Krise am Badischen Staatstheater

"Spuhler muss sein Verhalten besser in den Griff kriegen"

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Mitarbeiter des Badischen Staatstheaters protestieren vor Beginn einer Sitzung des Verwaltungsrates des Theaters mit Schildern in der Hand für einen Neuanfang an dem Haus. Intendant Spuhler war wegen seines Führungsstils in die Kritik geraten. Zudem gibt es Vorwürfe gegen einen Mitarbeiter des Staatstheaters wegen angeblicher Übergriffe, 17.07.2020.
Mitarbeiter des Badischen Staatstheaters protestieren vor einer Sitzung des Verwaltungsrates des Theaters. Die Kritik richtet sich gegen den Führungsstil des Generalintendanten. © picture alliance/ dpa / Uli Deck
Von Marie-Dominique Wetzel · 18.07.2020
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Ein "Klima der Angst" werfen drei Operndramaturgen am Badischen Staatstheater Generalintendant Peter Spuhler vor. Wie die Lage zu befrieden ist, hatte der Verwaltungsrat zu entscheiden. Spuhler bleibt. Aber es fielen deutliche Worte.
Das Badische Staatstheater in Karlsruhe steckt in einer schweren Krise. Vor drei Wochen äußerten drei scheidende Operndramaturgen erstmals öffentlich massive Kritik am Führungsstil des Generalintendanten Peter Spuhler. Sie warfen ihm vor, am Haus ein "Klima der Angst" geschaffen zu haben und ihnen keinen kreativen Spielraum zu lassen.
Das wirkte wie ein Dammbruch und die Kritik aus der Belegschaft wurde immer heftiger. Nun hat sich der Verwaltungsrat des Badischen Staatstheaters auf seiner Sitzung mit diesen Vorwürfen beschäftigt.

Ist Peter Spuhler als Generalintendant noch zu halten oder nicht? Das war gestern die große Frage. Rund 300 der gut 750 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Badischen Staatstheaters hatten sich am frühen Morgen vor der Verwaltungsratssitzung versammelt, um ihrem Ärger über den Theaterleiter Luft zu machen.

"Wir erwarten, dass klar Stellung bezogen wird und die Mitarbeiter von ihrem Leid erlöst werden, um es mal so auszudrücken", sagte eine Mitarbeiterin.

"Wir wünschen uns für dieses tolle Haus eine großartige Zukunft", sagte ein anderer Mitarbeiter. "Und dafür braucht man eine gute Führung."

Vertrauen ausgesprochen, aber deutliche Worte

Durch das Spalier der Demonstranten gingen dann die Verwaltungsräte zu ihrer Sitzung – und die zog und zog sich. Doch dann sie die Entscheidung einstimmig gefallen, berichtete der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup: "Wir haben ihm das Vertrauen ausgesprochen, wir haben aber gleichzeitig gesagt: Die Situation ist extrem kritisch."
Man müsse nun mit einer großen Anstrengung verschiedene Fragen, Entwicklungslinien und Zuständigkeiten klären, fuhr Mentrup fort: "Herr Spuhler muss sein Verhalten noch besser in den Griff kriegen." Dann müsse man immer wieder entscheiden, ob man auf dem richtigen Weg sei oder nicht. "Aber die aktuelle Situation würde es nicht rechtfertigen, sich von ihm zu lösen und es gab auch keinen entsprechenden Antrag im Verwaltungsrat."

Ein einfaches "Weiter so" soll es indes auch nicht geben. Ein ganzes Maßnahmenpaket wurde auf der Sitzung geschnürt: Möglichst schnell soll ein unabhängiger Vertrauensanwalt eingesetzt werden, als Anlaufstelle für Beschwerden der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und mindestens einmal im Jahr wollen sich die zuständige Ministerin und der Oberbürgermeister mit dem Personalrat zusammensetzen, um über die Situation und Stimmung am Haus zu sprechen. 


Ministerin erläutert Maßnahmen

Baden-Württembergs Kunstministerin Theresia Bauer kündigte eine regelmäßige Mitarbeiterbefragung an, die Rückmeldung über die Mitarbeiterzufriedenheit geben werde. "Die wird auch im Verwaltungsrat regelmäßig diskutiert werden, um zu schauen, ob sich die Dinge verbessern." Die zweite konkrete Maßnahme: "Wir werden zwischen dem Generalintendanten und den Spartendirektoren eine präzisere Beschreibung der Kompetenzen, der Rollen und eben auch der Freiräume für die Spartendirektoren verabreden – auch schriftlich verabreden, damit man sich darauf verlassen kann." Aber am Generalintendanten-Modell möchte die Ministerin weiter festhalten.
Wieviel Macht und Gestaltungsfreiraum Peter Spuhler künftig den Spartenleiterinnen und Spartenleitern tatsächlich einräumt, bleibt abzuwarten.
Das Leitungsteam der Schauspielsparte um Anna Bergmann ist jedenfalls fest entschlossen, grundlegende Veränderungen einzufordern, sagt die stellvertretende Direktorin Anna Haas: "Wir sind mit unserem Ensemble in einem sehr, sehr regen Prozess. Wir machen extrem viele Ensembleversammlungen und das Ensemble trifft sich auch unabhängig, um einen Strukturwandel in die Zukunft zu denken. Also wir suchen gerade wirklich nach Modellen der Teilhabe, nach Modellen der Mitbestimmung, nach Modellen der Partizipation auf Augenhöhe."

Die Enttäuschung bei einem Großteil der Belegschaft war gestern enorm, das bekam auch die Ministerin zu spüren. Peter Spuhler selbst äußerte sich nur in einer schriftlichen Stellungnahme. Er werde, so schreibt er, "offen, respektvoll und in Demut auf alle Kolleg*innen, allen voran den Personalrat, zugehen, auf dass wir verantwortungsvoll gemeinsam in einen Prozess für die Zukunft eintreten".

Karlsruhe könnte ausstrahlen – auch positiv

Der Personalrat erklärte gestern, er hätte sich einen klaren Schnitt gewünscht, um "Druck aus dem Kessel zu nehmen". Jetzt werde man sehr genau darauf schauen, ob die angekündigten Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden und auch wirklich Verbesserungen bewirken.
Viele aus der Belegschaft befürchten, dass die Politiker darauf setzen, dass sich die Lage über die Sommerpause wieder beruhige. Aber danach sieht es im Moment nicht aus.

Die tiefe Führungs- und Vertrauenskrise am Badischen Staatstheater sorgt weit über die Stadt Karlsruhe hinaus für Aufmerksamkeit. Auch Thomas Schmidt, Verfasser der vielbeachteten Studie "Macht und Struktur im Theater" beobachtet die Situation in Karlsruhe sehr genau: "Ich denke, wenn es gelingen wird, in Karlsruhe ein Konzept der Zukunft zu entwickeln, an dem alle beteiligt sind, dann könnte dieses Konzept ausstrahlen. In dieser Form, auch in dieser Öffentlichkeit ist das schon ein sehr maßgebliches Beispiel, in das ich auch meine Hoffnung setze als Ausstrahlungsort auf die anderen Theater – und in einigen ist der Druck tatsächlich schon auch sehr hoch!"
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