"Krieg im Fokus"

Von Anette Schneider · 29.01.2010
Gerta Taro fotografierte an vorderster Front im Spanischen Bürgerkrieg. Als sie dort 1937 im Alter von 27 starb, waren ihre Fotos bekannt, gerieten später in Vergessenheit. Nun werden ihre Fotos zum ersten Mal in der Bundesrepublik, im Kunstmuseum Stuttgart, gezeigt.
Ein entspannt in der Sonne sitzendes, uniformiertes Liebespaar. Eine Milizionärin mit Pistole im Anschlag. Republikanische Soldaten im Kampf. Die Bombardierung der spanischen Zivilbevölkerung durch deutsche Faschisten. Verwundete und Tote. Ein Jahr lang fotografierte Gerta Taro im Spanischen Krieg, bis sie als erste Kriegsfotografin, knapp 27 Jahre alt, bei ihrer Arbeit ums Leben kam.

Taro, die 1933 als linke Jüdin von Leipzig nach Paris emigrieren musste, lernte dort Robert Capa kennen. Er brachte ihr das Fotografieren bei, und unmittelbar nach dem Putsch Francos gegen die Volksfrontregierung reisten beide nach Spanien, erklärt die Taro-Biografin Irme Schaber, die die Ausstellung mit erarbeitete:

"Dass sie sofort nach Spanien wollten, hing damit zusammen, dass sie als Fotografen natürlich sagten: Die ganze Weltöffentlichkeit, der Fokus, geht gerade auf Spanien. Was passiert da: Da ist ein Vorkampf zwischen Faschismus und Demokratie. Und sie waren natürlich von ihrer politischen Überzeugung her und als Emigranten, die aus Deutschland vertrieben worden sind, parteiisch. Und hatten auch gleich das Gefühl, sie könnten in Spanien vielleicht etwas bewirken mit ihrer Arbeit. Sie hatten in Spanien die Vorstellung, dass sie die Weltöffentlichkeit aufrütteln könnten."

Der Spanische Krieg war der erste moderne Medienkrieg. Erstmals ermöglichten kleine Handkameras den Fotografen, überall dabei zu sein. Während faschistische Massenblätter die deutsche Legion Condor verherrlichten, die regelmäßig die spanische Zivilbevölkerung bombardierte, zeigten die Fotografen auf republikanischer Seite das Geschehen von unten. Die chronologisch gehängte Ausstellung macht deutlich: Je brutaler die Faschisten vorgehen, desto schockierender werden Taros Bilder. Sie liegt bei den Soldaten in den Schützengräben, zeigt die vor den Bomben flüchtende Zivilbevölkerung, aufgerissene Häusermauern, Menschen in Kranken- und Leichenschauhäusern - betreibt, wie Irme Schaber es nennt, eingreifende Fotografie.
"Das eingreifende Fotografieren ist für mich eine Umschreibung eigentlich für eine Fotografie, die sich solidarisch zeigt mit dem, was da vorne passiert. Die sich mit Empathie den Protagonisten nähert, ob das nun Milizionäre oder Soldaten sind, die in einem Kampfeinsatz sind, oder ob das die Bevölkerung ist. Es ist der Versuch, sich hineinzuversetzen, nicht in einer distanzierten Form darüber zu berichten, sondern ganz stark den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, und darüber Bilder zu liefern, Atmosphäre zu liefern, aber eben auch tatsächlich zu sagen: So geht es den Leuten, das und das passiert."

Formal greift Gerta Taro das Neue Sehen auf, sowie die Errungenschaften der jungen sowjetischen Fotografie um Rodschenko. Sie verwendet Unter- und Aufsichten, dynamische Perspektiven, die Bewegung und Veränderung symbolisieren.

Bis Anfang 1937 arbeiten Gerta Taro und Robert Capa im Team, stempeln ihre Bilder mit "Capa & Taro”. Als Taro sich von Capa trennt, zeichnet sie nur noch mit ihrem Namen - und hat Erfolg: Ihre Arbeiten erscheinen unter anderem in "life” und "Ce Soir”, sowie in zahlreichen Exil- und Gewerkschaftszeitschriften.

Als sie im Juli an der Front stirbt, folgen ein paar Tage später in Paris zigtausend Menschen ihrem Sarg. An der Spitze: Pablo Neruda und Louis Aragon.

"Ich denke schon, dass ihre Beerdigung auf jeden Fall eine Manifestation war für die Solidarität mit Spanien. Für den Kampf gegen den Faschismus. Über ihren Tod ist bis hin nach Tokio berichtet worden."

Kurz darauf sind Gerta Taro und ihr Werk vergessen. Nur der jahrelangen Forschungsarbeit Irme Schabers ist es zu verdanken, dass 73 Jahre nach den Tod der Fotografin ihre Bilder jetzt erstmals - nach New York und Barcelona - in der Bundesrepublik zu sehen sind. Für die Ausstellung durfte Schaber als erste Taros Nachlass sichten, den Robert Capa 1939 bruchstückhaft in die USA rettete. Heute liegt er im New Yorker "International Center of Photography”, das von Robert Capas Bruder Cornell geleitet wird.

Nicht immer ließen sich die Bilder eindeutig zuordnen, erklärt die Kulturwissenschaftlerin: Zu ähnlich hätten Capa und Taro gearbeitet. Auch hätte Capa die im Team entstandenen Bilder später als seine eigenen ausgegeben, und Fotoagenturen überklebten schon mal Taros Stempel und zeichneten mit Capa, weil der sich teurer verkaufen ließ.

Es ist ungeheuer schwierig zu sagen, dass ist ein Capa, das ist eine Aufnahme von Gerta Taro. Es hat sehr viel Arbeit gebraucht, um belegen zu könne: An diesem Frontabschnitt war nur Taro, es kann gar nicht Capa sein.

Vergleicht man Taros Arbeiten mit unserer aktuellen, gern als "objektiv” bezeichnete Kriegsfotografie, die vor allem nach Sensationsfotos giert, wird deutlich, weshalb viele der Taro-Fotos bis heute berühren: Es ist der Anspruch, aufklären und eingreifen zu wollen. Genau dies, so Irme Schaber, seien auch die eigentlichen Gründe dafür, dass Gerta Taro hierzulande so gründlich vergessen wurde: Wer so vehement Partei ergreife gegen die Herrschenden, würde dafür aus dem kollektiven Gedächtnis gestrichen:

"Ich denke, in Deutschland war sicherlich mitentscheidend, dass sie Jüdin war, Kommunistin war, Antifaschistin. Man kann es daran aufzeigen, dass zumindest in der DDR früher als in Westdeutschland an Gerta Taro erinnert wurde. In Westdeutschland gab es kaum eine linke, antifaschistische Erinnerung an den Spanischen Bürgerkrieg; ist lange Jahre noch die Legion Condor sehr positiv gesehen worden, die haben ihre Rente bezogen für ihre Kampfzeit in Spanien. Die Emigranten, die in Spanien gekämpft haben, da hat niemand hier eine Rente anerkannt bekommen."