Kritik am Verein Deutsche Sprache

Anti-Gendern-Aufruf ist zu polemisch

05:25 Minuten
Aus einem schwarzen Papierloch schaut ein Gendersternchen hervor.
Der Verein Deutsche Sprache verurteilt unter anderem den Genderstern als "weitere Verrenkung" der geschlechtergerechten Sprache. © dpa picture alliance/ dpa-Zentralbild/ Sascha Steinach
Thomas Niehr im Gespräch mit Gesa Ufer · 07.03.2019
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Der Verein Deutsche Sprache hat einen Aufruf gegen den "Gender-Unfug" veröffentlicht. Sprachwissenschaftler Thomas Niehr kann das nicht nachvollziehen. Der Verein erwecke den Eindruck, Nutzer würden in ihrem Sprachgebrauch bevormundet.
Sprachwissenschaftler Thomas Niehr kann über den Aufruf des Vereins Deutsche Sprache mit dem Titel "Schluss mit dem Gender-Unfug" nur den Kopf schütteln. "Da wird eine Bevormundung kritisiert und ich kann diese Bevormundung nicht erkennen", sagte Niehr im Deutschlandfunk Kultur. Es sei jedem freigestellt, so zu reden und zu schreiben, wie er möchte.

Genderkonform = Sprachungetüme?

Der Verein Deutsche Sprache hat am Mittwoch einen Brief mit 100 Erstunterzeichnern veröffentlicht, in dem er zum Widerstand gegen "die zunehmenden, durch das Bestreben nach mehr Geschlechtergerechtigkeit motivierten zerstörerischen Eingriffe in die deutsche Sprache" aufruft. Die gendergerechte Sprache beruhe auf dem Irrtum, dass zwischen dem natürlichen und grammatikalischen Geschlecht ein fester Zusammenhang bestehe.
Daraus entstünden lächerliche Sprachgebilde wie "die Fahrzeugführenden" oder "Arbeitnehmenden". Diese Sprache sei zudem nicht durchzuhalten: "Wie lange können wir noch auf ein Einwohnerinnen- und Einwohnermeldeamt verzichten?", fragen die Initiatoren, zu denen die Schriftstellerin Monika Maron und der ehemalige Journalistenausbilder Wolf Schneider gehören.

Dem Bedürfnis, genannt zu werden, Rechnung tragen

Niehr, Professor an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen und schon zu anderen Gelegenheiten Kritiker des Vereins Deutsche Sprache, sagt, es gebe offensichtlich ein gesellschaftliches Bedürfnis danach, in der Sprache nicht nur mitgemeint, sondern auch mitgenannt zu werden. Diesem Bedürfnis könne man durchaus Rechnung tragen, indem man Sprache gendere - in welcher Form auch immer. "Das kann man meines Erachtens nicht einfach abtun mit Verweisen auf abstrakte grammatische Regeln."
(ske)
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