Kritik an Bauvorhaben der Europäischen Zentralbank
Als respektlos hat der Architekt Christoph Mäckler die Pläne für den Umbau der denkmalgeschützten alten Frankfurter Markthalle durch die Europäische Zentralbank (EZB) kritisiert. Die Umgestaltung des Gebäudes, hinter dem ein 160 Meter Turm errichtet werden soll, nannte er einen "symbolischen Zerstörungsakt".
Kassel: Christoph Mäckler ist selber Architekt in Frankfurt, lehrt aber unter anderem auch an der Universität Dortmund. Deshalb begrüße ich ihn jetzt in unserem Studio in Dortmund und muss Sie als Erstes fragen: Herr Mäckler, wie wir ja gehört haben und auch in mehreren Zeitungen gelesen, soll immerhin diese Markthalle nicht abgerissen werden, sondern lediglich umgebaut und im Grundsatz erhalten. Warum ist das trotzdem so problematisch für Sie?
Mäckler: Es wäre überhaupt nicht problematisch, wenn man den ersten Preis, der ausjuriert wurde, auch bauen würde, der nämlich vorsah, dass die Großmarkthalle als Dokument der Frühen Moderne in Frankfurt am Main erhalten bleiben würde. Dass natürlich Umbauten notwendig sind, wenn ich eine Großmarkthalle in einen repräsentativen Raum für Besprechungsräume, für Konferenzräume und ich weiß nicht was alles umwandeln will, das ist wohl selbstverständlich, also darum geht es mit Sicherheit nicht. Sondern es geht eigentlich nur darum, dass dieser Wettbewerbsentwurf so verändert wurde, dass jetzt doch ein erheblicher Eingriff in die alte Großmarkthalle stattfindet, die unter Denkmalschutz steht und eigentlich auch ohne, dass sie unter Denkmalschutz steht, bewahrt werden müsste.
Kassel: Nun ist es so, sehr einfach ausgedrückt, Sie haben es ja schon erwähnt, im ursprünglichen Plan hätte das Hochhaus, wenn man auf die Halle kuckt, aus einer bestimmten Richtung hinter der Halle gestanden. Bei der momentanen Planung, so, wie sie mir bekannt ist, steht dieses Gebäude, der neue Gebäudeteil quasi mitten in der Halle. Man sieht links und rechts noch diese 200 Meter lange Halle, aber der Hauptsitz der EZB ist dann mittendrin. Wenn das jetzt so gebaut werden würde, was würde dann in Ihren Augen alles verloren gehen?
Mäckler: Das stimmt nicht ganz, was Sie sagen. Zunächst einmal baut die Europäische Zentralbank einen weit sichtbaren 160 Meter hohen Turm. Und dieser Turm steht hinter der Großmarkthalle und von dem Turm aus geht jetzt ein so genannter Querriegel, den die Architekten durch das Gebäude durchtreiben wollen, der die Großmarkthalle in zwei Teile zerfallen lässt. Und wenn man sich vorstellt, das ist ein 220 Meter langes Gebäude, dann kann man sich vorstellen, welchen zerstörerischen Eindruck, welche Symbolik hier sichtbar werden wird. Man kann sich auch gar nicht vorstellen, dass die EZB so etwas als Repräsentation eines europäischen Bankinstitutes verstehen kann. Zerstörung kann eigentlich nicht Repräsentation sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man mit Zerstörung in unserer Zeit noch repräsentieren kann. Das konnte man vielleicht in Revolutionszeiten, vielleicht konnte man das in den 68er Jahren. Vielleicht kann man das mit Gebäuden machen, die im Dritten Reich entstanden sind. So etwas gibt es ja. Es gibt ja im Grunde genommen das gleiche Konzept schon gebaut in Nürnberg auf dem Reichsparteitagsgelände. Dort hat der Architekt Günther Domenig, auch ein Österreicher übrigens, auch einen solchen Riegel durch dieses riesige Bauwerk der Nazis durchgeschoben, und da kann man das noch verstehen, wenn man die Symbolik versteht. Nur hier geht es um die Großmarkthalle. Und die Großmarkthalle ist ein Bauwerk, das den sozialdemokratischen Aufbruch nach dem Ersten Weltkrieg regelrecht repräsentiert. Dass ausgerechnet diese Gebäude nun einem solchen symbolischen Zerstörungsakt anheim fallen sollen, ist eigentlich völlig unverständlich. Es gibt auch überhaupt keinen funktionalen Grund. Wenn es einen funktionalen Grund dafür gebe, diesen Riegel dort hindurchzutreiben, dann würde man das vielleicht auch noch verstehen können. Nur so bleibt es eigentlich völlig unverständlich.
Kassel: Dieser Konflikt, den wir hier gerade erleben, zwischen den offenbar aus ihrer eigenen Sicht vorhandenen Interessen der Europäischen Zentralbank, was die Funktionalität ihres neuen Hauptsitzes angeht, und dem Denkmalschutz, das ist ja ein uralter Konflikt, den gibt es immer wieder. Wir kennen es aus dem privaten Bereich, wo Leute sagen, ich würde mir niemals ein denkmalgeschützes Haus kaufen, das ist viel zu kompliziert. Die EZB hat das jetzt getan. Hat sie nicht doch ein Recht darauf, sich selber auszusuchen, wie das Ganze am Ende aussehen soll?
Mäckler: Ach, ich weiß nicht, ob es da um Recht geht. Es geht einfach um Kultur. Es geht einfach um europäische Kultur. Wenn wir in Europa uns in irgendeiner Weise dem ganzen asiatischen unglaublichen Wirtschaftsboom erwehren wollen, dann doch nur über die Kultur unserer europäischen Stadt. Das ist das Einzige, was wir dem entgegensetzen können. Es ist doch ein europäisches Institut. Es ist doch ein öffentliches Gebäude. Der Europäischen Union muss doch ihre eigene Baukultur sehr viel Wert sein. Und ich weiß, dass der Herr Trichet ein sehr Kultur beflissener Mann ist, und ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass er das Projekt, so wie es da ist, überhaupt kennt. Wenn er es kennen würde, bin ich sicher, dass es so nicht umgesetzt würde. Es geht einfach um unsere Baukultur. Und ich finde es einfach respektlos, wie man als Architekt der Moderne, als sozusagen Enkel Martin Elsässers, so mit unserer Baukultur umgeht. Wir hacken uns unsere eigenen Beine ab.
Kassel: Halten Sie das, was da gerade passiert, für einen Einzelfall? Ich denke zum Beispiel an Berlin, wo in dieser Woche auch ein denkmalgeschützter Industriekomplex im Stadtteil Oberschöneweide, eine alte Fernmeldekabelfabrik, abgerissen wird. Mir ist von der Logik her nicht klar, wie das geht, dass man ein denkmalgeschütztes Objekt abreißt. Aber offenbar geht es. Es gab in Saarbrücken Streit mit einem Einkaufszentrum, das in ein denkmalgeschütztes Objekt rein soll. Sehen Sie das als Trend, dass der Denkmalschutz schwächer wird gegenüber anderen Interessen?
Mäckler: Sie haben recht, es gibt einen momentanen Trend, der den Denkmalschutz schwächt. Nur glaube ich, dass das ein Trend ist, der sehr schnell ein Ende finden wird, weil die Bevölkerung sich mehr und mehr vehement einfach wehrt. Wenn Sie heute in irgendeinem Altstadtbereich bauen, dann haben Sie sofort die ganze Diskussion auf sich gezogen, selbst wenn Sie sich noch so zurückhalten. Das heißt, die Gesellschaft ist sensibel geworden, sie hat einfach die Schnauze voll von dieser Zerstörungswut, die oftmals leider durch Fahrlässigkeit oder gerade zu brutalem Vorgehen der Architekten provoziert wird und nicht nur durch die Architekten. Das sind natürlich auch oftmals die Bauherren, die natürlich ganz andere Ideen haben, nämlich eine Wertsteigerung eines Grundstückes zum Beispiel, die spielen da auch eine riesengroße Rolle.
Nehmen Sie Sir Norman Foster, nun wahrlich kein Architekt der nach hinten schaut. Wie ist er mit dem Reichstag umgegangen? Ich meine, wir gehen da, ich weiß nicht, 50 Stufen nach oben, bis wir in unser Parlament kommen. Das ist nun wirklich nicht der Ausdruck eines demokratischen Staates, so wie wir ihn heute in die Architektur umsetzten würden bei einem Parlamentsgebäude. Trotzdem wird der Wallot-Bau erhalten, wird von Foster erhalten und man bringt im Inneren dann all das hinein, was unserer Zeit entspricht. So kann man auch mit Gebäuden umgehen. Und es gibt noch andere Gebäude, hier in Essen zum Beispiel, auch übrigens von Foster, in der Zeche Zollverein. Gebäude, die einfach umgewandelt werden und völlig andere Funktionen früher hatten. Also, wenn man will, kann man mit solchen alten Gehäusen wunderbar umgehen, dafür gibt es Beispiele noch und noch und wir sollten sie immer wieder aufzählen, um einfach deutlich zu machen, dass wir mit unserer Geschichte etwas pfleglicher umgehen können, wenn wir wollen.
Kassel: Christoph Mäckler, Architekt in Frankfurt am Main über den aktuellen Streit über den Umbau der Frankfurter Markthalle zur Zentrale der Europäischen Zentralbank und der offenbar nachlassenden Bedeutung des Denkmalschutzes generell in Deutschland.
Mäckler: Es wäre überhaupt nicht problematisch, wenn man den ersten Preis, der ausjuriert wurde, auch bauen würde, der nämlich vorsah, dass die Großmarkthalle als Dokument der Frühen Moderne in Frankfurt am Main erhalten bleiben würde. Dass natürlich Umbauten notwendig sind, wenn ich eine Großmarkthalle in einen repräsentativen Raum für Besprechungsräume, für Konferenzräume und ich weiß nicht was alles umwandeln will, das ist wohl selbstverständlich, also darum geht es mit Sicherheit nicht. Sondern es geht eigentlich nur darum, dass dieser Wettbewerbsentwurf so verändert wurde, dass jetzt doch ein erheblicher Eingriff in die alte Großmarkthalle stattfindet, die unter Denkmalschutz steht und eigentlich auch ohne, dass sie unter Denkmalschutz steht, bewahrt werden müsste.
Kassel: Nun ist es so, sehr einfach ausgedrückt, Sie haben es ja schon erwähnt, im ursprünglichen Plan hätte das Hochhaus, wenn man auf die Halle kuckt, aus einer bestimmten Richtung hinter der Halle gestanden. Bei der momentanen Planung, so, wie sie mir bekannt ist, steht dieses Gebäude, der neue Gebäudeteil quasi mitten in der Halle. Man sieht links und rechts noch diese 200 Meter lange Halle, aber der Hauptsitz der EZB ist dann mittendrin. Wenn das jetzt so gebaut werden würde, was würde dann in Ihren Augen alles verloren gehen?
Mäckler: Das stimmt nicht ganz, was Sie sagen. Zunächst einmal baut die Europäische Zentralbank einen weit sichtbaren 160 Meter hohen Turm. Und dieser Turm steht hinter der Großmarkthalle und von dem Turm aus geht jetzt ein so genannter Querriegel, den die Architekten durch das Gebäude durchtreiben wollen, der die Großmarkthalle in zwei Teile zerfallen lässt. Und wenn man sich vorstellt, das ist ein 220 Meter langes Gebäude, dann kann man sich vorstellen, welchen zerstörerischen Eindruck, welche Symbolik hier sichtbar werden wird. Man kann sich auch gar nicht vorstellen, dass die EZB so etwas als Repräsentation eines europäischen Bankinstitutes verstehen kann. Zerstörung kann eigentlich nicht Repräsentation sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man mit Zerstörung in unserer Zeit noch repräsentieren kann. Das konnte man vielleicht in Revolutionszeiten, vielleicht konnte man das in den 68er Jahren. Vielleicht kann man das mit Gebäuden machen, die im Dritten Reich entstanden sind. So etwas gibt es ja. Es gibt ja im Grunde genommen das gleiche Konzept schon gebaut in Nürnberg auf dem Reichsparteitagsgelände. Dort hat der Architekt Günther Domenig, auch ein Österreicher übrigens, auch einen solchen Riegel durch dieses riesige Bauwerk der Nazis durchgeschoben, und da kann man das noch verstehen, wenn man die Symbolik versteht. Nur hier geht es um die Großmarkthalle. Und die Großmarkthalle ist ein Bauwerk, das den sozialdemokratischen Aufbruch nach dem Ersten Weltkrieg regelrecht repräsentiert. Dass ausgerechnet diese Gebäude nun einem solchen symbolischen Zerstörungsakt anheim fallen sollen, ist eigentlich völlig unverständlich. Es gibt auch überhaupt keinen funktionalen Grund. Wenn es einen funktionalen Grund dafür gebe, diesen Riegel dort hindurchzutreiben, dann würde man das vielleicht auch noch verstehen können. Nur so bleibt es eigentlich völlig unverständlich.
Kassel: Dieser Konflikt, den wir hier gerade erleben, zwischen den offenbar aus ihrer eigenen Sicht vorhandenen Interessen der Europäischen Zentralbank, was die Funktionalität ihres neuen Hauptsitzes angeht, und dem Denkmalschutz, das ist ja ein uralter Konflikt, den gibt es immer wieder. Wir kennen es aus dem privaten Bereich, wo Leute sagen, ich würde mir niemals ein denkmalgeschützes Haus kaufen, das ist viel zu kompliziert. Die EZB hat das jetzt getan. Hat sie nicht doch ein Recht darauf, sich selber auszusuchen, wie das Ganze am Ende aussehen soll?
Mäckler: Ach, ich weiß nicht, ob es da um Recht geht. Es geht einfach um Kultur. Es geht einfach um europäische Kultur. Wenn wir in Europa uns in irgendeiner Weise dem ganzen asiatischen unglaublichen Wirtschaftsboom erwehren wollen, dann doch nur über die Kultur unserer europäischen Stadt. Das ist das Einzige, was wir dem entgegensetzen können. Es ist doch ein europäisches Institut. Es ist doch ein öffentliches Gebäude. Der Europäischen Union muss doch ihre eigene Baukultur sehr viel Wert sein. Und ich weiß, dass der Herr Trichet ein sehr Kultur beflissener Mann ist, und ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass er das Projekt, so wie es da ist, überhaupt kennt. Wenn er es kennen würde, bin ich sicher, dass es so nicht umgesetzt würde. Es geht einfach um unsere Baukultur. Und ich finde es einfach respektlos, wie man als Architekt der Moderne, als sozusagen Enkel Martin Elsässers, so mit unserer Baukultur umgeht. Wir hacken uns unsere eigenen Beine ab.
Kassel: Halten Sie das, was da gerade passiert, für einen Einzelfall? Ich denke zum Beispiel an Berlin, wo in dieser Woche auch ein denkmalgeschützter Industriekomplex im Stadtteil Oberschöneweide, eine alte Fernmeldekabelfabrik, abgerissen wird. Mir ist von der Logik her nicht klar, wie das geht, dass man ein denkmalgeschütztes Objekt abreißt. Aber offenbar geht es. Es gab in Saarbrücken Streit mit einem Einkaufszentrum, das in ein denkmalgeschütztes Objekt rein soll. Sehen Sie das als Trend, dass der Denkmalschutz schwächer wird gegenüber anderen Interessen?
Mäckler: Sie haben recht, es gibt einen momentanen Trend, der den Denkmalschutz schwächt. Nur glaube ich, dass das ein Trend ist, der sehr schnell ein Ende finden wird, weil die Bevölkerung sich mehr und mehr vehement einfach wehrt. Wenn Sie heute in irgendeinem Altstadtbereich bauen, dann haben Sie sofort die ganze Diskussion auf sich gezogen, selbst wenn Sie sich noch so zurückhalten. Das heißt, die Gesellschaft ist sensibel geworden, sie hat einfach die Schnauze voll von dieser Zerstörungswut, die oftmals leider durch Fahrlässigkeit oder gerade zu brutalem Vorgehen der Architekten provoziert wird und nicht nur durch die Architekten. Das sind natürlich auch oftmals die Bauherren, die natürlich ganz andere Ideen haben, nämlich eine Wertsteigerung eines Grundstückes zum Beispiel, die spielen da auch eine riesengroße Rolle.
Nehmen Sie Sir Norman Foster, nun wahrlich kein Architekt der nach hinten schaut. Wie ist er mit dem Reichstag umgegangen? Ich meine, wir gehen da, ich weiß nicht, 50 Stufen nach oben, bis wir in unser Parlament kommen. Das ist nun wirklich nicht der Ausdruck eines demokratischen Staates, so wie wir ihn heute in die Architektur umsetzten würden bei einem Parlamentsgebäude. Trotzdem wird der Wallot-Bau erhalten, wird von Foster erhalten und man bringt im Inneren dann all das hinein, was unserer Zeit entspricht. So kann man auch mit Gebäuden umgehen. Und es gibt noch andere Gebäude, hier in Essen zum Beispiel, auch übrigens von Foster, in der Zeche Zollverein. Gebäude, die einfach umgewandelt werden und völlig andere Funktionen früher hatten. Also, wenn man will, kann man mit solchen alten Gehäusen wunderbar umgehen, dafür gibt es Beispiele noch und noch und wir sollten sie immer wieder aufzählen, um einfach deutlich zu machen, dass wir mit unserer Geschichte etwas pfleglicher umgehen können, wenn wir wollen.
Kassel: Christoph Mäckler, Architekt in Frankfurt am Main über den aktuellen Streit über den Umbau der Frankfurter Markthalle zur Zentrale der Europäischen Zentralbank und der offenbar nachlassenden Bedeutung des Denkmalschutzes generell in Deutschland.