Kritik an der Kunstszene

"Keiner rebelliert mehr, keiner wagt den Angriff"

Der Künstler Via Lewandowsky im Museum der bildenden Künste in Leipzig
Via Lewandowsky war in der DDR Mitglied der Avantgardegruppe "AutoPerforationsartisten". © Hendrik Schmidt/dpa
Via Lewandowsky im Gespräch mit Susanne Burkhardt · 23.11.2017
Der Künstler Via Lewandowsky betrachtet die eigene Szene mit einiger Skepsis. Er empfindet sie als opportun, Ikonen vom Kaliber eines Joseph Beuys seien nicht in Sicht. Durchdachter Protest käme nicht von Künstlern, sondern aus dem Unterhaltungssektor, etwa von Jan Böhmermann.
Lewandowsky ist einer der Teilnehmer eines Symposiums in Berlin, das den Titel trägt: "Fragile Affinities – (Re)Strengthening International Artistic Collaboration". Mit Blick auf den erstarkten Nationalismus in vielen EU-Staaten und den angekündigten EU-Austritt Großbritanniens diskutieren die Künstler über gemeinsame Strategien und Vernetzung. Lewandowsky kennt sich bestens mit künstlerischer Gruppenarbeit aus. In der DDR war er Mitglied der Avantgardegruppe "AutoPerforationsartisten".
Im Deutschlandfunk Kultur sprach Lewandowsky über verschiedene Formen künstlerischer Auseinandersetzung mit politischen Themen und kritisierte die zeitgenössische Kunstszene. Politischer Aktivismus in der Bildenden Kunst sei dann problematisch, wenn sich die Arbeiten nicht mehr von denen der Journalisten unterscheiden ließen. Ein Beispiel dafür sei der chinesische Künstler Ai Weiwei. Dass dieser sich wie ein verstorbenes Flüchtlingskind an den Strand gelegt hat, bezeichnete Lewandowsky zudem als "zynisch", "ethisch fragwürdig" und "eine anmaßende Geste".

Lob für Böhmermann, Kritik für Ai Weiwei

Moderator Jan Böhmermann und der chinesische Künstler Ai Weiwei
Der Moderator Jan Böhmermann und der chinesische Künstler Ai Weiwei.© picture alliance / dpa / Ole Spata / Rainer Jensen
"Das Problem mit Ai Weiwei ist einfach, dass hier die Kunst sich einfach eines Themas bemächtigt hat. Und deshalb traue ich auch solchen Geschichten wie der Documenta nicht so ganz."
Es gebe den Trend, dass Ausstellungen immer stärker politisch ausgerichtet seien. Lewandowsky sieht "die Gefahr, dass es sehr beliebig wird und austauschbar". Die Künstler spielten nur vorübergehend eine Rolle, kaum einer werde zu einer ikonografischen Künstlerpersönlichkeit. Lewandowsky erkennt zurzeit keinen Künstler vom Kaliber eines Joseph Beuys oder Gerhard Richter.
So politisch manche Werke und Aktionen auch seien, als wirklich mutig empfindet er die zeitgenössische Kunstszene nicht. Heutzutage würden teils skandalöse Dinge einfach zur Kenntnis genommen.
"Keiner rebelliert mehr, keiner wagt den Angriff. Das machen dann plötzlich eher Leute aus dem Unterhaltungssektor wie Jan Böhmermann oder plötzlich Architekten oder Designer, die Dinge entwickeln, wo ich denke: 'Wow, das ist aber mutig!'"

Ärger über die Angepasstheit

Insbesondere die Angepasstheit vieler Künstler ärgere ihn. "Die Kunstszene ist schon extrem opportun geworden und extrem gefällig", sagte Lewandowsky.
Das Berliner "Zentrum für politische Schönheit" hatte für eine Aktion das Nachbargrundstück von Björn Höcke angemietet und eine Nachbildung der Berliner Holocaust-Gedenkstelen aufgestellt.
Das Berliner "Zentrum für politische Schönheit" hatte für eine Aktion das Nachbargrundstück von Björn Höcke angemietet und eine Nachbildung der Berliner Holocaust-Gedenkstelen aufgestellt.© Deutschlandradio / Henry Bernhard
Eine Ausnahme sei der Nachbau des Berliner Holocaust-Mahnmals durch die Aktionskünstler vom "Zentrum für politische Schönheit". Schließlich verbinde sich mit der Protestaktion gegen den AfD-Politiker auch ein kluges Konzept und nicht nur die eine Aktion. Diese Künstler gingen genau dem nach, was Lewandowsky als Aufgabe der Kunst begreift: "Sie spielen den Müllmann für den Dreck, den es in der Gesellschaft gibt."
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