Krise allenthalben
Die Wirtschaftskrise ist auch nicht spurlos an den Verlags- und Medienhäusern vorbeigegangen. Von früheren üppigen Millionengewinnen kann die Branche nur noch träumen. Trotzdem kam es auch zu mutigen Neugründungen bzw. Neustarts wie den des "Freitag" unter Jakob Augstein.
Auch wenn man es nicht mehr hören kann: Wenn es ein Wort des Jahres gäbe, das am besten die Situation der Medienbranche im Jahr 2009 zusammenfasst, dann wäre es eindeutig:
"Krise, In der Krise, die Krise ..."
Fallende Umsatzzahlen, die Einstellung von Magazinen, Entlassungen von Redakteuren: Die Branche ist auf der Suche nach der Zukunft. Und das betrifft nicht nur kleinere Verlage, sondern auch den WAZ-Konzern, der Anfang des Jahres mal eben über 300 Redakteure entließ. Auch beim Hamburger Abendblatt des Springerverlags wurden mal eben 50 Redakteure "freigesetzt", wie es so schön heißt, sie waren meist in höherem Alter und wurden durch jüngere ersetzt:
"Ja, das ist, wie man mal ganz krass sagen soll, ein Arschtritt gewesen, und diesen Arschtritt spürt man jeden Tag."
Auch beim zu Bertelsmann gehörenden Gruner und Jahr Verlag wurde gespart: Die Wirtschaftstitel wurden zusammengelegt, Titel eingestellt, wie etwa das Klatschblatt "Park Avenue" oder einige Titel der "Living"-Gruppe, und auch hier mussten Redakteure gehen. Keine Frage: Die Branche hat es nicht leicht – von den üppigen Zeiten, in denen etwa Gruner und Jahr jährlich hundert Millionen Euro und mehr Gewinn machte, können die Verleger nur noch träumen. Gern wird der branchenweite Stellenabbau schon mal als zukunftsweisendes Konzept verkauft, wie es etwa der WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach tat:
"Jetzt haben wir vieles zusammengelegt und haben viel mehr Kapazitäten frei für Recherche. Wir haben erstmalig ein großes Team von Journalisten, die nur recherchieren. Die nicht im Tagewerk festgebunden sind, sondern die frei sind, sich morgens zu entscheiden, mit welchem Thema befassen wir uns heute vertieft."
Stellenabbau als Qualitätssteigerung? Daran zweifeln viele Medienbeobachter - im besten Fall bleibt die Berichterstattung wohl auf konstantem Niveau.
Es gab aber auch Positives zu vermelden: Jakob Augstein, der Verleger-Sohn, der erst kürzlich erklärte, dass sein biologischer Vater in Wahrheit Martin Walser sei, investierte eine große Summe in die linke Wochenzeitung "Der Freitag" und startete im Februar das Blatt mit neuem Konzept: Online und Print miteinander verzahnt und meinungsfreudig:
"Das bedeutet, dass wir glauben, dass guter Journalismus nur aus einer klaren Haltung heraus möglich ist, und dass wir die Meinungen der Leser ernst nehmen – wir respektieren die Meinungen unserer Leser, machen Sie bei uns mit, schreiben Sie uns Ihre Meinung und wenn sie gut begründet ist, dann drucken wir sie ab, im Netz und im Print und Sie haben Teil an dem Freitag, denn es ist ihr Medium."
Die Zeitung hat zwar noch immer nur sehr wenige Leser, aber immerhin: Sie wird wahrgenommen als wichtige Stimme in der Medienlandschaft.
Auch bei den audiovisuellen Medien tat sich in diesem Jahr einiges – es gab zwar keine bedeutsame Neugründung, aber seit November den Versuch, stärker junge Zuschauer anzusprechen: Der neue Digitalkanal heißt: "ZDF.neo":
"Gestatten, neo ..."
Das doch recht mainstreamige Programm rief sogleich die private Konkurrenz auf den Plan: Von Gebührenverschwendung und unlauterer Konkurrenz war die Rede. Die Wogen der Aufregung wegen "ZDF.neo" hatten sich aber bald geglättet, zumal ein viel wichtigeres Thema Ende November die Medienöffentlichkeit beherrschte: Die missglückte Wiederwahl des ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender.
Brender, der durch die öffentliche Debatte gleichsam zum Säulenheiligen des bundesdeutschen Fernsehjournalismus ausgerufen wurde, passte den Unionsgeführten Kreisen im ZDF-Verwaltungsrat nicht in den Kram. Die SPD-Ministerpräsidenten Kurt Beck und Klaus Wowereit konstatierten nach der Abwahl Brenders:
"Damit ist eben ein schwerer Schaden für den ZDF und für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt entstanden. Hier wird ein hervorragender Journalist auf dem pateipolitischen Tableau der CDU geopfert, und das ist ein riesiger Skandal."
Mit Sicherheit wird im nächsten Jahr eine Klage gegen diesen Vorgang geführt werden – die Grünen und die Linkspartei arbeiten bereits daran – nicht aber die SPD.
Und da wir schon bei Skandalen sind, am Schluss noch ein Blick auf die von den Medien aufgeworfenen Affären und Affärchen dieses Jahres: Erinnert sich noch jemand an die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt? Nicht nur sie ist von der politischen Bühne verschwunden, auch jene völlig überflüssige Debatte über den statthaften Gebrauch ihres Dienstwagens in Spanien ist im Orkus des Medienjahres gelandet.
Eine längere Halbwertzeit hatte hingegen die vom Bundesbanker und ehemaligen Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin angestoßene Debatte über die Zustände in sozial schwachen Familien – vor allem jenen mit Migrationshintergrund. Begriffe wie "Kopftuchmädchen" und die "Eroberung Deutschlands durch die Türken" schürten so recht das mediale Feuer – oft auf beklagenswert oberflächlichem Niveau, wie taz-Medienredakteur Steffen Grimberg konstatierte:
"Was ich so traurig finde bei dieser ganzen Skandalitis ist, dass die wirklichen Hintergründe in Vergessenheit geraten. Während wir uns an die kleinen Ursachen, den Aufhänger des Skandals wunderbar erinnern, wir erinnern uns an diese wunderbaren Fotos, ich glaube es war in der BUNTEN, Scharping mit seiner Gräfin im Pool – über die damalige politische Debatte über Sinn und Unsinn der Einsätze in Jugoslawien usw. erinnern wir uns gar nicht mehr so deutlich."
In jedem Fall werden die Medien sich auch im nächsten Jahr mit echten oder vermeintlichen Skandalen beschäftigen: vielleicht mit Dutzenden Doping-Fällen bei den Olympischen Winterspielen in Vancouver, einer neuen reißerischen Reality-Soap in den Privatsendern, diesmal mit Behinderten, oder einer derben politische Schlammschlacht bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen im Mai. Was davon wahr wird – wir werden sehen.
"Krise, In der Krise, die Krise ..."
Fallende Umsatzzahlen, die Einstellung von Magazinen, Entlassungen von Redakteuren: Die Branche ist auf der Suche nach der Zukunft. Und das betrifft nicht nur kleinere Verlage, sondern auch den WAZ-Konzern, der Anfang des Jahres mal eben über 300 Redakteure entließ. Auch beim Hamburger Abendblatt des Springerverlags wurden mal eben 50 Redakteure "freigesetzt", wie es so schön heißt, sie waren meist in höherem Alter und wurden durch jüngere ersetzt:
"Ja, das ist, wie man mal ganz krass sagen soll, ein Arschtritt gewesen, und diesen Arschtritt spürt man jeden Tag."
Auch beim zu Bertelsmann gehörenden Gruner und Jahr Verlag wurde gespart: Die Wirtschaftstitel wurden zusammengelegt, Titel eingestellt, wie etwa das Klatschblatt "Park Avenue" oder einige Titel der "Living"-Gruppe, und auch hier mussten Redakteure gehen. Keine Frage: Die Branche hat es nicht leicht – von den üppigen Zeiten, in denen etwa Gruner und Jahr jährlich hundert Millionen Euro und mehr Gewinn machte, können die Verleger nur noch träumen. Gern wird der branchenweite Stellenabbau schon mal als zukunftsweisendes Konzept verkauft, wie es etwa der WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach tat:
"Jetzt haben wir vieles zusammengelegt und haben viel mehr Kapazitäten frei für Recherche. Wir haben erstmalig ein großes Team von Journalisten, die nur recherchieren. Die nicht im Tagewerk festgebunden sind, sondern die frei sind, sich morgens zu entscheiden, mit welchem Thema befassen wir uns heute vertieft."
Stellenabbau als Qualitätssteigerung? Daran zweifeln viele Medienbeobachter - im besten Fall bleibt die Berichterstattung wohl auf konstantem Niveau.
Es gab aber auch Positives zu vermelden: Jakob Augstein, der Verleger-Sohn, der erst kürzlich erklärte, dass sein biologischer Vater in Wahrheit Martin Walser sei, investierte eine große Summe in die linke Wochenzeitung "Der Freitag" und startete im Februar das Blatt mit neuem Konzept: Online und Print miteinander verzahnt und meinungsfreudig:
"Das bedeutet, dass wir glauben, dass guter Journalismus nur aus einer klaren Haltung heraus möglich ist, und dass wir die Meinungen der Leser ernst nehmen – wir respektieren die Meinungen unserer Leser, machen Sie bei uns mit, schreiben Sie uns Ihre Meinung und wenn sie gut begründet ist, dann drucken wir sie ab, im Netz und im Print und Sie haben Teil an dem Freitag, denn es ist ihr Medium."
Die Zeitung hat zwar noch immer nur sehr wenige Leser, aber immerhin: Sie wird wahrgenommen als wichtige Stimme in der Medienlandschaft.
Auch bei den audiovisuellen Medien tat sich in diesem Jahr einiges – es gab zwar keine bedeutsame Neugründung, aber seit November den Versuch, stärker junge Zuschauer anzusprechen: Der neue Digitalkanal heißt: "ZDF.neo":
"Gestatten, neo ..."
Das doch recht mainstreamige Programm rief sogleich die private Konkurrenz auf den Plan: Von Gebührenverschwendung und unlauterer Konkurrenz war die Rede. Die Wogen der Aufregung wegen "ZDF.neo" hatten sich aber bald geglättet, zumal ein viel wichtigeres Thema Ende November die Medienöffentlichkeit beherrschte: Die missglückte Wiederwahl des ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender.
Brender, der durch die öffentliche Debatte gleichsam zum Säulenheiligen des bundesdeutschen Fernsehjournalismus ausgerufen wurde, passte den Unionsgeführten Kreisen im ZDF-Verwaltungsrat nicht in den Kram. Die SPD-Ministerpräsidenten Kurt Beck und Klaus Wowereit konstatierten nach der Abwahl Brenders:
"Damit ist eben ein schwerer Schaden für den ZDF und für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt entstanden. Hier wird ein hervorragender Journalist auf dem pateipolitischen Tableau der CDU geopfert, und das ist ein riesiger Skandal."
Mit Sicherheit wird im nächsten Jahr eine Klage gegen diesen Vorgang geführt werden – die Grünen und die Linkspartei arbeiten bereits daran – nicht aber die SPD.
Und da wir schon bei Skandalen sind, am Schluss noch ein Blick auf die von den Medien aufgeworfenen Affären und Affärchen dieses Jahres: Erinnert sich noch jemand an die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt? Nicht nur sie ist von der politischen Bühne verschwunden, auch jene völlig überflüssige Debatte über den statthaften Gebrauch ihres Dienstwagens in Spanien ist im Orkus des Medienjahres gelandet.
Eine längere Halbwertzeit hatte hingegen die vom Bundesbanker und ehemaligen Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin angestoßene Debatte über die Zustände in sozial schwachen Familien – vor allem jenen mit Migrationshintergrund. Begriffe wie "Kopftuchmädchen" und die "Eroberung Deutschlands durch die Türken" schürten so recht das mediale Feuer – oft auf beklagenswert oberflächlichem Niveau, wie taz-Medienredakteur Steffen Grimberg konstatierte:
"Was ich so traurig finde bei dieser ganzen Skandalitis ist, dass die wirklichen Hintergründe in Vergessenheit geraten. Während wir uns an die kleinen Ursachen, den Aufhänger des Skandals wunderbar erinnern, wir erinnern uns an diese wunderbaren Fotos, ich glaube es war in der BUNTEN, Scharping mit seiner Gräfin im Pool – über die damalige politische Debatte über Sinn und Unsinn der Einsätze in Jugoslawien usw. erinnern wir uns gar nicht mehr so deutlich."
In jedem Fall werden die Medien sich auch im nächsten Jahr mit echten oder vermeintlichen Skandalen beschäftigen: vielleicht mit Dutzenden Doping-Fällen bei den Olympischen Winterspielen in Vancouver, einer neuen reißerischen Reality-Soap in den Privatsendern, diesmal mit Behinderten, oder einer derben politische Schlammschlacht bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen im Mai. Was davon wahr wird – wir werden sehen.