"Kriegerin" am Grips-Theater

Rechte Ideologen und urbane Weggucker

Szene aus dem Stück "Kriegerin" im Berliner Grips-Theater mit Hauptdarstellerin Alessa Kordeck (Mitte)
Szene aus dem Stück "Kriegerin" im Berliner Grips-Theater mit Hauptdarstellerin Alessa Kordeck (Mitte) © dpa / picture alliance / Soeren Stache
Von Eva Behrendt · 11.11.2015
Der Film "Kriegerin" traf einen Nerv und ist nun im Theater zu sehen, in einer Adaption "für Menschen ab 14". Die Geschichte von rechtsextremen Jugendlichen wird in Berlin mit Szenen aus dem Flüchtlingsheim aktualisiert, vertändelt aber viel Zeit mit Basteleien.
Als David Wnendts Debütfilm "Kriegerin" Anfang 2012 in die Kinos kam, wirkte er, nur wenige Wochen nach dem buchstäblichen Auffliegen der Zwickauer NSU-Zelle, auf unheimliche Weise aktuell. Der Film spielt in der idyllischen Sommer-Ödnis der ostdeutschen Provinz und erzählt von zwei jungen Frauen, ihren schwierigen Familien und ihrem Verhältnis zur rechten Szene.
Die 20-jährige, von klein auf rechts indoktrinierte "Kriegerin" Marisa sucht den Absprung, nachdem sie zwei junge Geflüchtete beinahe umgebracht hat; die 15-jährige Schülerin Svenja, die von ihrem autoritären Stiefvater schikaniert wird, steigt gerade ein. Und auch jetzt, wenn das Berliner Grips-Theater eine Theateradaption "für Menschen ab 14" herausbringt, trifft diese "rechte Geschichte" einen Nerv.
Die Autorin Tina Müller hat sich in ihrer Theaterfassung durchaus an Wnendts Drehbuch gehalten, das Thema der Geflüchteten aber verstärkt, etwa mit Szenen im Flüchtlingsheim, die satirisch die neue "Willkommenskultur" überspitzen. Aber auch mit deutlichen Anspielungen auf Pegida-Sprüche, AfD-Denke und Neonazi-Eltern, die überrascht jede Verantwortung von sich weisen.
Neu dazugeschrieben hat sie, vielleicht ja als Identifikationsangebot für das Berliner Publikum, eine urbane Clique von Parkour trainierenden Jugendlichen, die weder rechts sind noch geflüchtet, sondern einfach "ihre Ruhe" haben wollen: Sind sie die Weggucker von morgen? Oder positionieren sie sich doch?
Requisiten bremsen die Handlung aus
Die Inszenierung von Robert Neumann versucht gar nicht erst, mit dem atmosphärisch starken, musikalisch und physisch harten Film zu konkurrieren. Sie will stattdessen mit der Behauptungskraft von Theater trumpfen, die angeblich jedes Stück Alufolie in eine Falafel oder auch eine tödliche Kugel verwandeln kann.
Silke Pielsticker hat für ihr Bühnenbild mächtig im Baumarkt gewildert und neben einem multifunktionalen Riesentisch, der als Imbisstresen, Einkaufsband, Notunterkunft und Tanzfläche dient, auch jede Menge Folien, Farben, Tüten und Klebebänder mitgebracht, aus denen die Schauspieler alle möglichen Kostüme und Kulissenteile, sämtliche Requisiten vom Notebook bis zum Fitnessgerät selber basteln müssen, für jede Szene neu.
Leider bremst diese irre Bastelwut die Handlung aus, dämpft die Konflikte und bläht den Abend unnötig auf. Auch die Parkour-Einlagen vertändeln viel Zeit, und das, obwohl sie Szene-Kennern höchstens ein müdes Lächeln entlocken dürften.
Dennoch gelingen dem überbeschäftigten Grips-Ensemble, in dem jeder und jede mehrere Rollen spielt, punktuell starke Szenen: Vor allem Alessa Kordecks verbissene Marisa geht im Nicht-Gespräch mit ihrer kalten, abweisenden Mutter (Regie Seidler) unter die Haut, Lorris Andre Blazejewski zeigt als Rasul einen jungen Geflüchteten, der nicht die geringsten Anstalten macht, sich wie ein Opfer zu benehmen, und René Schubert beweist als Spießer-Stiefvater und rechter Ideologe, dass die Übergänge zwischen beiden Rollen fließend sind.
Nach dem Ende, dessen Härte leider wieder an die Requisitenbastelei verschenkt wird, rücken die Spieler als Parkours-Clique noch mal auf der Bühne zusammen und schauen dem Publikum zur traditionellen Grips-Ermutigung in die Augen. Konzentriert, kraftvoll und überraschend direkt: "Ja, sie sind viele. Aber wir, wir sind mehr, viel mehr!" Der Abend hätte mehr von dieser Energie gebrauchen können.
Informationen des Grips-Theaters zur Produktion "Kriegerin"
Mehr zum Thema