Kritik an Nachrichtensendungen

Mehr Wissenschaft und Mode, statt immer Fußball

05:04 Minuten
Bundesliga-Spiel: Josip Brekalo versucht den Ball ins Netz zu schießen
In den Nachrichtensendungen spielt der Fußball eine große Rolle. Eine zu große, findet die Historikerin Hedwig Richter. © NurPhoto/Zuma Press/picture-alliance
Hedwig Richter im Gespräch mit Anke Schaefer  · 05.12.2019
Audio herunterladen
Die Nachrichten sind der Historikerin Hedwig Richter zu sportdominiert und sie orientierten sich zu stark an Männerinteressen. Das müsse sich ändern, deshalb sollten Wissenschaft und Mode mehr zum Thema werden.
Eigentlich liebt die Historikerin und Demokratieforscherin Hedwig Richter die Nachrichten im Fernsehen. Allerdings stört sie sich daran, dass die Sportmeldungen häufig so dominierten. Dieser Umstand sei historisch gewachsen und das Thema "völlig unterbelichtet", sagt Richter. Richter zufolge spiegele sich in der Gestaltung der Nachrichten immer noch jene Zeit, in der sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen entwickelt habe. "Das waren die Zeiten, da gab es in Deutschland einen Ernährer, den Mann, der samstags Zeit hatte, spätestens am Samstagnachmittag oder am Sonntag, und da haben wir dann das Sportstudio."
Die Historikerin Hedwig Richter steht hinter einem Rednerpult.
Die Historikerin Hedwig Richter © HIS/ Fabian Hammerl
Dabei interessierten sich heute für Fußball zwar 56 Prozent der Männer, aber nur 16 Prozent der Frauen, zitierte Richter aus Umfragen. "Gar nicht interessieren sich für Fußball nur 18 Prozent der Männer, während 50 Prozent der Frauen sich gar nicht für Fußball interessieren." Richter räumte ein, dass auch einige ihrer eigenen Freundinnen ihr widersprechen würden. Auffallend sei bei den Sportnachrichten, dass es immer darum gehe, dass ein junger Mann sich floskelhaft über ein Spiel äußere oder ein "weißer alter Mann X" als Trainer den Verein gewechselt habe.

Alternativ mehr Wissenschaft und Mode

Viel interessanter sei es dagegen, mehr wissenschaftliche Themen in den Nachrichten aufzugreifen, sagte Richter. "Eine interessante Entdeckung, die gemacht wurde." Als Historikerin fiele ihr dabei auch viel Geschichtliches ein. Im britischen Sender BBC werde Wissenschaft in den Nachrichten stärker thematisiert. Sie glaube, dass dies Frauen mehr interessieren würde, aber auch die Männer hätten sich verändert. "Männer sind heute auch nicht mehr diese Typen aus den 1960er-Jahren, die sich dann vor das Fernsehen pflanzen und von der Frau das Bier bringen lassen." Auch Männer hätten weitere Interessenfelder, neben der Wissenschaft könnte das auch Mode sein.
"Wir haben uns durchaus weiterentwickelt, wir Männer", sagt Thomas Wiecha, Leiter der Nachrichten- und Sportredaktion bei Deutschlandfunk Kultur, er würde aber das Thema Mode nicht in den Nachrichten erwarten. Allerdings zeigt er sich offen gegenüber wissenschaftlichen Themen – die gebe es bereits in den Nachrichten, allerdings keine Sportergebnisse mehr, denn die könne man sich woanders holen. Sport sei nur Nachrichtenthema, wenn es um Sportpolitik oder gesellschaftliche Ereignisse gehe. Wiecha betont, dass bei DLF Kultur zum Beispiel 64 Prozent der Mitarbeitenden in der Nachrichtenredaktion Frauen seien.
(gem)

Die Historikerin Hedwig Richter forscht seit 2016 am Hamburger Institut für Sozialforschung und ist Privatdozentin an der Universität Greifswald. Richter studierte Geschichte, Deutsche Literatur und Philosophie an der Universität Heidelberg, der Queen’s University Belfast sowie der Freien Universität Berlin. Sie beschäftigt sich unter anderem mit europäischer Geschichte, Geschlechter- sowie Demokratie- und Diktaturforschung.