller durch Hassan II, den Vater Mohammeds, uneingeschränkt aufgearbeitet. Und ein neues Familienrecht hat ganz erheblich zur Verbesserung der Lage der Frauen beigetragen. Insgesamt, so der Schriftsteller Tahar Ben Jelloun, kann man dem Land erhebliche Fortschritte attestieren – auch wenn es immer noch mit einigen Missständen zu kämpfen habe.
„Die Situation in Marokko hat sich erheblich verbessert. Es gibt längst nicht mehr so viel Unterdrückung wie vor einigen Jahren noch, auch wenn es natürlich gewisse Tabus gibt. Alles in allem bewegt sich Marokko aber. Die Bürger genießen immer mehr Freiheitsrechte, die für marokkanische Verhältnisse sehr weit gehen und sich auch weiter entwickeln werden. Trotzdem haben natürlich vor allem die jungen Menschen noch Manches auszusetzen. Sie fühlen sich oft beengt. Zugleich aber hoffen sie auch. Denn sie sehen, dass es Möglichkeiten gibt, im Lande etwas zu unternehmen und in es zu investieren.“
Mit der Beschlagnahme der jüngsten Ausgabe von „Tel Quel“ hat der Staat allerdings gezeigt, dass er – und ausschließlich er – die Spielregeln bestimmt. Für die gesamte Presselandschaft ist das ein deutliches Signal. Zwar gibt es sehr viele Zeitungen, die keineswegs regierungshörig sind. Aber so entschieden und mutig wie „Tel Quel“ hatte sich bislang noch keine über die Missstände des Landes geäußert. So war es eine kleine Revolution, als das Magazin vor viereinhalb Jahren auf den Markt kam. Sie ist kritisch wie keine andere, vielleicht sogar zu kritisch in dem Sinn, dass sie gelegentlich auch skandalistisch wirkt, wie ihr auch liberal gesinnte Beobachter vorwerfen.
Doch der neue Stil hat sich für das Magazin gelohnt: Während die übrigen Tageszeitungen in arabischer und französischer Sprache auf eine Gesamtauflage von knapp einer halben Millionen kommen, erreicht „Tel Quel“ eine Auflage von 100.000 Exemplaren. Die Vernichtung ihrer aktuellen Ausgabe zeigt nun, wie viel Demokratisierungsarbeit die Marokkaner noch vor sich haben. Mohammed VI. gilt als aufgeklärter Monarch. In diesem Fall zeigt er sich allerdings eher absolutistisch.
Dass es zu nüchtern allerdings auch nicht zugehen sollte, das mussten die Herausgeber des liberalen marokkanischen Nachrichtenmagazins „Tel Quel“ sowie der Satirezeitschrift „Nichan“ nun bereits zum zweiten Mal erfahren. Vor zwei Jahren hatte „Nichan“ eine Titelstory zu marokkanischen Witzen über den Islam gebracht, oder besser: bringen wollen. Das Heft wurde beschlagnahmt, der Herausgeber zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
Jetzt wollte „Tel Quel“ eine Bilanz der Herrschaftszeit von König Mohammed VI. bringen. Der ist jetzt zehn Jahre im Amt, was in Marokko derzeit gefeiert wird.
Schon in ihren vorhergehenden Ausgaben hatte sich die Zeitschrift kritisch mit dem König auseinandergesetzt und die monarchische Geduld darüber arg strapaziert. So hatte sie etwa auch einen Blick auf die privaten Vermögenswerte des Monarchen geworfen. Die jüngste Ausgabe wurde nun beschlagnahmt. Erstaunlich ist das nicht, meint der Schriftsteller Abdellah Taïa, der zusammen mit der Redaktion just für diese Ausgabe ein Buch als Beilage geplant hatte, in dem sich junge Schriftsteller zur Lage in Marokko äußern.
„Sobald man in Marokko etwas veröffentlicht, betritt man das Reich der Politik, ob man es will oder nicht. Allein ‚Ich‘ zu sagen oder gar ‚Ich bin‘ hat eine enorme politische Bedeutung. Die Lage hat sich in den letzten Jahren, gerade unter dem neuen König, sehr entspannt. Aber gewisse Themen, vor allem die Politik des Königs selbst, kann man öffentlich kaum ansprechen. Auch darum bin ich nach Frankreich gegangen. Meine Bücher handeln von verschiedenen Formen der Gewalt. Denn in Marokko herrscht eine große Gewalt dem einzelnen gegenüber, und diese Gewalt habe ich Marokko zurückgegeben.“
Auf der Homepage von " Tel Quel " verwahren sich die Herausgeber entschieden gegen die Beschlagnahme und Vernichtung der rund 100.000 Exemplare der aktuellen Ausgabe. Dies um so mehr, als sie gar nicht besonders kritisch gewesen sei. Man habe eine zusammen mit der französischen Tageszeitung „Le Monde“ durchgeführte Meinungsumfrage zur Regierung Mohammed VI. publizieren wollen. Die hätte gezeigt, dass die Marokkaner durchaus zufrieden mit der Herrschaft ihres Königs sind: 91 Prozent hätten sie als positiv“ bis „sehr positiv“ bezeichnet. Beschlagnahmt wurde die Ausgabe dennoch. Die Begründung des Innenministeriums: „Die Monarchie kann nicht zum Gegenstand einer Debatte werden, nicht einmal im Rahmen einer Meinungsumfrage.“
Allerdings hat sich Marokko unter der Herrschaft Mohammeds sehr entwickelt – und zwar, so erstaunlich es klingen mag, auch im Hinblick auf die Bürgerrechte. So werden etwa die Verfolgungen Oppositioneller durch Hassan II, den Vater Mohammeds, uneingeschränkt aufgearbeitet. Und ein neues Familienrecht hat ganz erheblich zur Verbesserung der Lage der Frauen beigetragen. Insgesamt, so der Schriftsteller Tahar Ben Jelloun, kann man dem Land erhebliche Fortschritte attestieren – auch wenn es immer noch mit einigen Missständen zu kämpfen habe.
„Die Situation in Marokko hat sich erheblich verbessert. Es gibt längst nicht mehr so viel Unterdrückung wie vor einigen Jahren noch, auch wenn es natürlich gewisse Tabus gibt. Alles in allem bewegt sich Marokko aber. Die Bürger genießen immer mehr Freiheitsrechte, die für marokkanische Verhältnisse sehr weit gehen und sich auch weiter entwickeln werden. Trotzdem haben natürlich vor allem die jungen Menschen noch Manches auszusetzen. Sie fühlen sich oft beengt. Zugleich aber hoffen sie auch. Denn sie sehen, dass es Möglichkeiten gibt, im Lande etwas zu unternehmen und in es zu investieren.“
Mit der Beschlagnahme der jüngsten Ausgabe von „Tel Quel“ hat der Staat allerdings gezeigt, dass er – und ausschließlich er – die Spielregeln bestimmt. Für die gesamte Presselandschaft ist das ein deutliches Signal. Zwar gibt es sehr viele Zeitungen, die keineswegs regierungshörig sind. Aber so entschieden und mutig wie „Tel Quel“ hatte sich bislang noch keine über die Missstände des Landes geäußert. So war es eine kleine Revolution, als das Magazin vor viereinhalb Jahren auf den Markt kam. Sie ist kritisch wie keine andere, vielleicht sogar zu kritisch in dem Sinn, dass sie gelegentlich auch skandalistisch wirkt, wie ihr auch liberal gesinnte Beobachter vorwerfen.
Doch der neue Stil hat sich für das Magazin gelohnt: Während die übrigen Tageszeitungen in arabischer und französischer Sprache auf eine Gesamtauflage von knapp einer halben Millionen kommen, erreicht „Tel Quel“ eine Auflage von 100.000 Exemplaren. Die Vernichtung ihrer aktuellen Ausgabe zeigt nun, wie viel Demokratisierungsarbeit die Marokkaner noch vor sich haben. Mohammed VI. gilt als aufgeklärter Monarch. In diesem Fall zeigt er sich allerdings eher absolutistisch.