Kritik an den Bauvisionen

Von Axel Schröder |
Die IBA soll der Hamburger Stadtplanung mit Ideen und Konzepten helfen, Probleme der Stadtentwicklung zu meistern. Doch bevor die Schau überhaupt begonnen hat, hagelt es bereits Protest. Architekten und Aktivisten haben dabei gute Argumente.
Sonnenschein und blauer Himmel über Hamburg-Wilhelmsburg, pünktlich zur Eröffnungsfeier. Das wird dem Ersten Bürgermeister Olaf Scholz und dem IBA-Chef Uli Hellweg gefreut haben. Weniger glücklich sind sie über die Proteste der IBA-Gegner.

Rund 1.000 Demonstranten stehen vis à vis der neuen Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, einem der Vorzeigeprojekte der IBA: eine organisch geschwungene buntgekachelte Fassade, der erste deutsche Behördenbau im Passivhausstandard. Gegen diesen Standard haben die Demonstranten auch nichts. Aber sie kritisieren die steigenden Mieten in Wilhelmsburg. Seit klar ist, dass die IBA den jahrzehntelang von den Planern vernachlässigten Stadtteil als Projektgebiet auserkoren hat, sind diese Mietsteigerungen zu beobachten. Dass sie IBA ein !"Erneuerbares Wilhelmsburg" schafft, wie es die Werbeprospekte versprechen, daran glaubt hier kaum niemand.

"Wilhelmsburg wird aufgewertet und vermarktet. Für den von der IBA und dem Senat erhofften Zuzug bürgerlicher Mittelschichten."

Einen Kilometer entfernt: Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz steht auf einer schwimmenden Bühne auf dem Teich am Bürgerhaus Wilhelmsburg. Und betont die Chancen für den Stadtteil, die die IBA erst eröffnen:

"Was hier geschieht, stößt international auf großes Interesse. Ich verspreche mir davon aber auch ein neues optimistisches Selbstbewusstsein aller, die hier leben. Und ein neugieriges Staunen im übrigen Stadtgebiet darüber, was sich auf der anderen Seite der Elbe so tut."

Neue Ideen für ein zukunftsfähiges Bauen will die IBA zeigen: wie das Zusammenleben in der multikulturellen Gesellschaft nicht nur gelingen, sondern zum Standortvorteil werden kann, davon handelt der Themenkomplex "Kosmopolis": leisten soll das zum Beispiel das neugebaute Bildungszentrum "Tor zur Welt": das Zentrum organisiert Erwachsenenbildung, Familienförderung, Jugendhilfe, Sprachkurse und Schulberatung.

Das Thema "Stadt im Klimawandel" ist in den "Water-Houses" umgesetzt. Mehretagenhäuser, die, man ahnt es, im Wasser stehen und per Gangway erreichbar sind. Konsequenter ist da das "IBA-Dock": die Stahlmodule erinnern an Frachtcontainer. Auf einer Schwimmplattform im Müggenburger Zollhafen heben und senken sie sich mit Ebbe und Flut, sind zentrale Anlaufstelle für die IBA-Besucher. Der dritte Themenkomplex, die "Metrozonen", soll Lösungen für die Probleme in den deutschen Banlieus geben: wie lassen sie sich aufwerten ohne die alten Mieter zu vertreiben? Übertragen auf das IBA-Labor Hamburg-Wilhelmsburg heißt das: der Stadtteil zwischen den rauchenden Schloten von Kupferhütten und Ölmühlen, zwischen Autobahntrassen und Containerumschlag soll schöner werden. IBA-Chef Uli Hellweg kommt ins Schwärmen:

"Diese Orte, die müssen wir so lebenswert machen. Und das können wir auch! Wir haben hier viel Wasser, wir haben hier viel Landschaft. Wir haben großartige historische Bausubstanz hier in Wilhelmsburg: Windmühlen, Reetdachhäuser, die alle sozusagen im Schatten diese Industriemoderne stehen und diesen Konflikt, den wollen wir lösen und das zeigen wir mit der IBA, das man ihn lösen kann."

An spannenden Anschauungsobjekten mangelt es der IBA dabei nicht: am so genannten Algenhaus wächst Biomasse in mit Wasser befüllten flachen Fassadenelementen. Irgendwann einmal könnten diese Algen verbrannt werden und über Heißwasser und eine Turbine dann Strom erzeugen. Und der Energiebunker, ein Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg dient nun als Energiespeicher: dort, wo einst bis zu 30.000 Menschen Zuflucht vor den Bomben gesucht haben, ragt nun ein riesiger Heißwassertank in die Höhe: gespeist aus der Abwärme der angrenzenden Industriebetriebe oder durch überschüssigen Windstrom. Über Rohrleitungen versorgt der Bunker nun 2.000 Wilhelmsburger Wohnungen mit Nahwärme. Die Solarmodule an der Außenfassade liefern Strom an 1.000 Haushalte. – Die IBA in Hamburg-Wilhelmsburg präsentiert knapp 70 Projekte, von denen die meisten beeindrucken, zukunftsweisende Wohnformen und –technologien zeigen.

Aber nicht überall, wo IBA drauf steht, ist tatsächlich auch IBA drin: beim IBA-Energieberg handest es sich zum Beispiel um eine alte – im Volksmund "Dioxinberg" genannte – Müllkippe. Auf der drehten sich schon lange vor der Bauausstellung Windkraftanlagen. Jetzt klebt das Label IBA-Projekt auf dem Dioxin- nein: Energieberg. Die alten Absperrzäune sind weg und ein Naherholungsgebiet für die Wilhelmsburger ist geschaffen. – Die Demonstranten, die heute von der Eröffnungsfeier von Polizeihundertschaften ferngehalten wurden, prangern zudem die blinden Flecke der IBA an: um die Wohnsilos am Rande Wilhelmsburg, kümmere sich die Bauausstellung nicht. Obwohl gerade dieses Quartier verfällt und die Eigentümerin, der Immobilienfirma Gagfah, nichts dagegen unternehme. Der IBA-Chef Uli Hellweg kennt diese Kritik.

"Das ist ein wohnungspolitisches Problem, was sich sozusagen auch der IBA entzieht. Wir haben mehrere Gespräche auch mir der Gagfah geführt, haben auch angeboten, ein IBA-Projekt daraus zu machen, wenn man die Häuser modernisieren würde. Aber die Bereitschaft dafür war nicht da."

Die IBA in Hamburg ist sehenswert. Auch, wenn zwei Drittel der Bauprojekte noch nicht abgeschlossen sind. Auch, wenn sie Teile Wilhelmsburgs ausspart. Auch, wenn eine Ausstrahlung auf andere Städte vermutlich ausbleiben wird. Den großen Wurf aber schafft diese IBA nicht.
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