Kriminelle arabische Clans

Wie stark ist die Integrationskraft des Westens?

Polizisten führen bei einem Einsatz 2016 eine Person in Handschellen aus einem Haus in Berlin im Bezirk Neukölln im Rahmen eines Großeinsatzes gegen eine mutmaßlich kriminelle arabische Großfamilie.
Festnahmen bei SEK-Einsatz gegen arabischen Familienclan © dpa / Gregor Fischer
Ralph Ghadban im Gespräch mit Dieter Kassel · 02.08.2018
Der Islamwissenschaftler und Publizist Ralph Ghadban warnt davor, die Gefahren, die von arabischen Clans ausgehen, zu unterschätzen. Clan-Kriminalität sei mehr als herkömmliche organisierte Kriminalität: "Sie ist auch ein Integrationsproblem."
77 Immobilien einer mutmaßlich kriminellen arabischen Großfamilie beschlagnahmte die Berliner Polizei im Juli - und lenkte damit auch den Blick auf ein Problem, das nach Ansicht des Politologen und Islamwissenschaftlers Ralph Ghadban lange unterschätzt und missverstanden wurde: die Kriminalität arabischer Clans.

Der Clan als gesellschaftliche Organisationsform

Der libanesisch-stämmige Publizist, der seit den 1970er-Jahren in Deutschland lebt, warnt seit langem vor dieser "unterschätzten Gefahr". Clan-Kriminalität sei mehr als herkömmliche organisierte Kriminalität, sagte er im Deutschlandfunk Kultur. "Sie ist auch ein Integrationsproblem." Denn hier träfen zwei unterschiedliche Vorstellungen von gesellschaftlicher Organisation aufeinander, was offenbar bisher viele nicht wahrhaben wollten: "Am Anfang dachte man, dass die Integrationskraft unseres westlichen Modells so stark ist, dass die Leute sich einfach integrieren werden."
Der Politik- und Islamwissenschaftler Ralph Ghadban.
Der Politik- und Islamwissenschaftler Ralph Ghadban.© imago / Müller-Stauffenberg
Man gehe hier davon aus, dass alle Länder so organisiert seien wie in Europa, kritisiert Ghadban. Das sei aber nicht der Fall. "In Europa haben wir eine offene Gesellschaft mit individualisierten Personen, also einzelnen Menschen, und das ganze System beruht auf dem Individuum", sagt er. "Im Orient – und das haben wir in den letzten Jahren ganz klar gesehen – überall, wo der Staat zusammenbricht, erscheinen Clans, Stämme und solche archaischen Organisationen, die in Europa nicht mehr existieren."
Dort sei die normale gesellschaftliche Organisationsform die Großfamilie: "Die versuchen das hier aufrechtzuerhalten, und sie schaffen es ganz leicht, weil sie merken, wenn sie zusammenhalten in einer individualisierten Gesellschaft, dann können sie viele Erfolge haben."

Der soziale Druck des Clans ist groß

Zwar würden viele hier gern ein normales Leben führen und sich integrieren. "Aber der soziale Druck führt dazu, dass die Leute zwangsweise zusammenhalten - und dichthalten. Sie halten so dicht, dass die Polizei diese Mauern nicht durchdringen kann."
Um diese Strukturen aufzubrechen, müsse man so vorgehen wie jüngst die Berliner Polizei: "Wenn das Vermögen, die Beute beschlagnahmt wird, wenn die Chancen auf Profit gering werden, dann besteht keine Notwendigkeit, dass diese Clanstrukturen aufrechterhalten bleiben. Dann kann eine Integration beginnen. Aber solange die Clanstrukturen Profit versprechen, können wir nichts machen."
Wie viele Clanmitglieder es in Deutschland genau gebe, wisse man nicht, so Ghadban. "Es gibt Schätzungen der Polizei, die reden von ca. 100.000 inzwischen, weil diese Familien sehr fruchtbar sind. Familien mit 14, 16 Kindern sind keine Ausnahme."
(uko)

Das Buch "Arabische Clans: Die unterschätzte Gefahr" von Ralph Ghadban erscheint voraussichtlich am 12. Oktober im Econ-Verlag.

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