Krisenkommunikation

Am wichtigsten ist das Werben

06:43 Minuten
Angela Merkel ist im Fernsehen zu sehen. Zum ersten Mal in ihrer 15-jährigen Amtszeit wendet sie sich außerhalb der jährlichen Neujahrsansprache direkt an die Bevölkerung
Corona: Angela Merkel wendet sich am 18. März 2020 zum ersten Mal außerhalb der Reihe der jährlichen Neujahrsansprachen direkt an die Bevölkerung. © Imago / IPON
Frank Roselieb im Gespräch mit Nicole Dittmer |
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Zur Bewältigung der Pandemie gehört natürlich ein gutes Krisenmanagement. Wichtig sei aber auch eine gute Kommunikation, sagt der Krisenforscher Frank Roselieb. Man müsse über die Maßnahmen informieren, sie erklären und entsprechend bewerben.
Auch wenn es manchmal nicht den Eindruck macht – der Großteil der Bevölkerung hat Verständnis für die harten Corona-Maßnahmen. Das ergeben zumindest Meinungsumfragen. "Krisenkommunikation ist in Situationen wie der aktuellen fast wichtiger als das eigentliche Krisenmanagement", sagt Frank Roselieb. Er ist Direktor des Kieler Instituts für Krisenforschung und gehört auch einem interdisziplinären Gremium an, das die Regierung von Ministerpräsident Daniel Günther in Schleswig-Holstein berät.
Pandemien seien immer Extremrisiken und erforderten außergewöhnliche Maßnahmen, so Roselieb. Politische Kommunikation müsse dann drei Funktionen erfüllen:
"Als erstes informieren: Was konkret gilt nun? Woran soll ich mich halten? Was passiert, wenn ich es nicht mache? Das Zweite ist das Erklären: Warum sind diese Maßnahmen so getroffen worden? Wie hat man die abgewogen? Wieso 200er und nicht 100er Inzidenz? Wieso 15 Kilometer? Warum nicht 30? Der dritte und wichtigste Punkt ist das Werben für diese Maßnahmen."
Das sei ein bisschen wie Kriegsrhetorik, meint Roselieb: "Man muss ein bisschen Drama aufzeigen, den Ernst der Lage deutlich machen, teilweise auch Alternativlosigkeit aufzeigen – und zum Zweiten so ein bisschen den Silberstreif zeigen. Also deutlich machen, dass nach der harten Zeit auch wieder eine gute Zeit beginnt."

Pflicht und Kür

Bei den Anforderungen an Krisenkommunikatoren unterscheidet der Experte in Pflicht und Kür. Für die Pflicht gebe es sogar eine Norm. "Da sind dann Kriterien drin wie die Echtzeit, das heißt, Sie müssen sehr schnell sein." Sonst werde man irgendwann von Gerüchten überholt.
Zugleich müsse man die Begrenztheit aufzeigen: dass die Maßnahmen nicht ewig gelten würden, und dass das Wissen auch begrenzt sei. "Und das Dritte ist immer die Fairness. Wenn jemand besondere Lasten trägt wie die Gastronomie, die ja die Hygienekonzepte ganz gut einhalten konnte, aber trotzdem geschlossen wurde, müssen sie eben Ausgleich leisten." Die Kür seien eher Kleinigkeiten, in denen sich dann der gute und der sehr gute Krisenmanager unterschieden.
Für die Politik sei das alles eine sehr schwierige Gratwanderung, meint Roselieb. Man könne sich einen Flugschüler vorstellen, um sich die außergewöhnliche Situation auszumalen: "Der ist vielleicht fortgeschritten in der Ausbildung und er kann eine havarierte Maschine besser landen als der Laie – aber er ist eben auch nicht der fertige Pilot mit 20 Jahren Berufserfahrung. Das muss man den Menschen auch kommunizieren."
(mfu)
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